Wenn Mario Immig aus Bad Kreuznach von seiner Erfindung spricht, sprudelt es nur so aus ihm heraus. Er erzählt von Fernsehauftritten, von Patenten, von der Suche nach Investoren – von „etwas ganz Großem“. Seine Idee: die Energie in bewegter Luft mithilfe Rotorblatts und Generator in grünen Strom umzuwandeln, aber nicht als hohes Windrad in der Landschaft, sondern im Alltag. Zum Beispiel auf dem Autodach, um den Fahrtwind aufzufangen. Oder auf dem Hausdach, um von dort den Wind in elektrische Energie zu verwandeln. Schon seit vier Jahren tüftelt der 58-Jährige an Modellen und Vermarktung. Das Vorhaben entsprang dabei dem Geburtstagswunsch seiner Tochter Gina.
„Nachts um 2 Uhr ist mir etwas eingefallen, ich habe sofort eine Skizze angefertigt.“
Mario Immig
Die erhoffte sich zu ihrem 18. Geburtstag etwas für ihr Alter eher Untypisches: ein gemeinsames Projekt mit ihrem Vater für den Klimaschutz. Der studierte Haustechniker ist seit vielen Jahren für die Arbeiterwohnungen eines großen Ludwigshafener Unternehmens tätig. „Meine Tochter hatte ich da schon als Kind oft dabei“, schildert Mario Immig mit einem Lächeln die Beziehung zu Gina. „Sie hat mir geholfen. Und das ist bis heute geblieben.“ Ihr Geburtstagsgeschenk sollte etwas Großes, etwas Bedeutsames werden.
Ein Würfel für das Hausdach
Wie kam Mario Immig auf die Idee? Da erinnert sich der Ingenieur an eine Fernsehsendung, die die Effizienz von Windrädern kritisch beleuchtete. „Ich dachte: Es muss doch etwas geben, woran man nicht denkt“, erzählt der Bad Kreuznacher, der sich selbst als Problemlöser bezeichnet. In der Nacht liegt er wach im Bett und grübelt. Dann kam der Geistesblitz. „Nachts um 2 Uhr ist mir etwas eingefallen, ich habe sofort eine Skizze angefertigt.“ Zusammen mit seiner Tochter entwirft er den Markennamen „Enair“ (eine Kombination aus den englischen Worten für Energie und Luft) und erarbeitet mehrere Modelle.

Darunter auch den „Cube“, eine würfelförmige Konstruktion, die auf Häuser montiert werden soll. Wie er funktioniert, erläutert Immig an einem Alltagsbeispiel. „Ein Fenster ist offen, dann öffnet man ein weiteres: Es zieht. Das kennt jeder.“ Der Effekt im „Cube“ soll derselbe sein: Indem die Luft einen Kanal passiert, wird sie beschleunigt und besitzt so mehr Energie. Dort trifft sie auf ein Rotorblatt, das den Luftzug aufnimmt und die Umdrehung an einen Generator weiterleitet. Der produziert Strom. Durch die „außergewöhnliche Konstruktion der Einrichtungen“ soll die Luftgeschwindigkeit und somit der zu erwartende Stromertrag massiv erhöht werden. Die Leistung soll – auf die Größe heruntergerechnet – achtmal so hoch wie die eines herkömmlichen Windrads sein, ist Immig überzeugt.
„Die Geräte sind entgegen der Physik. Wir müssen ganz neu denken.“
Mario Immig
Ähnlich soll die Konstruktion auf einem Autodach funktionieren: Der sogenannte „Charge“ fängt den Fahrtwind ab und generiert daraus Strom, der das Auto direkt versorgt. „Die Geräte sind entgegen der Physik“, sagt Immig. „Wir müssen ganz neu denken.“ Denn man könnte meinen: Wird das Fahrzeug dadurch nicht stark abgebremst? „Das Auto braucht die meiste Kraft, um die Luft aufzubrechen. Auf dem Dach ist dann nicht mehr so entscheidend, was passiert“, schildert der Ingenieur und spricht dabei von „ganz neuen Ansätzen“. Seine Berechnung: Bei einer Geschwindigkeit von 130 Stundenkilometern produziert der „Enair“-Charge 12,5 Kilowatt. Auch den Luftzug von Zügen oder die Energie von Wellen wollen die beiden in ähnlichen Konstruktionen verstromen. So weit Immigs Theorie.

