Stromberg/Kirn-Land/Region
Schäden in Millionenhöhe: Aufräumen und offene Fragen nach der Flut
rg

Stromberg/Kirn-Land/Region. Starkregen und Sturzfluten machten in weiten Teilen der Region alles zunichte, was die Menschen für das Sommerwochenende geplant hatten. Als die Gewitter ihre Regenlast entleert hatten, gab es keine Gedanken mehr an Kerwen, Grillfeste, Public Viewing und Spaßradeln. Stattdessen der verzweifelte Kampf gegen Wassermassen, Schlamm und die eigene Ohnmacht. Gegen all das half nur der rasche, überragende und oft übermenschliche Einsatz der Feuerwehren, Rettungskräfte aller Organisationen, der Nachbarschaften, Kommunen und wildfremder Helfer, die einfach anpackten.

Lesezeit 13 Minuten

Von Rainer Gräff und Christine Jäckel

Unvermittelt hatte es am Freitagnachmittag vor allem Stromberg getroffen – mit einer Wucht, wie es noch keiner dort erlebt hatte. 50 Liter Regen in weniger als 20 Minuten machten Rinnsale und Bäche zu reißenden Bestien. Besonders der Welschbach riss Holz, Bewuchs und und Bäume mit, verstopfte die Durchlässe an Brücken und flutete die Altstadt mit ihren teils liebevoll sanierten Fachwerkhäusern und schmucken Geschäften bis zu zwei Meter hoch. Zahlreiche Menschen wurden in den Häusern eingeschlossen. Die Schäden liegen in Millionenhöhe, mindestens ein Gebäude ist abrissreif. Die wenigsten betroffenen haben Versicherungen, die für die Schäden aufkommen. Geschäftsleute sind in ihrer Existenz bedroht.

Schon wieder war der Heimelbach der Schuldige für ein Hochwasser in Odernheim am Glan. Das Wasser durch das Maxdorf war sogar noch um wenige Zentimeter
höher als vor ein paar Wochen.

Ein Bagger war schnell zur Hilfe gekommen.

Am Rathaus. Das alte Tor.

Aufräumarbeiten.

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Großeinsätze der Helfer und Bewohner gab es während der Überschwemmung und vor allem auch beim Aufräumen danach an vielen Stellen der Region: in Kirn-Land, im Raum Kirchberg und Gemünden, in Hochstätten, Odernheim und Die Schreckensmeldungen schienen von überall zu kommen. Auch vom Mittelrhein: Fels- und Erdmassen stürzten auf die Bundesstraße 9, am Samstagmorgen entgleiste bei Bacharach eine Regionalbahn. Es gab keine Ruhe. Am Samstagabend und in der Nacht musste das Technische Hilfswerk in Stromberg unter schwierigen Bedingungen am Welschbach eine Scheune abreißen. Ein vier Meter langes Mauerteil war in den Bach gerutscht. Hätte es sich im immer noch wild rauschenden Gewässer quergestellt, hätte es durch Rückstau weitere Überflutungen vom oberen Stadtkern aus gegeben. Für die Hilfsorganisationen war es ein Glück im Unglück, dass am Wochenende viele Helfer greifbar waren.

Jetzt haben sie schon so eine perfekte Wetterstation, die Stromberger, aber vor der Flut am Freitagmittag konnte auch der an der Wand über dem Guldenbach aufgehängte Kahn niemanden rechtzeitig warnen.

Denn was da auch heute noch so ungestüm unter dem Kahn herrauscht, ist normalerweise nicht mehr als ein Bächlein. Am Samstag stand der Guldenbach erneut unter Beobachtung, weil es am Oberlauf erneut schüttete.

Doch am Freitag bekam der Dreiklang aus Welschbach, Guldenbach und Dörrebach Oberwasser und setzte fast 60 Häuser unter Wasser.

Am Tag danach ist Stromberg noch immer auf die Unterstützung der Freiwilligen Helfer aus einem weiten Umkreis angewiesen.

Ansonsten läuft noch nichts wieder in und durch die kleine Stadt. Durchfahrt verboten, heißt es.

Außer dem Bach natürlich. Der Welschbach, sonst im Sommer fast trocken und unsichtbar, lässt seine Muskeln spielen.

Auch eine Art von Absperrung.

Der Welschbach rauscht auf einen Häuserbogen zu.

Bis hierhin stand das Wasser, zeigt Peter Boettge im Laden "Tafelrunde". Er ist Schäfer und Lieferant des Geschäfts. Er kam aus Daxweiler zum Helfen.

Viele Werte sind zerstört - auch die elektronische Ladenkasse.

VG-Bürgermeisterin Anke Denker ist - wie auch tadtbürgermeisterim Klarin Hering - unermüdlich unterwegs.

Der Welschbach machte durch Treibgut den Durchlass an der Talstraße dicht und sprang über die Treppen und Mauern in die Altstadt.

Die Geschäftswelt und Gastronomie ist schwer getroffen und teils in der Existenz bedroht.

Die Fluten nahmen kein Ende.

Am Samstagmittag stieg der Wasserstand erneut an.

Das Rauschen war weithin zu hören.

Am Samstagnachmittag kam Angst auf: Ein unterspültes und abgebrochenes Mauerstück drohte den Welschbach in Höhe der VG-Verwaltung zu blockieren.

