Die Brandkatastrophe in Rehbach, die vor rund drei Wochen 74 Jungrinder das Leben gekostet hat, bewegt die Region bis heute. Für die Bauernfamilie Kessel, die den Milchviehbetrieb in dem 45-Seelen-Dorf seit Generationen führt, war es ein tiefschwarzer Tag, der bis heute sichtbare und unsichtbare Spuren hinterlassen hat.
Landwirt Frank Kessel bemüht sich zwar um Haltung, wenn er über den Brandtag spricht, doch es ist ihm anzusehen, wie nah es ihm geht. „Es ist alles noch immer da, jeden Tag, so etwas kann man nur langsam verdauen“, sagt er. Die Überreste des ausgebrannten Stalls sehen noch so aus, wie sie nach den Löscharbeiten hinterlassen wurden. Die Ruine sei zum Glück vom Wohnhaus aus nicht direkt zu sehen, aber trotzdem immer präsent.

Das Feuer war am späten Nachmittag kurz nach der Fütterung ausgebrochen. Dabei wird mit einem Schlepper ein Futterwagen durch die Stallgasse gezogen – dieser ist gefüllt mit Silage aus Gras und Mais oder Kraftfutter. Mit einem Band wird das Futter vor die Kühe links und rechts der Stallgasse befördert. „Wir waren gerade fertig und der Schlepper war wieder an seinem Platz geparkt.“ Kurz danach sei sein 23-jähriger Sohn durch den Stall gegangen und habe nichts Auffälliges bemerkt, keinen verschmorten Geruch, keinen Rauch. Eine Viertelstunde später, kurz nach 17 Uhr, stand der Stall bereits komplett in Flammen, und Nachbarn schlugen Alarm.

70 Rinder bei Großbrand auf Bauernhof umgekommen
Nach dem verheerenden Brand auf einem Bauernhof im kleinen Ort Rehbach am frühen Montagabend, bei dem eine große Scheune mit rund 90 Rindern in Flammen aufging, sind die Folgen schlimmer als zunächst angenommen.
Als Brandursache haben die Ermittler einen technischen Defekt am Schlepper ausgemacht, der eine fatale Kettenreaktion ausgelöst hat. Offenbar war ein Kabel der Lichtmaschine durchgescheuert, und durch die Batteriespannung muss es zu Funken oder kleinen Flammen gekommen sein, schildert der 54-Jährige. „Tragischerweise direkt unter dem Dieseltank des Schleppers.“ Das Feuer erreichte blitzschnell die Dachisolierung. „Sie ist zwar feuerhemmend, aber wenn sie brennt, ist es verheerend“. Über die Decke wurde das Feuer über die gesamte Fläche des Stalls weitergetragen, in dem rund 90 Jungrinder standen.
„Das Ganze ist unheimlich schnell gegangen.“
Landwirt Frank Kessel
„Das Ganze ist unheimlich schnell gegangen“, schildert Kessel. Er habe jedes Zeitgefühl verloren, sei nur darauf fokussiert gewesen, die Tiere aus dem Gebäude zu bekommen. Kühe würden leider bei Gefahr nicht selbst aus dem Stall laufen, sondern müssten herausgetrieben werden. Die Rehbacher, Familienmitglieder und Menschen aus den umliegenden Orten eilten in großer Zahl zu Hilfe, auch viele Berufskollegen, die den Umgang mit Tieren gewohnt sind. Wie viele Helfer mit anpackten, habe er erst später realisiert, sagt Kessel, der selbst in der Feuerwehr Daubach-Rehbach aktiv ist. Er sei allen zutiefst dankbar und sehr froh, dass niemand ernstlich verletzt wurde. „Die Hilfsbereitschaft hat uns überwältigt“. Und sie dauere bis heute an, viele wollten bei den Abrissarbeiten helfen.

