Dies ist die Geschichte von einem, den ein bewegtes Leben von der Spree an die Nahe führte, dann zurück nach Berlin und wieder hierher. Heute, im Alter, wohnt der 87-jährige Helmut Seifert in der Seniorenresidenz Felkestadt in Bad Sobernheim. „Ick hab dit im Oeffentlichen Anzeiger jelesen“, sagt er am Telefon im unverkennbarem Berliner Slang. Dass zwei Frauen das Schlossgut Rheingrafenstein wieder zum Leben erwecken wollen, dass sie das Gebäude für einen höheren sechstelligen Betrag erstanden (wir berichteten) und es für Gastronomie und Hotellerie nutzen wollen, „dit is' jut“, findet er.
Dabei kennt er es noch, als in dem alten Gebäude Leben steckte. Zufällig fuhr Helmut Seifert im Sommer 1957 mit seinem Motorrad am Schlossgut vorbei. Schon damals war es etwas baufällig, erinnert er sich. Eine Mutter und ihre verheiratete Tochter mit ihren Kindern lebten dort, die Namen der beiden Bewohnerinnen hat Seifert längst vergessen; es liegt so lange zurück. Der Mann der Tochter sei Vertreter gewesen und oft nicht da, erinnert er sich.
Damals konnte man im Schlossgut noch einkehren. „Obwohl da auch keine richtige Gastronomie war“, erzählt Seifert. Er habe dort im Innenhof einen Kaffee getrunken, irgendwie kam er mit den Frauen ins Gespräch. Sie brauchten jemanden, der mit anpackt, vor allem aber einen, der mit einem Rasenmäher umgehen kann. Da waren sie bei Helmut Seifert an der richtigen Adresse. Der gelernte Gärtner wollte gern die Ärmel hochkrempeln. „Kost und Logis waren frei“, erzählt er. Dafür hat er von Ostern bis Oktober gemacht, was so anfiel: Er hat den Garten umgepflügt, im Wald Holz geholt, hat die Ziegen und Hühner in den Ställen gefüttert und nach den Kühen auf den Weiden geguckt.
Dass er sich überhaupt in Bad Kreuznach aufhielt, war seiner Ausbildung als Gärtner geschuldet. In einer Fachzeitung sah er eine Stellenanzeige der Gärtnerei Rehner. „Die war noch in Sutterlin geschrieben“, erinnert sich Seifert. Er war abenteuerlustig damals und ging gern als Gärtner an die Nahe, arbeitete nicht nur bei Rehner, sondern auch bei der Jungpflanzengärtnerei Kienzler. Der Gartenbaubetrieb ist heute in Gensingen ansässig. Später zog es ihn weiter auf das Bundesgartenschaugelände nach Köln. Und zwischen den Jobs bei Rehner und Kienzle arbeitete er eben auf dem Schlossgut. Nach getaner Arbeit, die manchmal auch in der Küche auf der Glasveranda stattfand, kehrte er in sein Zimmer im Quergebäude zurück, neben dem links der runde Torbogen liegt.
„Es war bereits damals ein großes, auch teilweise renovierungsbedürftiges Gebäude“, sagt Seifert. Ein halbes Jahr war er dort. Als er Anfang der 1960er-Jahre wieder nach Berlin zurückkehrte, suchte er sich einen neuen Job, arbeitete bei den Berliner Verkehrsbetrieben als Busfahrer, schulte später um auf Fahrlehrer.
Die Zeit an der Nahe ist ihm jedenfalls im Gedächtnis geblieben, „die ganzen Amerikaner hier, und in Bingen habe ich 1956 den zugefrorenen Rhein mit den darauf treibenden Eisschollen gesehen“. Doch nicht nur deswegen: Seine erste Frau lernte er hier kennen, seine Schwiegereltern kamen aus Winzenheim, und seine Tochter heiratete dorthin. Nun lebt Helmut Seifert seit September mit seiner zweiten Frau Inge (82) im Seniorenzentrum Felkestadt in Bad Sobernheim. Sie seien beide pflegebedürftig und suchten ein Heim mit einem Doppelzimmer. Nach Bad Sobernheim zogen sie, weil die Tochter das Paar in ihrer Nähe wissen wollte. Jetzt möchte Helmut Seifert gern die beiden neuen Besitzerinnen kennenlernen, die das Schlossgut gekauft haben. Um zu erzählen, wie es damals war. Und um zu hören, was daraus wohl einmal wird.