Von unserem Redakteur Harald Gebhardt
Auf offener Bühne – die Besucher sahen also auch das, was ihnen sonst verborgen bleibt – zogen die zehn Marionettenspieler so unfassbar viele Fäden, zeigten das ganze Register ihres einzigartigen Könnens. Eineinhalb Stunden lang präsentierten sie unter anderem Szenen aus der komischen Oper „Der Barbier von Sevilla“, der „Zauberflöte“, „Schneewittchen“ und dem Ballett „Der Nussknacker“. Eine atemberaubende, brillante Darbietung. Das begeisterte Publikum dankte es den Künstlern mit lang anhaltendem Beifall und stehenden Ovationen.
Hautnah konnten die Besucher die Puppenspieler bei ihrer körperlich sehr anstrengenden, zugleich aber filigranen Arbeit zusehen und bewundern, für die so viel Konzentration, Fingerfertigkeit und Finesse notwendig sind. Dieses „offene Spiel“ ist auch für die Puppenspieler selbst ungewöhnlich. Ursula Winzer, die seit 28 Jahren an den Marionettenfäden zieht, etwa räumte ein, dass sie keine großer Freundin davon ist und lieber traditionell, verdeckt agiere.
Doch sie respektiere diesen Wunsch, diesen Wandel. Früher sollten die Zuschauer nicht wissen, wie es funktioniert. Das Mysterium, wie die Puppen bewegt werden, sollte ein Mysterium bleiben. Heute ist das Publikum neugieriger. Der Magie des Marionettenspiels tut dies keinen Abbruch. Das Spiel wird nicht entzaubert, sondern es verzaubert die Zuschauer. Diese Faszination ist in der Römerhalle allgegenwärtig und immer spürbar.
„Die Fantasie des Zuschauers anzuregen und die komplette Illusion zu vermitteln, ist unser Ziel“, erklärte Philippe Brunner, der durch das Programm führte. Beim Ballett „Der Nussknacker“ führen allein fünf „Beweger“ – einer sogar von unter dem Bühnenboden – Kopf, Arme, Hände und Beine der „Zuckerfee“ (ursprünglich entworfen als Ballerinen-Legende Anna Pavlova). „Das ist die Krönung unseres Könnens“, so Brunner. Und Ursula Winzer erklärte im Gespräch mit dem „Oeffentlichen“: „Das Schwierige daran ist die Koordination. Alle fünf Leute müssen ein Organismus werden.“ Es braucht schon seine Zeit, um die hohe Kunst des Puppenspiels so in Perfektion zu beherrschen wie das Ensemble aus Salzburg.
Das Entscheidende, so Brunner, ist dabei, die kunstvoll geschnitzten Figuren auf der Bühne zum Leben zu erwecken, sie ausdruckstark, so wie es die jeweilige individuelle Figur mit ihrem Charakter braucht, agieren und sich so natürlich wie möglich bewegen zu lassen Die ist die Kunst, die Talent und viel Erfahrung erfordert. Das 1913 gegründet Salzburger Marionettentheater ist heute eines der wenigen Berufsmarionettentheater in Europa. Die Ensemble-Mitglieder haben vor ihrer Puppenspieler-Karriere alle eine handwerkliche Ausbildung wie Tischler, Bildhauer, Schlosser oder Schneider gemacht.