1500 Euro Geldstrafe
Richterin am Amtsgericht Bad Kreuznach beleidigt
Das Justizzentrum mit Amtsgericht und Landgericht in Bad Kreuznach
Markus Kilian

Weil er mit der Entscheidung des Gerichtes in einem Betreuungsverfahren nicht einverstanden war, beleidigte ein 64-jähriger Handwerker eine Richterin, indem er ihr „freislersche Arroganz“ unterstellte.

Weil er eine Richterin damit beleidigte, dass er ihr eine „freislersche Arroganz“ unterstellte, verurteilte das Landgericht einen 64-jährigen Handwerker zu einer Geldstrafe von 1500 Euro.

Angeklagter will weiter klagen

Die Berufungskammer mit dem Vorsitzenden Richter Folkmar Broszukat bestätigte damit das Urteil aus der ersten Instanz. Der nicht vorbestrafte Angeklagte kündigte an, dass er weitere Rechtsmittel einlegen wird. Zuletzt hatte er für Aufsehen gesorgt, als er vor dem Justizzentrum mit einem Plakat demonstrierte. Ähnliche öffentlichkeitswirksame Aktionen hatte er in seinem Geburtsort in der Verbandsgemeinde Langenlonsheim-Stromberg mit Durchsagen über ein Megafon unternommen. Der Hintergrund des Verfahrens könnte trauriger nicht sein. Wie viele andere Bürger auch, traf der Vater des Angeklagten 2016 Vorkehrungen für den Fall, dass er sich durch Krankheit nicht mehr selbst um seine Angelegenheiten kümmern kann.

Die damals für das jüngste Kind erstellte Vorsorgevollmacht wurde von dem Angeklagten und seinen Geschwistern akzeptiert. Mittlerweile haben sich die Geschwister aber teils zerstritten. Der 64-Jährige, der seit Langem in Italien lebt, wollte erreichen, dass die Betreuung der Eltern neu geregelt wird, weil sie aus seiner Sicht nicht angemessen gepflegt würden. Daraufhin wurden alle Beteiligten von einem Richter angehört: Neben den Geschwistern auch die Hausärztin des Seniors und seiner Ehefrau sowie die Betreuungsbehörde der Kreisverwaltung, und zudem eine Verfahrenspflegerin bestellt. Mängel in der Pflege der Senioren, die hochbetagt mit 98, beziehungsweise 94 Jahren verstarben, ergab die Untersuchung nicht.

Keine Spur von Einsicht

Allerdings wollte der Angeklagte dieses Ergebnis nicht akzeptieren, weshalb er sich in einem Beschwerdeschreiben an das Amtsgericht 2023 zu der Beleidigung der Richterin verstieg. Er könne die „freislersche Arroganz“ der Richterin nicht unterstützen, hatte der 64-Jährige geschrieben. „Das ist keine Alltagsbeleidigung, sondern stellt einen extremen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar.“ Zu diesem Ergebnis kam Staatsanwältin Marina Meesenholl nach gut vierstündiger Verhandlung und, wie sie ausführte, „in Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des einen und der Ehre des anderen.“ Der Angeklagte habe damit ein Werturteil abgegeben, das durch nichts gerechtfertigt sei, so die Anklägerin. Denn der Vorwurf der Untätigkeit, den er erhebe, treffe nicht zu. Der 64-Jährige hatte in der Berufungsverhandlung die Beleidigung nicht nur mehrfach wiederholt, er legte sogar nach.

„Das war keine Beleidigung, das waren die Fakten. Der Vergleich war bewusst von mir gewählt und eigentlich müsste Freisler noch beleidigt sein“, erklärte der Angeklagte, der sich selbst verteidigte. Er beantragte einen Freispruch für sich und eine Entschädigung für eine gemeinnützige Organisation. „Das war der Wille Ihres Vaters und es ist sicher kritisch, diese Entscheidung vorab zu treffen. Alles wurde überprüft, aber Sie wollten das Ergebnis nicht akzeptieren und haben nachgetreten“, fasste Richter Broszukat zusammen. Der Name Freisler stehe für den Inbegriff von Terrorjustiz, was der Angeklagte, der gute geschichtliche Kenntnisse habe, auch genau wisse. “Damit verglichen zu werden ist ein Angriff, der weit unter die Gürtellinie geht“, unterstrich Broszukat. „Freisler war ein Unmensch, aber die Richterin ist noch schlimmer“, erklärte der Angeklagte in seinem letzten Wort.

Weiteres Verfahren anhängig

Gegen den 64-Jährigen wird noch ein weiteres Verfahren geführt, weil er in zwei Beschwerdebriefen 2024 an die Generalstaatsanwaltschaft geschrieben hatte, dass die Richterin „äußerst schlampige, menschenverachtende Arbeit leiste, ähnlich dem Holocaust.“ Der Angeklagte hatte zudem 2023 insgesamt acht Polizeieinsätze verursacht, weil er sich nicht an die Besuchsregelung gehalten hatte, die die pflegende Angehörige für die an Demenz erkrankten Senioren festgelegt hatte.

Roland Freisler (1893 - 1945)

Der Rechtsanwalt Roland Freisler tritt 1925 in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) ein. Er verteidigt straffällig gewordene Nationalsozialisten und wird 1932 für die NSDAP in das Preußische Abgeordnetenhaus gewählt. Als Leiter der Personalabteilung im preußischen Justizministerium führt er nach der Machtübernahme der Nazis 1933 eine Säuberung im Sinne des Regimes in der Justiz und Anwaltschaft durch. Als Staatssekretär im Reichsjustizministerium nimmt er Einfluss auf die Ausbildung des juristischen Nachwuchses und strebt den Aufbau einer nationalsozialistischen Justiz an. 1942 nimmt er an der Wannsee-Konferenz teil, bei der über die Deportation und Ermordung der europäischen Juden beraten wurde. Im gleichen Jahr wird er von Adolf Hitler zum Präsidenten des Volksgerichtshofs ernannt. Innerhalb von zwei Jahren verhängt er 1800 Todesurteile. Seine Schauprozesse, die er 1944 auch gegen die am Attentat des 20. Juli beteiligten Widerstandskämpfer führt, brachten ihm die Beinamen „Henker in Robe“ und „Blutrichter“ ein.

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