Kommunalpolitiker und Weggefährten zum Abschied von Ministerpräsidentin Malu Dreyer
„Sie war damals mein Lichtblick“: Bad Kreuznacher erinnern sich an Malu Dreyer
bk_nockherbersch-2015-malu-dreyer
Zu Gast auf dem Nockherbersch der Fidele Wespe im Jahr 2015: Malu Dreyer
Marian Ristow

Kommunalpolitiker und Weggefährten von der Nahe blicken zum Abschied von der Ministerpräsidentin zurück auf gemeinsame Begegnungen.

Lesezeit 5 Minuten

Weil sich „die Akkus nicht mehr so schnell aufladen“ wie früher, hat die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Mittwoch ihren Rücktritt angekündigt. Auf ihrem Weg nach Mainz hatte die 63-Jährige auch in Bad Kreuznach Station gemacht, wo sie von 1995 bis 1997 Bürgermeisterin war. So manche Politiker von der Nahe haben daher ganz persönliche Erinnerungen an Dreyer.

„Die Malu ist mit dem Herzen klug“, sagt Martina Hassel. Die Sozialdemokratin muss es wissen, kennt sie doch die scheidende Ministerpräsidentin aus den gemeinsamen 80er-Jahren in Mainz. Damals wurde dort der Verein für Feministische Mädchenarbeit (Femma) gegründet. Hassel ist sich nicht sicher, ob Dreyer Gründungsmitglied war, sie sei aber sehr früh dem Verein beigetreten.

Man kann sich auf Malu Dreyer verlassen, und sie ist eine Frau mit besonderer Ausstrahlung.

Bad Kreuznachs ehemalige Bürgermeisterin Martina Hassel (SPD)

Als der mittlerweile verstorbene ehemalige Mainzer Sozialdezernent Willi Abts erkrankte, und die Suche nach einem Nachfolger begann, ermutigte Hassel Dreyer, sich auf die Stelle zu bewerben. „Sie wollte erst gar nicht, weil sie gerade eineinhalb Jahre Bürgermeisterin in Bad Kreuznach war“, erinnert sich Hassel. Sie musste Dreyer versprechen, sich im Gegenzug auf ihre Stelle in Bad Kreuznach zu bewerben. Das tat Hassel, und Dreyer ging bekanntlich nach Mainz. „Man kann sich auf Malu Dreyer verlassen, und sie ist eine Frau mit besonderer Ausstrahlung“, sagt Hassel. Zudem schätzt Hassel ihren unerschöpflichen Optimismus. „Ich war vom Rücktritt überrascht und betroffen. Sie ist eine tolle und einzigartige Frau und beinahe unersetzbar.“

dreyer3
Malu Dreyer am 18. Mai 1995 im Standesamt mit Andreas Ludwig. Der damalige Baudezernent und spätere OB trat zusammen mit Dreyer den neuen Job in Bad Kreuznach an.
Oeffentlicher

Empathisch, gradlinig, lösungsorientiert: So beschreibt Stephanie Otto (Grüne), die jetzt wieder in den Stadtrat gewählt wurde, Malu Dreyer. Otto kennt sie noch aus ihren Anfangsjahren im Stadtrat, als Malu Dreyer mit 34 Jahren Bürgermeisterin von Bad Kreuznach wurde. „Wir waren da die Youngsters“, blickt die Grünenpolitikerin, die zwei Jahre jünger ist, zurück.

„Heute würden viele sagen: Die ist ja viel zu jung, die hat ja gar keine Erfahrung“, ist Otto überzeugt. Als jüngere Frauen hätten sie es mit den „älteren Herrschaften“ im Stadtrat nicht immer leicht gehabt; gerade politische Schwergewichte wie der 2016 verstorbene Peter Anheuser hätten durchaus rustikale Sprüche ihnen gegenüber geäußert. Doch Dreyer sei immer nah dran gewesen an den Bedürfnissen der Menschen und habe pragmatisch und schnell handeln können.

Heute würden viele sagen: Die ist ja viel zu jung, die hat ja gar keine Erfahrung.

Grünen-Stadträtin Stephanie Otto über Malu Dreyer

„Wir hatten mal einen deutsch-polnischen Austausch mit Jugendlichen, die über den Jahrmarkt hier waren“, erinnert sich Otto. Sie habe Dreyer damals gebeten, für die jungen Gästen aus Polen noch einen kleinen Obolus beizusteuern, damit ein Besuch auf der Pfingstwiese drin ist. „Am nächsten Tag war das geregelt“, erzählt sie. Abgesehen davon habe Malu Dreyer schon damals Weitsicht bewiesen, wollte sie doch auf dem heutigen Obi-Gelände eine Krankenpflegeschule einrichten. Bad Kreuznach als Gesundheitsstandort: Das sei heute noch immer wieder in der Diskussion.

Die frühere Kulturdezernentin Renate Weirich (SPD), die von 1991 bis 1999 im Amt war, kennt Malu Dreyer noch aus ihrer Zeit im Stadtvorstand. „Ich habe einen großartigen Eindruck von ihr gehabt“, erinnert sie sich. Die heutige Ministerpräsidentin sei damals schon eine faire und aufrichtige Politikerin gewesen, der es immer zuerst um die Sache gegangen sei.

„Sie hat gute Lösungen gefunden und konnte das auch überzeugend kommunizieren“, findet Weirich. Sie bedauert den Entschluss Dreyers, als Ministerpräsidentin aufzuhören, denn da habe sie diese Eigenschaften auch immer gezeigt. „Ich habe große Hochachtung vor ihrer Arbeit“, sagt sie. Für die SPD sei ihr Rückzug aus der Politik ein großer Verlust, aber auch zu respektieren. „Wir verstehen uns auch heute noch gut, und ich werde ihr schreiben.“

Ich habe große Hochachtung vor ihrer Arbeit.

