Drohnen suchen vor dem Mähen die Flächen ab
Rehkitze werden aus der Luft aufgespürt: Mit einer Drohne über den Feldern von Rehborn Jungtiere finden
Kitzrettung
Das Rehkitz wird aus dem hohen Gras geborgen und in eine Box gehoben. Anschließend wird es im angrenzenden Wald ausgesetzt.
Lena Reuther

Rehborn. Zu Beginn ihres Lebens flüchten Rehkitze nicht vor landwirtschaftlichen Mähfahrzeugen. Um beim Mähen nicht erfasst zu werden, werden sie vorher von Jägern gerettet. Eine Drohne mit integrierter Wärmebildkamera macht das möglich.

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Klein, gut getarnt und kaum zu sehen liegt das Rehkitz im noch feuchten Gras der Gemarkung Rehborn. Zu diesem Zeitpunkt ist die Sonne schon hervorgekommen und taucht die Felder in warmes Licht. Mit dem bloßen Auge können wir das kleine Tier zunächst nicht auszumachen. Doch mit der Hilfe einer Drohne mit integrierter Wärmebildkamera lässt sich das Kitz recht schnell finden.

Kitzrettung
Die Jäger Philipp Geib (links) und Gerhard Mattern bringen ein etwa zehn Tage altes Rehkitz in Sicherheit, das per Drohne aufgespürt wurde.
Lena Reuther

Philipp Geib, Drohnenpilot und Jäger, zieht Handschuhe an und sammelt Halme vom hohen Gras um sich herum. Vorsichtig bückt er sich in Richtung des Tieres und hebt es mit dem Gras an den Händen hoch. Jagdkollege Gerhard Mattern schätzt: „Das ist vielleicht zehn Tage alt.“

Sofort beginnt das Rehkitz zu fiepen. Dank des Rufs kann die Mutter es ausfindig machen und wird es auch so später wiederfinden. Es ist gerade einmal kurz nach 7 Uhr, und es ist das sechste Rehkitz, das an diesem Tag gerettet wird. Doch es ist das erste an diesem Tag, das aufgrund seines noch sehr jungen Alters nicht wegläuft, als wir nähertreten. Denn wegen seines Alters springt es nicht davon – und könnte daher auch vor den landwirtschaftlichen Mähfahrzeugen nicht flüchten.

Box mit Gras ausgelegt

Behutsam legt Geib das Kitz in eine Box, die mit Gras ausgelegt ist. Mit der Box geht es dann durch das hohe Gras über das Feld und in den Wald hinein. Die Boxen für die Kitzrettung hat die Firma Bito Lagertechnik aus Meisenheim bereits im vergangenen Jahr gespendet.

Kitzrettung
Immer wieder werden Rehkitze, die sich im hohen Gras verstecken, von landwirtschaftlichen Maschinen erfasst und getötet. Deshalb gibt es vielerorts Kitzrettungs-Teams, die das verhindern wollen. Hier ist Jäger Philipp Geib mit einem Team in Rehborn  (Kreis Bad Kreuznach) unterwegs.
Lena Reuther

Auf dem Weg reiben wir die Handschuhe am Gras und sammeln erneut ein bisschen ein, um das Tier gleich so aus der Box holen zu können. Während wir uns durch das hohe Gras schlagen, müssen wir aufpassen, wo wir hintreten. Die Erde ist teils löchrig, was man durch das hohe Gras aber nicht sieht. Gleichzeitig müssen wir aufpassen, nicht über die langen Grashalme zu stolpern. Als eine sichere Stelle gefunden ist, wird die Box abgesetzt und langsam der Deckel geöffnet. Vorsichtig greifen wir das Kitz – es fühlt sich auch durch die Handschuhe warm und weich an – und setzen es einige Meter weiter in den Wald. Anschließend wird es noch ein wenig mit Gras bedeckt. Dort wird es von der Mutter gefunden, erklären die erfahrenen Jäger. „Es ist immer etwas Besonderes, den Herzschlag des Kitzes zu spüren“, sagt Geib später am Tag.

Gegen 5 Uhr morgens geht es los

Zurück zum Anfang: Bereits gegen 5 Uhr morgens versammeln sich die Helfer, darunter Jäger, ein Landwirt und Interessierte, zur Kitzrettung. Zu diesem Zeitpunkt ist es noch dunkel und still draußen in der Natur. Mit den Autos geht es los zum ersten Feld. Philipp Geib lässt die Drohne fliegen und erklärt, was er sieht: Auf der linken Seite der Fernsteuerung erkennt man das, was die Wärmebildkamera aufnimmt. Ein kleiner, weißer Fleck ist auf dem Bildschirm auszumachen. Dort befindet sich also ein Tier. Auf der rechten Seite des Bildschirms ist dann bei näherem Hinfliegen zu sehen, um welches Tier es sich genau handelt. In diesem Fall: zwei Rehkitze. „Bei optimalen Bedingungen kann die Drohne neun Kilometer entfernt vom Gerät fliegen“, fügt Geib hinzu. Außerdem kann sie in der Theorie acht Kilometer in die Höhe fliegen, darf aber nur bis auf 120 Meter nach oben, betont er.

