„Ich bin schon immer hier“, sagt Helmut Schmidt, als er im Waldböckelheimer Rathaus sitzt. In der Gemeinde ist er verwurzelt, hier hat er Vereine mitgegründet, hier ist er Ortsbürgermeister in dritter Amtszeit. Doch der Sozialdemokrat will mehr: Bei der Bürgermeisterwahl der Verbandsgemeinde (VG) Rüdesheim am kommenden Sonntag, 29. Juni, fordert er Amtsinhaber Markus Lüttger (CDU) heraus. Schmidt bewirbt sich zum ersten Mal um den Posten des VG-Chefs.
Zweifacher Bürgermeister? Kein Problem!
Um es gleich vorwegzunehmen: Ja – wenn der 56-Jährige die Wahl gewinnen sollte, könnte er trotzdem weiterhin Oberhaupt von Waldböckelheim bleiben. „Das sind zwei Urwahlen, das ist gestattet“, stellt Schmidt beim Gesprächstermin mit dem Oeffentlichen Anzeiger klar. Um sämtliche Zweifel auszuräumen, hat er dafür eigens einen weiteren Flyer drucken lassen, auf der Rückseite stehen entsprechende Auszüge aus der Gemeindeordnung. Eine mögliche Bevorzugung seiner Heimatgemeinde als potenzieller VG-Chef wehrt Schmidt mit einem amüsierten Lächeln ab: „Da habe ich bis jetzt keine Vorteile erhalten und werde auch künftig keine erhalten.“
„Das Thema Digitalisierung ist für mich wichtig, um eine zukunftsfähige Verwaltung zu haben.“
Helmut Schmidt (SPD)
Dabei will Schmidt gerade mit seiner Erfahrung und Bekanntheit als Kommunalpolitiker punkten. Seit elf Jahren lenkt er die Geschicke Waldböckelheims, fast genauso lang sitzt er im Verbandsgemeinderat, zuletzt als Fraktionschef. Warum er als VG-Bürgermeister kandidiert? Er wolle eine „vernünftige Alternative zum Amtsinhaber“ sein. Bei der vergangenen Wahl vor acht Jahren hat die SPD keinen Kandidaten gestellt. „Da habe ich mich schon geärgert. Das darf diesmal nicht passieren.“
Mehr Digitales, weniger Analoges
Schmidts Steckenpferd: die Digitalisierung der Verwaltung. Sein Negativbeispiel: Als Ortsbürgermeister erhält er Rechnungen in Papierform, die er mit Stempel und Siegel versieht, um sie dann per Brief an die VG-Verwaltung zu schicken, die sie wiederum überprüft und nach Waldböckelheim zurückschickt, bevor Schmidt die Quittungen ein weiteres Mal unterschreibt und wiederum zurücksendet. Dabei ist das Personal in Verwaltungen ohnehin knapp, erleichterte Arbeitsabläufe könnten da abhelfen, meint Schmidt.

Wie das konkret aussehen könnte? „Jede Behörde hat ein eigenes Buchungssystem. Es wäre ein Leichtes, eine Überprüfung der Systeme in den VGs anzuregen“, sagt er mit Blick auf den Kreis und wirbt für eine Harmonisierung der Programme. „Das Thema Digitalisierung ist für mich wichtig, um eine zukunftsfähige Verwaltung zu haben.“
Eine Marke mit Potenzial
Aber der 56-Jährige hat noch mehr vor: So möchte er etwa die Dorfläden stärken („die müssen finanziell besser ausgestattet werden“) und die VG-Werke größer denken („die muss man mehr zusammenfassen“). Nur so könnte man auch in mehreren Jahren, wenn die „Babyboomer“ in Rente gehen, weiterhin personell gut aufgestellt sein, ist Schmidt überzeugt. „Wichtig ist, dass man darüber spricht.“ Und mit Blick auf die Region bezeichnet der Sozialdemokrat die VG als ein „touristisches Entwicklungsgebiet mit maximalem Potenzial“. Die „Marke Nahe“ müsse gestärkt werden. Zudem sollten Gemeinden bei der Sanierung der Ortskerne unterstützt werden.
„Da habe ich mich schon geärgert. Das darf diesmal nicht passieren.“
Helmut Schmidt (SPD) über die Wahl vor acht Jahren, als seine Partei keinen Kandidaten stellte
Helmut Schmidt arbeitet seit fast 40 Jahren bei einem großen deutschen Kommunikationsunternehmen, betreut dort einen Großkunden. Der berufliche Werdegang des verheirateten Vaters von zwei erwachsenen Kindern beginnt in den 1980er-Jahren beim Fernmeldeamt in Mainz und Bad Kreuznach. „Da habe ich sie alle gesehen“, erzählt Schmidt in Erinnerung an viele Kontakte, und fügt hinzu: „Da habe ich eine große Menschenkenntnis erhalten dürfen.“ Die will er auch in der Politik nutzen. Er will neue Perspektiven auf so manche alten Themen werfen. „Soziale Gerechtigkeit ist für mich die Überschrift“, sagt er, als er im Waldböckelheimer Rathaus sitzt. Dort ist er verwurzelt. Mit der Wahl am Sonntag möchte er im Rüdesheimer Rathaus neue Wurzeln schlagen.