Bag-in-Box-Verpackung ist nachhaltig, aber der Verbraucher muss erst überzeugt werden
Rheinland-pfälzischer Wein aus der Kiste: Geht gar nicht, oder doch?
Weingut Schild Gutenberg
Olaf (links), Monika und Jonathan Schild vom Weingut Schild & Sohn aus Gutenberg an der Nahe sind seit 2015 von der nachhaltigen Verpackungsform der Bag-in-Box überzeugt – auch für hochwertige Weine. Foto: Fam. Schild
Fam. Schild

Wein ist ein Genussmittel. Aber auch ein Gefühl. Man denke an die Endlosdebatten, als vor Jahren der Schraubverschluss gegen den Korken antrat. Jetzt naht eine wohl noch größere Revolution: Wein im Karton gegen Wein in der Flasche.

Lesezeit 3 Minuten

Weingut Schild Gutenberg
Olaf (links), Monika und Jonathan Schild vom Weingut Schild & Sohn aus Gutenberg an der Nahe sind seit 2015 von der nachhaltigen Verpackungsform der Bag-in-Box überzeugt – auch für hochwertige Weine. Foto: Fam. Schild
Fam. Schild

Bag-in-Box (BiB) heißt die zwar gar nicht mehr so neue, aber vom deutschen Verbraucher noch eher mit Argwohn betrachtete Verpackungsform. Dahinter steckt ein Umkarton, der einen flexiblen Weinschlauch aus Polyethylen (PE) ummantelt und einen integrierten Zapfhahn besitzt.

Weintrinker sind Gewohnheitsmenschen

„Und für was soll das gut sein?“, fragt sich der Kunde. In der Tat gibt es Argumente für die Box, die es auf dem Markt in vielen Größen gibt vom 0,75-Liter-Gebinde bis zur 20-Liter-Glühwein-Kiste. Gegenüber dem teuren und absolut nicht umweltfreundlichen Glas ist die Box nachhaltiger, besser recyclingfähig, leichter zu transportieren. Kurz: Ihr ökologischer Fußabdruck spricht klar für sie, wie zahlreiche Studien belegen.

Doch der Weintrinker ist häufig ein Gewohnheitsmensch. Er will zunächst einmal keinen CO2-Sparer im Karton vor sich haben, sondern ein leckeres Fläschchen mit schöner Aufmachung und vielversprechendem Inhalt. Diese – vor allem in Deutschland ausgeprägte – Skepsis wollen einige Winzer und Händler auch in der Region aus Überzeugung und Geschäftssinn peu à peu aufbrechen.

Zweierlei Wein
Tim Schultheiß (links) und Philipp Baumann aus Rheinhessen sind mit dem Unternehmen „Zweierlei Wein“ am Start. Foto: Tim Schultheiß
Schultheiss/Baumann

Da gibt es Newcomer im Start-up-Sektor, alteingesessene Überzeugungstäter und auch Großfirmen internationaler Ausrichtung auf dem Markt. Zu den Neulingen zählt ein rheinhessisches Duo. Ihr Markenname: Zweierlei Wein. Tim Schultheiß ist Jungwinzer aus einem Gumbsheimer Familienbetrieb, Philipp Baumann kommt aus dem Bankensektor mit Erfahrung beim Thema Nachhaltigkeit. Baumann ließ sich bei einem Neuseelandtrip vom praktischen, aber auch nachhaltigen Verpackungsprinzip der Box überzeugen.

Noch hohe Hürden

Und das Duo ging im Frühsommer 2023 ans Werk: Trockener Grauburgunder und Spätburgunder Rosé sowie die halbtrockene Cuvée „Frühlingsfrische“ wurden jeweils mit 1000 Litern abgefüllt – in 2,25-Liter-Boxen, was drei Normalflaschen entspricht. Marketing zählt viel: Die Produkte werden bei Tastings, Wanderungen und über Social Media beworben. „Es läuft gut“, sagt Schultheiss, „aber es gibt noch relativ hohe Hürden“. Ideale Felder für Bag-in-Box sieht er bei Campern, Wanderern, bei der Gartenparty und bei Outdoor-Aktiven.

Zu den „alten Hasen“ in Sachen Box gehört das Weingut Schild & Söhne in Gutenberg an der Nahe. Der Betrieb arbeitet in der sechsten Generation, 2015 folgte die Einführung der Bag-in-Box. „Wir sind das Weingut mit dem größten Angebot in dieser Sparte“, sagt Olaf Schild. Bei ihm landet der meiste produzierte Wein in der Box, auch hohe Qualitäten.

Bessere Ökobilanz als Glasflaschen

„Ins Eckige statt ins Runde“, lautet seine Devise. Was mit drei Sorten anfing, umfasst heute eine breite Palette vorwiegend im Drei- oder Fünf-Liter-Bereich. Jahreszeitlich der „Renner“ sei der Glühwein. Schild lobt die Vorzüge: „Pro Liter Wein liegt die Umweltbelastung bei der BiB-Verpackung um 82 Prozent niedriger als bei der traditionellen Glasflasche.

Dazu die Bequemlichkeit des luftfreien Zapfens über Monate ohne jegliche Qualitäts- und Geschmacksverluste, das um 45 Prozent geringere Gewicht, die platzsparende Lagerung und Kühlung und die 100-prozentige energiearme Recyclingfähigkeit.“ Man müsse die Leute aufklären, sagt Olaf Schild, auch viele Winzer würden sich nicht herantrauen. Ganz anders sei dies etwa in Skandinavien. Oft würden Jüngere die Älteren überzeugen: „Die traditionellen Flaschenkinder müssen erwachsen werden.“

„Dann holen wir die Karaffe wieder raus, die wir alle in der Vitrine haben.“

Winzer Oliver Schild

Auch Großkellereien haben die Box längst im Angebot. Etwa Reh Kendermann (unter anderem Black Tower) in Bingen. Neben verschiedenen Flaschengrößen gibt es handliche Pouches (Weinschläuche mit Standfläche und Henkel), sowie Bag-in-Boxes. Auch Tetrapacks sind seit dem Jahr 2023 vertreten. „Wir setzen ein Zeichen für die Weinwelt von morgen!“, wirbt der Global Player.

Deutschland hinkt hinterher

Doch Deutschland ist in dieser Hinsicht Entwicklungsland. So hat das Deutsche Weininstitut „leider keine Daten zum Marktanteil der Bag-in-Box-Gebinde vorliegen“. Die Zahlen liegen wohl im einstelligen Prozentbereich. Laut einem Sonderbericht zum ProWein Business Report 2022 haben 60 Prozent der Produzenten und 45 Prozent der Händler (aus 16 Nationen) für die kommenden zwei Jahre keine Pläne, alternative Verpackungen anzubieten.

Top-News aus der Region