Putzreste als Beweis
Sensationsfund in Odernheim: Weinkelter aus  Römerzeit
Im Sommer 2024 waren die Mauern der Römerkelter freigelegt worden. Professor Michael Matheus (Mitte) hatte die Fundstelle im August gemeinsam mit den Odernheimern Hans Peter Kersting (links) und Günter Brücken begutachtet.
Gabriele Turban-Lang

Die Untersuchung von Putzresten hat den Beweis erbracht: Im Odernheimer Baugebiet gab es in der Antike eine Kelteranlage. Sie ist der erste Beleg für römischen Weinbau an der Nahe. Das Problem: Eine Familie will eigentlich auf dem Gelände bauen.

Einen aufsehenerregenden archäologischen Fund hat der Mainzer Historiker Michael Matheus in Odernheim gemacht. Denn im Neubaugebiet „Am Lettweilerweg“ haben gut im Boden verborgen die Reste einer Weinkelter aus der Römerzeit die Jahrhunderte überdauert.

Zunächst waren die Steinmauern für eine Badeanlage gehalten worden. Doch Matheus, emeritierter Geschichtsprofessor der Mainzer Universität mit großer Expertise in Weinbauhistorie, war schon im vergangenen Sommer beim ersten Blick auf die Fundstelle „fast sicher, dass es eine Weinkelter ist“, wie er im Gespräch mit dieser Zeitung berichtet. Inzwischen haben weitere Untersuchungen diese Einschätzung bestätigt.

So konnten in Odernheim Putzreste der antiken Beckenverkleidung gesichert werden, die im Leibniz-Zentrum für Archäologie in Mainz mit einem Mikro-Röntgenfluoreszenzspektrometer analysiert wurden. Die Auswertung liegt seit Ende Januar vor, ist also ganz aktuell, und hat Matheus‘ Vermutung bestätigt.

So ähnlich könnte die Kelteranlage in Odernheim ausgesehen haben. Die Rekonstruktionszeichnung aus dem Gutachten von Michael Matheus zeigt die östliche Kelter in Brauneberg.
GDKE/Rheinisches Landesmuseum Trier/Zeichnung W. Kuschmann. GDKE/Rheinisches Landesmuseum Trier/Zeichnung W. Kuschmann/Michael Matheus

Ergebnis: Es handelt sich um Opus Signinum, eine Art Terrakotta-Putz, wie Matheus erläutert. „Dieser Putz ist auch aus anderen römischen Keltern bekannt.“ Auch in Äquadukten und Brunnenanlagen der Römer war ähnliches Material gefunden worden. Nun ist im nächsten Schritt eine archäobotanische Analyse geplant, also ein Blick auf organisches Material vom Fundort in Odernheim, das im Herbst ebenfalls gesichert werden konnte.

Seit an der Mosel ab den 1970ern mehrere römische Kelteranlagen ausgegraben wurden, weiß Matheus, der selbst aus einer Winzerfamilie im Moselort Graach stammt, wie solche Anlagen aussehen. Die Anordnung der Mauern, Trittstufen und des möglichen Keltersteins in Odernheim entsprechen in frappierender Weise der Kelteranlage Maring Noviand an der Mosel.

Das Grundstück mit der Kelter liegt am Beginn des Odernheimer Neubaugebiets "Am Lettweiler Weg".
Silke Jungbluth-Sepp

Im Neubaugebiet in Odernheim hatte es vor Beginn der Bebauung umfangreiche Grabungen der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE) unter Leitung von Referent Günter Brücken gegeben. Dabei waren eine römische Villa entdeckt worden, Überreste verschiedener Gebäude, Mauern, Fußböden, Wege und Kanäle. Außerdem Abfälle wie Scherben sowie Säulenfragmente und diverse Münzen aus dem zweiten bis vierten Jahrhundert. Auch im Staudernheimer Baugebiet „In den Neunvierteln“ sind Überreste einer antiken Großvilla zutage getreten. Gemeinsam mit den Funden des Disibodenbergs spricht all dies dafür, dass es dort in der Römerzeit prosperierende Siedlungen gab.

