Kunststoffhersteller setzt auf Nachhaltigkeit und hat sich sehr ambitionierte Ziele gesetzt - Infotag für die 550 Mitarbeiter
Polymer-Gruppe will viel Energie und Wasser sparen: Wie funktioniert Nachhaltigkeit in der Kunststoffindustrie?
Recycling ganz anschaulich: Aus den bunten Kunststoffteilchen, die Thomas Ranft, Wissenschaftsjournalist und ARD-Wetterexperte (rechts) zeigt, werden in den Anlagen der Polymer-Gruppe in Bad Sobernheim schon seit Jahre schwarze Kunststoffgranulate für neue Autoteile, wie Polymer-Geschäftsführer Dirk Breitbach beim Nachhaltigkeitstag dem Ehrengast erläuterte. Foto: Silke Jungbluth-Sepp
Silke Jungbluth-Sepp

Bei Industrieunternehmen wie der Bad Sobernheimer Polymer-Gruppe denkt man wahrscheinlich nicht als erstes an das Thema Nachhaltigkeit. Doch gerade weil die Kunststoffproduktion sehr energieintensiv ist und auch reichlich Wasser verbraucht, ist die sparsame Ressourcennutzung ein wichtiger Faktor – auch und nicht zuletzt, um wirtschaftlich marktfähig zu bleiben.

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All dies wurde beim ersten Nachhaltigkeitstag deutlich, bei dem Geschäftsführer Dirk Breitbach mit seinem Team der Belegschaft berichtete, was das familiengeführte Unternehmen auf dem Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit bereits erreicht hat – und welche ambitionierten Ziele sich die Gruppe bis 2030 vorgenommen hat.

Strom in gewaltigen Mengen

Es sind gewaltige Mengen an Strom, die die Produktionsanlagen im Bad Sobernheimer Gewerbegebiet für den Herstellung von 130.000 Tonnen Kunststoffgranulaten und anderer Produkte benötigen: 44 Millionen Kilowattstunden pro Jahr. „Das ist 1,5 mal mehr als alle privaten Haushalte in der Verbandsgemeinde Nahe-Glan zusammen verbrauchen“, erläuterte Tobias Fuchs. Unterm Strich bedeute dies einen Verbrauch von 338 Kilowattstunden pro Tonne.

Ziel sei es, den Verbrauch in den nächsten sechs Jahren um 15 Prozent zu drücken, etwa durch weitere Investitionen in Anlagen und Verfahrenstechniken. „Dazu zählen auch Optimierungen an den Schmelzpumpen“, erläuterte Fuchs.

Zugleich soll der genutzte Strom sauberer werden. Eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 100 Kilowattpeak arbeitet seit vergangenem Jahr auf dem Dach des Hauptgebäudes. „Das deckt bisher nur einen Bruchteil ab, aber Erweiterungen sind schon geplant.“

Alle Dächer, auf denen es möglich ist, auch Fassaden und die Überdachung des Parkplatzes mit Solarmodulen stehen auf der Liste. Bis das alles montiert ist, dürfte auch die Speichertechnologie so weit sein, dass der selbst produzierte grüne Strom gleichmäßiger nutzbar ist. Da bei der Kunststoffproduktion viel Abwärme entsteht, ist zudem geplant, sie nutzbar zu machen, um die Gasheizungen zu ersetzen, die bislang die Büros und Hallen im Winter wärmen.

Wasserqualität hilft sparen

Weiterer großer Faktor ist der Wasserverbrauch. Auch hier ist seit dem Basisjahr 2021, als die Geschäftsführung um den geschäftsführenden Gesellschafter Gerald Hauf ihr Nachhaltigkeitskonzept beschlossen hat, schon einiges auf den Weg gebracht worden.

100.000 Kubikmeter Wasser standen bislang auf der Sollseite, davon 80.000 Liter allein für die Kühlung von Anlagen und Produkten. Dies entspricht einem Verbrauch von 0,78 Kubikmetern Wasser pro Produktionstonne.„Dies wollen wir um die Hälfte reduzieren“, so Fuchs, der betonte, dies sei „eine sportliche Ansage“.

