Dass sich diese Zeiten geändert haben, und so neue Situationen entstehen, die einer verständigen Lösung bedürfen, zeigt der Verlauf des vergangenen Donnerstagabend im Stadtrat. Bei der Wahl der Ausschüsse, einem gut zwei Stunden dauernden Prozedere, war der kleine Jakob, Sohn von Grünen-Fraktionssprecherin Juliane Rohrbacher, nicht mehr zu überhören. Hunger und Unruhe ließen das Baby schreien und jammern, Mutter Juliane war neben der Ausschusswahl schwer beschäftigt.
Einige Stadträte fühlen sich gestört
Dass Juliane Rohrbacher ihr Kind mit in den Stadtrat bringt, ist nichts Neues. Dass der Kleine etwas lauter war als sonst, störte einige Stadträte massiv. Zugegeben: Es war teilweise schwer, den Ausschusswahlen zu folgen. Die teilweise unterirdischen Kommentare einiger männlicher Stadtratsmitglieder dazu überschritten allerdings die Grenze des Anstandes. Das ärgerte Juliane Rohrbacher denn auch mächtig.
Jakob ist sechs Monate alt
Viele fragten sich: Was macht das Kind überhaupt im Stadtrat? „Das ist relativ einfach: Mein Mann passt auf unser zweijähriges Kind auf und ich auf Jakob. Er ist sechs Monate alt und wird gestillt. Mir bleibt gar nichts anderes übrig“, sagt Juliane Rohrbacher unserer Zeitung. „Ich würde auch lieber auf dem Sofa sitzen und mich um Jakob kümmern, aber ich will mich auch politisch engagieren“, sagt sie.
Mandat geht fünf Jahre
Man werde für fünf Jahre gewählt, und nur, weil man mal für ein halbes oder ein ganzes Jahr durch das Kind etwas eingeschränkt sei, könne man doch nicht auf sein Mandat verzichten. „Alle können sich sicher sein, dass ich die Person bin, die am meisten gestresst ist, wenn Jakob schreit“, meinte Juliane Rohrbacher weiter. Sie ergänzt: „Die Sitzung war lang, und es ging um die Ausschusswahlen. Das ist eine Ausnahmesituation, in der man nicht einfach gehen kann.“ Die Grünen-Fraktion war zudem sowieso nicht komplett anwesend.
Rückendeckung kommt von CDU-Frau
Sie habe viel positive Rückmeldungen erhalten. Auch in der Sitzung hätten einige ihre Solidarität gezeigt. Ein großes Lob richtet sie an Birgit Ensminger-Busse (CDU) und auch an Oberbürgermeister Emanuel Letz, der ihr angeboten habe, die Sitzung zu unterbrechen, und falls es sich mit Jakobs Ruhe nicht bessere, sie von hinten im Raum abstimmen könne.
OB Letz bekommt großes Lob
„Mit einer solchen Situation müssen und wollen wir auch klarkommen. Ich habe recht schnell gemerkt, dass einige mit der Situation überfordert waren“, sagt Emanuel Letz (FDP). Wichtig sei ihm gewesen, dass Juliane Rohrbacher weiter habe mit abstimmen können. Das sei ihr gutes Recht und Letz habe ihr mitgeteilt, dass man ihr Abstimmungsverhalten auch hinten im Sitzungsaal registrieren würde. Außerdem habe er ihr einen Rückzugsraum angeboten. Man wolle doch Frauen in der Stadtpolitik und ein vielfältiges Parlament, da gehöre so etwas nun mal dazu.
“Das kostet Kraft"
Diese Frage treibt auch Juliane Rohrbacher um. Man müsse sich fragen, wie familienfreundlich die Stadtpolitik sei – nicht nur inhaltlich, sondern auch von der Gremienzusammensetzung. Man könne nicht über Kindertagesstätten reden, wenn man nicht auch die Expertise von Betroffenen mit einfließen lasse. „Wir brauchen doch Frauen in der Politik. Und ich werde mich da sicher nicht zurückziehen, auch wenn das Kraft kostet.“