Kitzrettung
Mit der Drohne und einer integrierten Wärmebildkamera sucht Philipp Geib nach den Rehkitzen auf den Feldern.
Lena Reuther

Die Kitzrettung mit der Drohne ist eine gute Sache, sind sich alle Beteiligten einig. In zwei Teams werden die Felder überflogen und anschließend die Kitze gerettet. Dann kann der Landwirt mähen, um so Silage, also Futter für seine Tiere, zu machen. Da die Rehkitze in den ersten Tagen ihres Lebens nicht flüchten und somit nicht vor den landwirtschaftlichen Mähfahrzeugen wegspringen, würden viele von ihnen ohne die Kitzrettung einen qualvollen Tod erleiden. Doch nicht nur Rehkitze können mit der Drohne erkannt und gerettet werden, auch andere Tiere, wie zum Beispiel junge Hasen, können so gefunden werden.

Mit Gummistiefeln gewappnet

Mit Gummistiefeln gewappnet geht es durch das hohe Gras, die Drohne am Himmel als Orientierung, wo sich die Kitze befinden. „Es sind Zwillinge“, sagt Geib mit Blick auf den Bildschirm der Fernsteuerung. Gerade erreicht, springen die beiden jungen Tiere auch schon davon. Die Jäger schätzen sie auf etwa vier Wochen. Sie sind Richtung Wald geflüchtet, also gibt es hier für die Helfer nichts mehr zu tun.

An der zweiten Fläche angekommen, vermutet Geib anhand der Drohnenaufnahme, dass die beiden Kitze, die dort zu sehen sind, ähnlich alt sind und daher wegspringen werden. Daher umlaufen wir die Tiere so, dass sie in eine Rapsparzelle laufen – denn dort wird aktuell nicht gemäht. Der Plan geht auf: Als wir näherkommen, laufen die beiden in die erhoffte Richtung.

Im hohen Gras gut getarnt

6.30 Uhr: Nachdem ein weiteres Kitz aus dem hohen Gras weggesprungen ist, sind zu diesem Zeitpunkt bereits fünf Jungtiere gerettet. Die letzten beiden, Nummer sechs und sieben, lassen sich in die Box heben. Bei der Suche nach Kitz Nummer sieben laufen wir zu dritt durch das hohe Gras. Philipp Geib steuert vom Weg aus die Drohne. Als wir nähertreten, springt die Ricke, das weibliche Reh, aus dem Gras und flüchtet in die andere Richtung.

Rehkitz Kitzrettung
Selbst auf den zweiten Blick schwer zu erkennen: Dieses Rehkitz ist erst ein paar Tage alt. Fotos: Lena Reuther
Lena Reuther

Über Funk teilt uns Geib mit, dass das Kitz noch liegt. Nach ein paar Schritten sagt er: „Etwa einen Meter vor euch.“ Angestrengt blicken wir ins Gras, um das Rehkitz auszumachen. Inmitten des hohen Grases ist es gut getarnt. Nur sehr vorsichtig bewegen wir uns vorwärts, um nicht aus Versehen auf das Jungtier zu treten. Und dann: „Da! Da ist es!“, ruft Eckhard Kunze. Mit den Händen schieben wir das Gras beiseite, um das Kitz besser sehen zu können. Als es schließlich aus dem Gras hochgehoben wird, meint der Jäger: „Das ist vielleicht drei, vier Tage alt.“ Als es in der Box platziert ist, halten wir nach einem geeigneten Platz Ausschau, um es wieder auszusetzen. Hierzu laufen wir mit der Box einige Meter vom Feld weg. Staub wird beim Laufen im hohen Gras aufgewirbelt.

Schließlich setzen wir die Box ab und öffnen den Deckel. Das Kitz liegt ruhig und klein da. Diesmal kann ich es allein herausheben. Mit den Händen wieder in Handschuhen, rupfe ich Gras aus. Vorsichtig greife ich das Kitz und hebe es hoch. Es liegt sehr leicht in meinen Händen und ist ganz ruhig. Langsam setze ich es vor mir ab und bedecke es mit Gras. Hier wird nicht gemäht und die Mutter wird es anhand der Rufe finden.

Damit ist das letzte Kitz für diesen Tag gerettet. In umliegenden Orten geht die Kitzrettung in den nächsten Tagen weiter, erklärt Philipp Geib. Nach dem Mähen dann die freudige Botschaft: Nach dem Ermessen des Landwirtes ist kein Kitz zu Schaden gekommen. Die Kitzrettung war also erfolgreich.

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