Zwar sei es gelungen, alle bis auf vier Tiere aus dem Stall zu treiben. Doch dann folgte der eigentliche Schrecken: Einige hatten tödliche Brandverletzungen, viele andere schwere Rauchvergiftungen, was sich teils erst am nächsten Tag zeigte. So wurde das Ganze auch für die herbeigerufenen Tierärzte zu einem Albtraum, weil sie fast im Akkord einschläfern mussten. Neben dem Hof-Tierarzt waren ein weiterer Kollege und eine Kollegin im Einsatz. Insgesamt 74 Rinder hat die Brandkatastrophe das Leben gekostet. „Das Ganze war unfassbar schlimm, nicht nur für mich, auch für die Berufskollegen und die Tierärzte, die alle mit den Tränen gerungen haben.“ Egal wie lange man dabei sei, „das geht an keinem spurlos vorbei.“ Die Tierkörperbeseitigung Rebenich hat die 74 toten Rinder abgeholt.
Jungrinder waren auf dem Hof geboren
Die Jungrinder, vor allem Schwarz-Bunte und einige Rot-Bunte waren alle auf dem Hof geboren und aufgezogen worden. Die männlichen Jungtiere werden verkauft, die weiblichen dienen später als Milchvieh. Besonders tragisch: Wäre der Brand nur zwei, drei Wochen später ausgebrochen, wäre der Stall weitgehend leer und die Jungtiere auf der Weide gewesen, wo sie die warme Jahreszeit verbringen.
Zwischen 3000 und 3500 Liter Milch produziert der mittelgroße Milchviehbetrieb täglich und beliefert damit die Hochwald-Molkerei. Der Stall der 150 Milchkühe war von dem Feuer nicht betroffen, daher läuft der Milchbetrieb unbeeinträchtigt weiter.

Wie und wann es weitergeht, kann Kessel noch nicht genau sagen, auch nicht die genaue Schadenssumme. Glücklicherweise sei der Stall versichert. Er hofft, dass der Schaden gut abgedeckt ist und bis nächstes Jahr der neue Bau steht. Es hat sich herausgestellt, dass in dem in den 1980er-Jahren gebauten Stall asbesthaltige Eternitplatten verbaut waren. Daher hat die Versicherung Proben genommen und prüft derzeit, welche Teile der Überreste als Sondermüll gesichert und entsorgt werden müssen. Dieses Gutachten steht noch aus. Es ist also nicht möglich, dass freiwillige Helfer beim Abriss mit anpacken. Offen ist auch, ob der angrenzende Stall für die Kälbchen teilweise erneuert werden muss. Das vor Kurzem neu gebaute Dach dieser Hälfte haben Flammen und Ruß deutlich angefressen.

Traurige Bilanz der Brandkastastrophe in Rehbach
Die Brandkatastrophe auf dem Bauernhof in Rehbach hat insgesamt 73 Jungrinder das Leben gekostet. Diese traurige Bilanz hat VG-Bürgermeister Uwe Engelmann gezogen. Die Brandursache ist nun auch geklärt.
Steht der Stall wieder, muss Kessel schauen, woher er neue Jungtiere bekommt. Das sei ein Risiko, denn mit Tieren aus fremden Ställen schleppe man auch stets die dort vorherrschenden Erreger mit ein. Das ist auch der Grund, warum Kessels ihre eigene Nachzucht betreiben.
Damit er selbst und seine Frau ein bisschen Abstand gewinnen, haben Freunde sie jüngst gebeten, ein paar Tage gemeinsam zu verreisen, erzählt Kessel, der den Hof in dritter Generation führt. Das wollen sie auch machen. Sein Sohn, ein Mitarbeiter und seine Mutter leben ebenfalls auf dem Anwesen, das 1970 in Rehbach neu gebaut wurde – als Alt-Rehbach wegen des Fliegerhorsts Pferdsfeld aufgegeben werden musste. Ansonsten helfe es ihm, viel in der Familie über den Brand zu reden, in der Hoffnung, irgendwann über den tiefsten Einschnitt in der Geschichte des Hofs hinwegzukommen.
Keine Hinweise auf Brandschutz-Mängel oder andere Probleme
Es gibt keinerlei Hinweise, dass die Brandschutzvorschriften im Stallgebäude nicht eingehalten wurden, sagt Alexander Roßkopf, Brand- und Katastrophenschutzinspekteur im Kreis Bad Kreuznach, der selbst am Brandabend vor Ort war. Es seien dabei immer die Vorschriften zum Zeitpunkt des Baus gültig, erläuterte er auf Anfrage dieser Zeitung. Sprinkleranlagen oder Rauchmelder sind laut Roßkopf für Stallgebäude grundsätzlich nicht vorgesehen, auch weil die Gefahr von Fehlauslösungen aufgrund von Staub und Schmutz zu hoch sei. Sprinkleranlagen seien zudem sehr teuer, sodass Kosten und Nutzen in keinem Verhältnis stünden. Der Schlepper, der den Brand verursacht hat, ist nach Angaben von Frank Kessel regelmäßig beim TÜV gewesen, so wie für Traktoren üblich. VG-Wehrleiter Max Kraushaar, hatte angegeben, dass die Wasserversorgung während des Einsatzes problemlos über einen Hydranten und mobile Fahrzeuge sichergestellt werden konnte.