Bei der Sitzung im Ratssaal der Kreisverwaltung fehlte die SPD geschlossen. Die Sozialdemokraten hatten am Dienstag vor der Sitzung versucht, diese digital stattfinden zu lassen. Das scheiterte, die SPD blieb der Präsenzveranstaltung wegen des „Restrisikos einer Ansteckung“ fern. Ein Umstand, den Lothar Bastian (Die Grünen) allerdings kritisierte.
Hauptthema war dabei der Einstieg der Stadt in die neue Verkehrs-GmbH inklusive Unterzeichnung des Konsortialvertrags. Das hatte der Stadtrat in seiner zweiten Sitzung des Jahres am 24. März mit einer Mehrheit von 22 Jastimmen (SPD, Grüne, Linke und Progressives Bad Kreuznach sowie Tina Franzmann und Mirko Helmut Kohl von der CDU) beschlossen. Damals erschienen manche Gruppierungen erst gar nicht zur Sitzung: die AfD-Fraktion, die dreiköpfige Fraktion von FWG und Büfep sowie Herbert Drumm (Freie Wähler) fehlten bei der Abstimmung.
Zu teuer und kaum Einfluss
Die Kritikpunkte des Kämmerers an dieser Entscheidung sind rasch zusammengefasst, so auch in einem vierseitigen Schreiben, das den Ausschussunterlagen beigefügt war: Die Kosten des Beitritts seien unüberschaubar, der Einfluss der Stadt sei auf Grund der Mehrheitsverhältnisse in der neuen Gesellschaft bedeutungslos. Darüber hinaus gebe es keinen Hinweis, wie die doch beträchtlichen Kosten – so zum Beispiel der städtische Anteil an den Gesamtinvestitionen der Rekommunalisierung von rund 8,4 Millionen – refinanziert werden sollten, noch dazu gebe es weder einen entsprechenden Haushaltsposten noch sei der 2021er-Haushalt von der ADD freigegeben.
„Die Expertise des Finanzausschusses wollte man nicht haben. Der Stadtrat kann entscheiden, was er möchte. Wir müssen aber darauf hinweisen. Das ist unsere Pflicht“, hob Heinrich den Zeigefinger. Und hier liegt ein weiterer Kritikpunkt, der durchaus seine Berechtigung hat. Das ÖPNV-Konzept wurde im Planungs- und Verkehrsausschuss der Stadt vorberaten und im Stadtrat beschlossen. Der Finanzausschuss wurde dazu weder gehört geschweige denn gab es dort einen Beschluss über die Refinanzierung der Kosten.
Und nun wird es wesentlich – und juristisch. Geht es nach der Lesart von Wolfgang Heinrich, der Jurist ist, dann ist die Stadt ab 15. April „das Ganze los“. Damit meint der Kämmerer die Trägerschaft des ÖPNV. „Das Gesetz ist klar formuliert, so dass es jeder versteht“, sagte Heinrich am Montagabend und meint damit das erst frisch verabschiedete Nahverkehrsgesetz (NVG) vom 3. Februar 2021. Darin ist in Paragraf 5 geregelt – ins Konkrete übertragen –, dass die Stadt Bad Kreuznach, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes durch Beauftragung der Stadtbus GmbH zum Aufgabenträger des öffentlichen Personennahverkehrs ist, davon aber befreit wird, falls dieses beauftragte Verkehrsunternehmen diese Leistung nicht mehr erbringt. Die letzten vier Linien (201, 204, 205 und 206), von deren Beschickung sich die Stadtbus GmbH hat entbinden lassen, laufen zum 15. April aus. Danach regelt eine subventionierte Notvergabe das Busangebot im Stadtgebiet.
Ist die Stadt ab 15. April raus?
Heinrichs Schlussfolgerung: Ab dem 15. April sei die Stadt Bad Kreuznach nicht mehr der Träger des ÖPNV. Und weiter geht's: Der Kreis stehe dann in der Verantwortung. Die Stadt bezahle dann für das ÖPNV-Angebot über die Kreisumlage. Zu einer jeden juristischen Einschätzung gibt es – so auch in diesem Fall – eine anderslautende Meinung. Diese kommt vom Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, datiert auf den 22. März, und ist die Antwort auf die Anfrage eines Finanzausschussmitgliedes an die Regierungsbehörde.
Grundsätzlich sei es so, dass die Stadt weiter Träger bleibe, denn sie erbringe sehr wohl eine Verkehrsleistung. „Denn die Stadt übernimmt weiterhin die Finanzierung der Buslinien 202, 203 und 224. Diese ergibt sich aus dem Zusammenhang zwischen dem Verkehrsvertrag zwischen der Stadtbus GmbH und dem Landkreis Bad Kreuznach aus dem März 2021“, heißt es in der Antwort aus dem Referat 8706 des Ministeriums.
Damit ist wohl die Notvergabe gemeint. Danach beteilige sich auch die Stadt Bad Kreuznach an den Kosten, also sei sie weiterhin in der Trägerschaft. Davon unabhängig habe auch die ursprüngliche zum 1. Januar 1996 beschlossene Übertragung des öffentlichen Personennahverkehrs vom Landkreis an die Stadt weiterhin wirksam und gelte unbefristet fort.
Das Schreiben ist auch dem Kämmerer Wolfgang Heinrich bekannt. Er sagt dazu: „Das Gesetz spricht eine klare Sprache und regelt eindeutig, dass wir kein Träger mehr sind.“