Kolumne „Randnotizen“ vom Chef
Pressefreiheit: Auch mal Gutsherrenart entlang der Nahe
Marian Ristow ist Leiter des Redaktionsverbundes Nahe, zu dem der Oeffentliche Anzeiger und die Nahe-Zeitung gehören.
Marian Ristow

Wie sieht’s es eigentlich mit der Pressefreiheit im Lokalen aus? Darf ein Reporter überhaupt noch zu einer Sitzung kommen, wenn er es gewagt hat, den übermächtigen Verwaltungschef zu kritisieren? Haha, da können wir nur müde lächeln.

Jippieh! Deutschland ist in Rangliste der Pressefreiheit, die die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ für das Jahr 2024 veröffentlicht hat, in die Top Ten eingezogen. Das bedeutet: In Deutschland können Medien größtenteils frei berichten – ein Umstand, den man zu schätzen wissen muss. Aber auch ein Umstand, bei dem ich mich weigere, ihn als Luxusgut zu bezeichnen. Vielmehr ist Pressefreiheit nicht mehr und nicht weniger als Rückgrat der Demokratie. Deutschland hat sich da um einen Platz verbessert. „ Der Sprung auf Ranglistenplatz 10 ist zudem auch der Tatsache geschuldet, dass sich andere Länder auf der Rangliste verschlechtert haben“, heißt es im Begleitschreiben der Organisation.

So viel zu den guten Nachrichten, aber man sollte es, was Pressefreiheit betrifft, wirklich genau nehmen und auch mal in die Kommunalpolitik schauen, wo sich Medienschaffende, Politiker und Funktionsträger tagtäglich, auch außerhalb des beruflichen Kontextes begegnen.

Denn das große Wort Pressefreiheit bedarf einer tagtäglichen Aufladung mit Bedeutung. Sie muss gelebt werden – von allen Seiten. Vor allem im Lokalen ist es mitunter schwer, die Grenzen zu ziehen und wirklich frei und unabhängig zu berichten. Pressefreiheit bedeutet nämlich absolut, dass Journalisten ihre Berichterstattung frei von Sanktionen und Einschüchterungsversuchen durchführen können. Dabei muss natürlich eines gesetzt sein: Auch Journalisten halten sich an die Spielregeln. Was ihnen manchmal dann aber so begegnet, hat mit Pressefreiheit nur wenig zu tun.

Denn mal ganz sachlich analysiert, widerspricht es dem Grundgedanken dieser Pressefreiheit, übrigens im Grundgesetz verankert, bereits diametral, wenn ein Bürgermeister, der Name der Stadt spielt gerade keine Rolle, keine Informationen mehr herausgeben möchte, weil ihm eine bestimmte Berichterstattung inhaltlich nicht gefallen hat. Da geht es dann nach Gutsherrenart: Bitte artig berichten oder es drohen Sanktionen.

Oder ein Verbandsbürgermeister plötzlich willkürlich ein Fotografierverbot bei öffentlichen Sitzungen verhängen möchte, weil der anwesende Reporter mal kritisch beäugt hat, ob eine VG-Verwaltung wirklich dauerhaft auf Wachstumskurs bleiben muss.

Wer Hauptamtler ist, muss sich auch wie Profi verhalten – denn dieser Begriff kommt natürlich von „professionell“. Profis orientieren sich an der Sache und wissen, dass die Presse nicht dafür da ist, den Palmwedel zu schwingen, sondern genau hinzuschauen – und zu kritisieren. Wer das nicht verstanden hat, braucht Nachhilfe. Und zwar in Staatsbürgerkunde.

E-Mail: marian.ristow@ rhein-zeitung.net

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