Ein Ansatz, die die Stromversorgung revolutionieren könnte? Ihre Idee wollen Vater und Tochter schützen. „Wir haben es einem Patentanwalt vorgestellt. Und der sagte: Das ist so einfach, das muss es doch schon geben. Aber das gab es noch nicht.“ Allerdings: Ein Patent anzumelden ist ein langer und teurer Prozess, wie der Familienvater im Gespräch mit unserer Zeitung schildert. Mehrere Anträge reicht er demnach ein, um seine Vision in Europa und den USA patentieren zu lassen. Mehrere Hunderttausend Euro habe er dafür ausgeben. „Ich habe meine Rente da einbezogen“, sagt Immig und schiebt nach: „Für den Kleinen ist das nicht gemacht.“ Zu hoch seien die bürokratischen Hürden, zu langwierig und teuer der Weg zum eigenen Patent.
„Wir haben es einem Patentanwalt vorgestellt. Und der sagte: Das ist so einfach, das muss es doch schon geben. Aber das gab es noch nicht.“
Mario Immig
Auch Gespräche mit der Politik kommen Immig zufolge ins Stocken. „Wir wollten unsere Idee nur persönlich vorstellen“, erzählt er. Zu hoch erscheint den beiden sonst das Risiko, die Idee könnte noch während der Patentierphase geklaut werden. Doch ein persönliches Treffen habe niemand wahrgenommen, schildert der Ingenieur.

„Wir haben vier Jahre lang niemandem etwas davon erzählt.“ Erst mit der offiziellen Urkunde des Patentamtes trauen sich die beiden, ihre Idee öffentlich zu machen. „Jetzt wird nichts mehr versteckt.“ Dann bewerben sich die beiden für das Fernsehformat „Die Höhle der Löwen“, in dem Erfindungen und Geschäftsideen vorgestellt werden. Die Produzenten springen an, das berichtet Immig, doch es gibt ein Problem: Es existiert noch keinen Prototyp oder Modell, um die Idee vorzustellen. „Dann wurden wir kurzerhand wieder ausgeladen.“
Erster Auftritt vor großem Publikum
Im zweiten Anlauf, im österreichischen Ableger desselben Formats mit Namen „2 Minuten 2 Millionen“, ergattern Vater und Tochter dann einen Sendeplatz – bis dahin haben sie passende Modelle geschaffen. „Das war eine tolle Erfahrung“, schwärmt Immig heute. „Wir wollten uns nach außen hin outen.“ Allerdings gibt es keinen Deal mit einem der Investoren. „Weil es zu groß ist“, ist Immigs Begründung.

Noch existiert die Idee nur in Modellen, die auf dem ausgebauten Dachboden, dem Büro des selbstständigen Ingenieurs, stehen. Mit mühevoller Handarbeit haben Vater und Tochter mehrere Veranschaulichungen geschaffen. Wenn Mario Immig den Luftzug anschaltet, fangen sogleich die Scheinwerfer des Autos mit dem „Charge“ an zu leuchten, genauso die Innenbeleuchtung des Hauses, auf dem der „Cube“ angebracht ist.
„Es ist etwas Großes, das da entstehen kann.“
Mario Immig
So weit die Theorie. „Alles, womit man in der Theorie Strom gewinnt, muss man sich in der Praxis angucken“, ist Immig überzeugt und betont, es gehe nicht um persönlichen wirtschaftlichen Erfolg, sondern um den Klimaschutz. „Diese Energie ist kostenlos.“ An der technischen, realistischen Umsetzung hapert es allerdings offenbar noch. „Keiner will der Erste sein“, begründet Immig und schiebt nach: „Aber wenn es das mal gibt, dann will es jeder haben.“

Sein Wunsch: Er möchte bei der Herstellung selbst mitwirken, nicht nur die Pläne und Formeln anderen in die Hand geben. „Ich würde es gern im Schutz eines großen Unternehmens machen.“ Zu viel müsse er als Entwickler ausprobieren, nachjustieren, neu berechnen. „Doch bisher läuft ja alles nur nebenher“, erzählt der Vollzeitbeschäftigte.
Für jeweils einen Prototyp veranschlagt Mario Immig etwa 1,2 Millionen Euro und ein Dreivierteljahr Bauzeit. Für die Realisierung suchen Vater und Tochter Investoren und Partnern. Wenn Mario Immig aus Bad Kreuznach von der Erfindung spricht, sprudelt es nur so aus ihm heraus. Eines steht für ihn dabei fest: „Es ist etwas Großes, das da entstehen kann.“
Weitere Details zu ihren Projekten haben Mario und Gina Immig aus Bad Kreuznach auf ihrer Internetseite unter www.enair-free.com zusammengestellt.