Giacomo Antonio war ein etwa 30 Jahre alter Signore vom Lago di Como in der Lombardei, der im Jahre 1750 in Meisenheim anklopfte. Er legte zehn „Gulden“ auf den Tisch, dafür wurde ihm die Bürgerschaft verliehen. Und so begann die Geschichte, die zu unserer seltsamen Burgruine bei Seibersbach führt.
Denn bei Signore Giacomo handelte es sich um den späteren Herrn Jakob Puricelli. Einer seiner Söhne, nämlich Carl Wilhelm Anton, heiratete Margarethe Utsch, die Tochter des Eigentümers der Rheinböller Hütte. Der wiederum war Friedrich Wilhelm Utsch, dem man den Ehren-Song „Jäger aus Kurpfalz“ gewidmet hat.
Die Puricellis hatten nun also einen Fuß in der Tür, und sie übernahmen die Erzgruben im Jahre 1860 ganz. Mit dem Einstieg in die Gasenergie und die Herstellung der dazu benötigten technischen Erzeugnisse klingelte es ordentlich in der Kasse. An der Nahe ist ja bekannt, dass die bedauernswerten Puricellis gar nicht mehr so recht wussten, wohin mit der ganzen Kohle. Ob Kauzenburg, Rittergut Bangert, Schloßpark, Franziskastift – die Puricellis machten es wie viele der reichen Bürger des 19. Jahrhunderts: Man zeigte, was man hat.
Der Wandel von der Ständegesellschaft zur Bürgergesellschaft war in vollem Gange, wobei die Distinktionsfaktoren der Adligen der Maßstab waren. Und so diente das Geldausgeben vor allem dem Zweck, sich in die von Blaublütern immer noch dominierte Elite der Ständegesellschaft „einzukaufen“.
Zu den Distinktionssymbolen gehörten luxuriöse Immobilien – und so kauften die Puricellis im Jahre 1898 die Burg Reichenstein bei Trechtingshausen am Rhein. Um zu beeindrucken, waren schon lange edle Herren zur Jagd in den eigenen Wald geladen worden. Da reichte jedoch kein sportives Jagderlebnis, es musste etwas besonderes her. Also wurde zum Schmaus und zur gepflegten Konversation während der Jagd nicht nur eine banale Jagdhütte zur Verfügung gestellt. Es gab gleich eine ganze Burg.
Und somit wäre man bei der Karlsburg angelangt, die genau gegenüber des heutigen Steinbruchs, der Grube Alexandra, liegt. Carl Puricelli ließ sie im 19. Jahrhundert erbauen, wobei die Jahreszahlen differieren. Die Internetseite der Gemeinde Seibersbach spricht vom Jahr 1849, die vom Land betriebene Internetseite „KuLaDig (Kunst Landschaft Digital“) vom Jahr 1878.
Das Bauwerk bestand aus einem dreistöckigen Turm und einigen gezinnten Mauerbauten. Es war aber nur ein Raum geschlossen nutzbar, nämlich der im ersten Stock des Turms. Darunter fand sich ein Raum mit wunderschönen Sandsteinfenstern, aus denen man hinüber in den Steinbruch schaut.
Die Relikte dieses künstlichen Schickimicki-Bauwerks sind heute nicht ausgeschildert, und vor Ort stehen absperrende Maschendrahtelemente. Was natürlich abenteuerlustige Entdecker nicht abhalten kann.
Laut KuLaDig-Homepage handelt es sich beim Standort um den privaten Utschen Wald. Wer im Guldenbachtal auf der Landesstraße nach Rheinböllen fährt, kann die Burg für Sekunden gut sehen. Aber der Moment ist schnell vorüber, denn das Gemäuer ist stark umwaldet. Das war früher natürlich ganz anders. Die Wälder rund um die Rheinböllerhütte dienten als Brennstofflager, viel Wald gab es hier nicht – insofern hatte man von der künstlichen Burgruine Karlsburg sicher einen großartigen Blick.
Um die Burg wirklich zu erleben, muss man nah heran. Der Weg dorthin ist eigentlich sehr einfach zu finden und auch gut zu laufen. Allerdings sind gerade die letzten knapp 200 Meter als Weg nicht instandgehalten, hier liegt Geröll, und über den einen oder anderen Ast auf dem Boden muss man auch steigen.
Der einfachste Einstieg findet sich 300 Meter oberhalb der Puricelli-Kapelle, gegenüber des Conti-Parkplatzes. Hier biegt scharf links der asphaltierte Weg in den Wald ab, dem man 580 Meter folgt. An einem Wegekreuz mit Hütte hält man sich links und folgt der Schotterpiste für gut 1,5 Kilometer. Hier zweigt ein Weg ohne Beschilderung oder Markierung links ab, diesem etwa 120 Meter bergab folgen, dann rechts halten. Nach weiteren 130 Metern geht es steil bergab zur Burg, die nach etwa 200 Metern erreicht ist.
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- Die dekorative Karlsburg der Puricellis findet sich im Wald oberhalb des Guldenbachtals. Um dorthin zu wandern, das Auto am besten auf dem Schotter-Parkplatz am Abzweig von der L214 nach Dichtelbach abstellen. Von dort in Richtung der Puricelli-Kapelle der Landstraße folgen, etwa 300 Meter hinter der Kapelle geht es links in den Wald. Der Spaziergang zur Burgruine ist nicht weit, es sind etwa 2,4 Kilometer. Die Burgrelikte können von außen betrachtet werden. Sie sind aber nicht zugänglich, es sind absperrende Zäune aufgestellt.
- GPS-Daten für die Karlsburg-Ruine: 49.976, 7.707