Ende dieses Jahres soll in einem Teil der Produktion eine komplett neue Kühlanlage mit modernster Technologie an den Start gehen, die Wasser länger im Kühlkreislauf behalten kann. „Dafür ist es notwendig, im Vorfeld die Wasserqualität zu verbessern und aus dem Meddersheimer Brunnenwasser Osmosewasser zu machen.“

Wenn das Wasser vorab durch Filter gedrückt wird, entstehen beispielsweise keine Biofilme und es kann länger im Kühlkreislauf bleiben. Neue Rückspülfilter statt Sandfilter sorgen in den Kühlanlagen ebenfalls bereits für bessere Wasserqualität und reduzierten Wasserverbrauch.

Die Polymer-Gruppe setzt für die Zukunft auf Biokunststoffe, die unter anderem auf Mais basieren statt auf Erdöl.
Silke Jungbluth-Sepp

Breitbach erläuterte weitere Ziele: Allem voran soll der durchschnittliche Fußabdruck quer über alle Produkte um ein Viertel gedrückt werden. Dafür will sich die Gruppe zudem von fossilen Energieträgern beim Heizen und in der Produktion bis 2030 komplett verabschieden, die Materialverluste in der Produktion sollen um zehn Prozent sinken und bei Einkauf der Vorprodukte genau auf die Bilanz geschaut werden.

„Wir müssen aufhören, fossile Stoffe zu verbrennen. Wir sind die einzige Spezies, die das macht.“

Thomas Ranft

Wie unverzichtbar die Nachhaltigkeit in unserer vom Klimawandel geplagte Welt ist, machte Ehrengast Thomas Ranft deutlich. Der Wissenschaftsjournalist, der als ARD-Wetterexperte bekannt ist, brachte es in seinem Vortrag auf den Punkt: „Wir müssen aufhören, fossile Stoffe zu verbrennen, wir sind die einzige Spezies, die das macht“. Er machte anschaulich, wie kurz die Ära der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas überhaupt erst andauert, die tatsächlich erst ab dem 19. Jahrhundert richtig Fahrt aufgenommen hat. Wie rasant der Klimawandel, die Erderwärmung und die Meereserwärmung zuletzt vorangeschritten sind, zeigte er ebenfalls. Aber er machte auch deutlich, dass es Wege gibt, um die Dinge anzugehen.

Mais statt Erdöl

„Wie man hier darüber nachdenkt, das ist nicht überall so“, lobte er die Polymer-Verantwortlichen. Wichtig sei, dass jeder Einzelne zügig für sich technisch möglich mache, was er könne, auch die 550 Mitarbeiter privat – vom Balkonkraftwerk bis Elektroauto, „und dann überlegen wir weiter, wenn es neue technische Lösungen gibt.“

Der Zubau an erneuerbaren Energien habe stark an Fahrt aufgenommen. Dauerte es 2004 ein Jahr um 1 Gigawatt zubauen, – die Leistung von einem Kernkraftwerk – war dies 2023 in einem Tag geschafft. „In 100 Jahren ist das Thema auf jeden Fall durch, egal wie langsam wir uns bewegt haben.“

So sehen die Granulate aus Biokunststoffen aus, die die Polymer-Tochter Sobico herstellt. Die Firmengruppe plant ein großes Biokunststoffwerk  im Idar-Obersteiner Industriegebiet Weidenberg.
Silke Jungbluth-Sepp

Breitbach erinnerte daran, dass Polymer schon 35 Jahren mit dem Recycling von Kunststoffen angefangen habe. „Damals galt das als minderwertig, heute ist es schick geworden und viele springen jetzt erst auf den Zug auf.“ Polymer ist aber schon wieder einen Schritt weiter: Das Unternehmen produziert inzwischen auch Kunststoffe auf Basis von Mais statt Erdöl.

Auf der Suche nach mehr Frauen – auch in der Produktion

Geschäftsführer Dirk Breitbach machte am Nachhaltigkeitstag ein weiteres Ziel deutlich: Die Polymer-Gruppe wünscht sich dringend mehr Frauen im Team – auch in der Produktion. Bisher liege ihr Anteil insgesamt bei elf Prozent, in der Produktion aber bei fast null. Bis 2030 ist ein Frauenanteil von 30 Prozent anvisiert und Breitbach hofft, dass viele davon den Weg in die Werkhallen finden. „Frauen bilden ein riesiges Facharbeiterreservoir“. Bei Werbeaktionen sollen nun gezielt potenzielle Bewerberinnen angesprochen und nicht zuletzt mit den deutlich höheren Löhnen als in typischen Frauenjobs gelockt werden. sjs

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