Die ehemalige Kulturdezernentin Renate Weirich (SPD)

Am 18. Mai 1995 traten Malu Dreyer und Andreas Ludwig im Kreuznacher Standesamt gemeinsam über die Schwelle – aber nicht zur Hochzeit. Sie traten gemeinsam ihren Dienst an: Ludwig (CDU) als Baudezernent, Dreyer als erste Frau im Bürgermeisteramt. Ludwig erinnert sich gern an die Zusammenarbeit. Er habe Dreyer sehr geschätzt. Nur als Wirtschaftsförderin habe sie beim Minick-Gelände damals einen „Rohrkrepierer“ hingelegt: Sie habe eine Firma aus Detmold herangezogen, bei der sich herausstellte, dass keine ausreichende Substanz vorhanden war. Das habe dann wohl auch dazu geführt, dass Dreyer Kreuznach Adieu gesagt habe, mutmaßt Ludwig. Er habe sie später aber als Trierer Baudezernent immer wieder auch mit ihrem Ehemann getroffen, der dort früher Stadtchef gewesen war.

Ludwig erinnert sich auch daran, wie Malu Dreyer an seiner schmerzhaften Wahlniederlage gegen Heike Kaster-Meurer (2011) sehr Anteil genommen und ihn persönlich bei einem Termin darauf angesprochen hatte. Dreyer habe eine kleine Wohnung in der Magister-Faust-Gasse (Klein-Venedig) bewohnt und sehr großen Wert auf Privatsphäre gelegt. Er habe einmal vor ihrer Tür gestanden, um sie abzuholen, sie habe ihn aber nicht hereingebeten. Ludwig schätzt, dass sie damals möglicherweise schon mit Multipler Sklerose zu kämpfen hatte.

malu
Großes Hallo alter Bekannter: SPD-Veteranin Annette Bauer im blauen Anorak und Malu Dreyer kennen sich noch aus den Zeiten, als die heutige Ministerpräsidentin noch Bad Kreuznacher Bürgermeisterin war (1995 bis 1997).
Robert Neuber

Dass Ludwig als Christdemokrat mit Malu Dreyer sehr gut auskam, lag vielleicht auch daran, dass ihr Vater selbst früher CDU-Kreisvorsitzender in Neustadt an der Weinstraße gewesen war. Malu Dreyer, so erinnert sich Ludwig, war bei ihrem Amtsantritt in Bad Kreuznach übrigens noch kein SPD-Mitglied. Das wurde sie erst später.

Und ich dachte damals: Wow, was für eine tolle Frau, so authentisch, so liebenswert.

Bad Kreuznacherin Annette Bauer (SPD) über ihre erste Begegnung mit Malu Dreyer

Sozialdemokratin Annette Bauer aus Bad Kreuznach hat die Nachricht von Dreyers Weggang sehr getroffen. Es waren seinerzeit starke Jahre der lokalen Sozialdemokratie, der Zusammenhalt war groß. Und dann kam Malu Dreyer auf Betreiben der SPD nach Kreuznach. Bauer, seinerzeit mit dem Arbeitskreis sozialdemokratischer Frauen (ASF) im Einsatz, sah Dreyer erstmals in Bad Münster bei einer Veranstaltung. „Und ich dachte damals: Wow, was für eine tolle Frau, so authentisch, so liebenswert.“ Dreyer habe auch ihre Arbeit als Bürgermeisterin souverän erledigt, und zwar „mit links“, so Bauer.

Gleichzeitig sei sie immer „gründlich, fleißig“ gewesen. Oft habe man im Garten zusammengesessen und über Politik gesprochen, oder man sei am Holzmarkt in die „Löwen“-Kneipe eingekehrt. „Es war ein sehr enges Miteinander damals, und Malu war immer herzlich, niemals hochmütig – es ärgert mich heute, dass viele Bürger das nicht anerkennen.“ Mit Malu Dreyer habe sie „eine Seelenverwandtschaft“ verbunden, so Annette Bauer, „und deswegen war die Nachricht ihres Abschieds für mich schon ein Schock. Sie war damals mein Lichtblick.“

Sie hat eine Art, auf die Menschen zuzugehen, die ist nicht jedem gegeben

Bad Kreuznacher SPD-Urgestein Carsten Pörksen

Carsten Pörksen, Kreuznacher SPD-Urgestein und ehemaliger Landtagsabgeordneter, erinnert sich gut an seine Begegnungen mit Dreyer. „Ich habe sie damals nach Bad Kreuznach geholt“, erzählt Pörksen nicht ohne Stolz. Er habe sie damals im Landtagsrestaurant gefragt, ob sie nicht Bürgermeisterin von Bad Kreuznach werden wolle. „Sie hatte zuvor noch kein kommunalpolitisches Amt“, erzählt Pörksen, Dreyer habe als Juristin im wissenschaftlichen Dienst des Landtags gearbeitet.

„Sie hat eine Art, auf die Menschen zuzugehen, die ist nicht jedem gegeben“, beschreibt Pörksen die Politikerin, die immer ein „besonders offenes Ohr“ für Bad Kreuznacher Belange gehabt habe. Ihre Entscheidung, als Ministerpräsidentin zurückzutreten, bedaure er sehr, könne sie wegen ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung aber „voll verstehen“. „Wenn man mit ihr zusammengearbeitet hat, weiß man, wie viel Kraft dieses Amt verlangt.“

Top-News aus der Region