Mit viel Liebe war in den letzten Jahren restauriert worden.

Aus Einrichtungsgegenständen und Technik wurde Müll und Schrott.

Wie zur Kapitulation herausgehängt.

Bewundernswert war der Zusammenhalt beim Aufräumen.

Nachbarn, Bekannte und Fremde packen gemeinsam an.

Schweres Gerät und Riesencontainer helfen beim Räumen.

Alles muss raus: Die Wohnungseinrichtungen sind zerstört.

Keiner weiß, wie die Neueinrichtung finanziert werden kann.

Viele Menschen hatten Tränen in den Augen, weil sie alles verloren.

Aus Gärten wurden Schlammwüsten.

Räumen, Lüften und Hoffen ist angesagt. Das Mauerwerk ist klitschnass.

Die Müllberge scheinen kein Ende zu nehmen.

Schlamm schaufeln, putzen - und bloß nicht verzweifeln.

Die Sandsäcke nutzten nur wenig.

Die Gewalt des Wassers ist kaum vorstellbar.

Kurze Besprechung der Feuerwehr.

Hinter den Türen sieht es übel aus.

Dieser Wohnwagen wurde gegen eine Hauswand gedrückt. Darunter klafft ein anderthalb Meter tiefer ausgespülter Abhang.

Der Elektronikschrott wird separiert und in Containern abgefahren.

Am Marktplatz werden die Helfer verpflegt.

Fleischwurst, Brötchen und Kaffee tun gut.

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Nach der Katastrophe kamen auch die Politiker. Mitglieder der Landesregierung wie Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Infrastrukturminister Roger Lewentz und Grünen-Staatssekretär Dr. Thomas Griese waren ebenso am Samstag in Stromberg wie CDU-Landesvorsitzende Julia Klöckner, Abgeordnete wie Antje Lezius und Bettina Dickes, Landrat Franz-Josef Diel und Kreisbeigeordneter Hans-Dirk Nies. Außer sichtlicher Betroffenheit, Mitgefühl und Dank an die Helfer gab es die Aussicht auf Soforthilfen aus Landesmitteln. Nun gilt es, die Schäden aufzunehmen. Klöckner und Diel forderten politische Lösungen für eine allgemeine Elementarschadenversicherung für alle Gebäude und die Abkehr von Ausschlussklauseln für nicht fest mit dem Gebäude verbundene Teile in den üblichen Hausratverträgen. Antje Lezius tat kund, dass die Fristen für Insolvenzanmeldungen verlängert werden sollen, um betroffenen Geschäftsinhabern zu helfen, die sich Klarheit über ihre Schäden und ihre finanzielle Situation verschaffen müssen.

Schlamm und Verwüstung hat das Unwetter im Stadtkern von Stromberg hinterlassen.

Nicht nur an den Gebäuden, auch auf den Straßen und Wegen haben die Fluten ihre Spuren hinterlassen.

"Das ist ein echter Einschnitt für die Menschen, die betroffen sind", sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die am Samstag nach Stromberg gekommen war.

Sie wies auf einen Sondertopf Elementar-Schadenshilfe des Landes hin. "Das sind existenzielle Situationen für die Menschen", so Dreyer.

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Am Ende bleiben die drängenden Fragen: Wie geht es weiter? Wer kommt für die Schäden auf? Wie lassen solche Unwetterfolgen – die man früher Jahrhundertereignisse nannte, was heute wie Hohn klingt – durch Eingriffe oder die Unterlassung von Eingriffen in die Landschaft abmildern? Und als kleinen Trost in den Stunden der Not gibt es dann doch noch ein Fest. Daniel und Maike Butz von der Michel Weinbar & Café in der Stromberger Stadtmitte – selbst betroffen – laden alle Helfer, die nach der Hochwasserkatastrophe die betroffenen Anlieger so tatkräftig unterstützt haben, für Mittwoch, 29. Juni, von 14 bis 17 Uhr zu einem „Helferfest“ in ihr Café ein. Als Zeichen des Dankes für die beeindruckende Hilfe gibt es kostenlos Kaffee und Kuchen.

Ein Unwetter mit Starkregen und Überflutung suchte Stromberg heim.

Kern

Vor allem die Altstadt war stark betroffen.

Zerstörungen in einem Ladenlokal in Stromberg.

Rainer Gräff

Es wurden etwa 60 Häuser überflutet, zeitweise stand das Wasser zwei Meter hoch in den Straßen.

Rainer Gräff

Die Bewohner wurden in Booten gerettet, wie Philipp Köhler vom Krisenstab des Kreises Bad Kreuznach mitteilte.

Krisengespräch: VG-Bürgermeisterin Anke Denker, Landrat Diel und Minister Roger Lewentz am Katastrophenort in Stromberg

Christine Jäckel

Die Stromberger Staatsstraße wurde zur Schlammwüste.

Christine Jäckel

Kaum war das Wasser abgeflossen, begannen die Stromberger und weitere Helfer mit den Aufräumarbeiten - wie hier in der Schlossstraße.

Christine Jäckel

Der Schlamm muss zu allererst weg - dann geht es weiter.

Galgenhumor scheint hier das einzige Mittel gegen die Verzweiflung zu sein.

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