Der Historiker ist begeistert von dem Kelterfund, der der erste sichere Nachweis von Weinanbau in römischer Zeit im Weinbaugebiet Nahe ist. Bisher war man laut Matheus davon ausgegangen, dass im Naheland erst seit dem 19. Jahrhundert qualitätsvolle Weine produziert und in nennenswerten Umfang als Exportgüter gehandelt wurden. Vermutlich sei der römische Keller, der für ein großes Regenrückhaltebecken komplett weggebaggert wurde, ein Weinkeller gewesen, vermutet er auf Basis der neuen Erkenntnisse zur nur einen Steinwurf entfernten Kelter.

Wie soll es weitergehen?

Matheus setzt nun darauf, dass die GDKE die Weinkelter als schützenswertes Kulturdenkmal einstuft und wünscht sich, dass die Anlage konserviert und restauriert wird – und zugleich für die Öffentlichkeit erschlossen. Denkbar sei etwa ein Brückenschlag von Odernheim über den Booser Keller bis zur Römervilla in Bad Kreuznach. Um den Fund im Hildegardisweg ins rechte Licht zu rücken, seien viele Ideen denkbar, von Kelterfesten bis hin zu einer virtuellen Rekonstruktion der antiken Weinproduktion.

Während der Wissenschaftler den Fund „Glücksfall“ nennt, hat man in Odernheim gemischte Gefühle. Ortsbürgermeister Achim Schick (CDU) freut sich zwar über das antike Relikt. „Das ist für die Region etwas ganz Besonderes“. Doch er verkennt nicht die Probleme, die sich daraus ergeben.

Da ist zum einen die Familie, die auf dem Kelter-Grundstück bauen wollte und seit vielen Monaten ausgebremst wird. Die Eigentümer können zwar nach den Regelungen des Denkmalschutzgesetzes entschädigt werden. „Ich weiß aber nicht, ob das Land das Grundstück aufkaufen wird.“ Falls ja, könne die Gemeinde der Familie natürlich ein anderes freies Baugrundstück zum Kauf anbieten. Die Kommune jedenfalls könne keine Entschädigung aufbringen.

Neben dem Grundstück mit der Römerkelter leben die Nachbarn der Eigentümerfamilie schon in ihrem neu gebauten Haus.
Silke Jungbluth-Sepp

Hinzu komme, dass es nicht reiche, nur das rund 750 Quadratmeter große Kelter-Grundstück anzukaufen, sagt Schick. Denn in dem Wohngebiet gebe es keine Parkplätze oder Flächen für Besucher. Also müsste mindestens das darunter liegende Baugrundstück mit einbezogen werden, wenn die Kelter für die Öffentlichkeit erschlossen werden soll. Alles in allem gehe es damit bereits um deutlich mehr als 300.000 Euro, noch ohne Aufbauten, Beschilderung oder andere Arbeiten, schätzt der Ortschef.

„Wer soll das bezahlen?“, fragt er und macht deutlich, dass weder Ortsgemeinde, noch Verbandsgemeinde, noch der Kreis angesichts der angespannten Haushalte Mittel dafür aufbringen können. Die Gemeinde habe schon die rund 100.000 Euro für die Grabungen der GDKE schultern müssen - und nicht etwa das Land, das die Arbeiten angeordnet habe. Dieses Geld habe Odernheim letztlich auf die Grundstückskäufer umlegen müssen.

Derzeit sind die Mauern der römischen Kelter wieder mit Erde abgedeckt, um sie vor Witterungseinflüssen zu schützen.
Silke Jungbluth-Sepp

Derzeit sind die Mauerreste wieder unter dunkler Erde verschwunden. Das GDKE will die Ruinen der Kelter damit  vor Witterungseinflüssen schützen. Die Funde auf den übrigen Bauplätzen in Odernheim sind durch das GDKE dokumentiert und alle wieder zugeschüttet worden. Danach durften die übrigen Familien darauf ihre Wohnhäuser bauen. Allerdings ging es dabei auch nicht um so wertvolle Funde, wie es die Römerkelter einer ist.

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