Bad Sobernheim – Die „Heimat“ ist sein Zuhause, die Geschichten prägen seinen Erzählstil, und der Film ist sein Medium: Edgar Reitz (79), Filmemacher und Autor, berichtete in „BollAnt's im Park“.
Eingeladen hatten die Soroptimistinnen, eine internationale Organisation berufstätiger Frauen, der auch Elke Bolland angehört.
Rund 50 Zuhörer fanden sich im Rudolf-Desch-Saal ein. „Ein Filmemacher plaudert aus dem Nähkästchen“, hätte der Untertitel heißen können, so breit gefächert waren die Themen: Schauspieler-Casting, Film-Finanzierung, Heimatideologie, Produktion.
„Im Fernsehen werden Tausende Filme gezeigt, und dennoch erinnern sich auch nach 30 Jahren noch so viele an die ,Heimat‘“, sagte Reitz, der in Morbach im Hunsrück geboren wurde. 1984 erschien der erste Heimat-Zyklus, der zweite 1994, der dritte 2004, und nun, 2012, entsteht ein Kinofilm mit dem Arbeitstitel „Die andere Heimat“. Kinostart wird nach den Sommerferien 2013 sein. Geplant sei ferner, eine Vorab-Freiluft-Premiere im Hunsrück.
Doch bevor die Dreharbeiten in Kooperation mit dem Westdeutschen Rundfunk damals begannen, habe er sich gegen massive Vorbehalte durchsetzen müssen. Einmal sei der Begriff wegen der „Blut und Boden“-Ideologie der Nazis beschädigt gewesen. Aber auch die „kitschigen, schönfärberischen und idyllischen“ Heimatfilme der Nachkriegsjahre hätten die Produzenten in den 80er-Jahre abgeschreckt.
Schließlich habe sein Projekt den Bann gebrochen und eine „Lawine losgetreten“. Reitz meinte, das Genre Film gerade deshalb zu lieben, weil man beim Erzählen „ja auch mal flunkern kann: Lügen sind doch schöner als das Leben.“
Und dennoch versuche er stets, seine Geschichten so natürlich zu erzählen, wie es jedermann zuhause im Wohnzimmer und in der Küche auch tue. Moderatorin Elke Bolland fragte, wie er es schaffe, so viele gute junge Talente zu entdecken. „Ich weiß nicht. Das geschieht unbewusst“, entgegnete der Filmemacher. Es sei jedenfalls nicht einfach, aus einer Liste von 800 Bewerbervideos den „richtigen“ Schauspieler zu finden. Sei die Auswahl dann auf eine Handvoll Kandidaten begrenzt, sei es manchmal qualvoll – schließlich lasse jeder Schauspieler die Rolle in einem anderen Licht erscheinen.
Auch die Filmfinanzierung kam zur Sprache. Es gebe nur zwei Länder, in denen sich Filme über den Heimatmarkt finanzieren ließen: Indien und die USA. Alle anderen Länder seien auf den Film-Export, die multimediale Vermarktung und auf staatliche Subventionen via Wirtschaftsförderung angewiesen.
Edgar Reitz beschrieb den langen und mühevollen Weg, ein Filmprojekt zu realisieren. „Am Ende, wenn alle mit den Nerven am Ende sind, kann man den Film drehen“, scherzte er. Die Geschichte jeden Films werde dreimal erzählt: mit dem Drehbuch, beim Dreh selbst und beim Schnitt.
Auch über die gerade abgeschlossenen Dreharbeiten in Gehweiler berichtete er. An drehfreien Tagen seien schon mal 20 000 Leute ins Dorf gepilgert, was den Ort zurecht dazu bewogen habe, zwei Euro Eintritt zu verlangen. Die Idee, Gehweiler zum Museumsdorf zu machen, fand er unterstützenswert.
Ob denn der Hunsrück noch immer seine Heimat sei?, fragte ein Zuhörer am Montagabend. „Heimat ist etwas selbst Geschaffenes“, antwortete Reitz, insofern fühle er sich eher in seinem Haus in München beheimatet. Das schmälere jedoch nicht seine Kindheitserinnerungen an den Hunsrück, „wo die Bäume noch zu mir sprechen“. (art)