Seit fünf Jahren im Amt: Christian Kirchner, Leiter der Polizeiinspektion - Im Interview betont er: Fallzahl liegt im Durchschnitt
PI-Chef Christian Kirchner räumt mit altem Klischee auf: Bad Kreuznach ist kein Kriminalitäts-Hotspot
PI-Chef Christian Kirchner vor dem Inspektionsgebäude an der Ringstraße Bad Kreuznachs.
Stefan Munzlinger

6. Juli 2017: Christian Kirchner, gebürtiger Ebernburger, wird in seine „Wunschfunktion“ eingeführt – die Leitung der Polizeiinspektion Bad Kreuznach. Im Gespräch mit dem „Oeffentlichen“ blickt der Polizeidirektor auf die ersten fünf Jahre im Amt und seine Inspektion mit heute etwa 100 Polizisten/innen (60 Männer und 40 Frauen) im PI-Gebäude an der Ringstraße.

Vorab: Nein, betont Christian Kirchner, anders als in den sogenannten „Sozialen Medien“ immer wieder unbelegt behauptet, ist Bad Kreuznach im Bundesvergleich kein Kriminalitäts-Hotspot.

Herr Kirchner, für welches Gebiet ist Ihre Inspektion zuständig?

Wir sind für die Stadt Bad Kreuznach und die drei Verbandsgemeinden Rüdesheim, Bad Kreuznach und Langenlonsheim-Stromberg zuständig mit alles in allem rund 120.000 Menschen. Unser Gebiet umfasst 471 Quadratkilometer und ist damit eine der größten Polizeidienststellen im Land. Sie gehört zum Polizeipräsidium Mainz, das vom Rhein begrenzt wird und von Bacharach bis Worms, von Kirn bis Kirchheimbolanden reicht und einen Teil des Donnersbergkreises betreut. Fläche: 2500 Quadratkilometer, Einwohner: 800.000.

Liegt der Alltags- und Kriminalitätsschwerpunkt auf Kreuznach?

Ja, drei Viertel aller Ereignisse registrieren wir in der Stadt, etwa Verkehrsunfälle, Auseinandersetzungen, Nachbarschaftsstreit, Ruhestörungen, Diebstähle in Läden, aber auch von Rädern und Autos.

Ragt eine Deliktgruppe in besonderem Maße heraus?

Seit längerer Zeit sind das der Enkeltrick- und der Callcenterbetrug, aber auch Massendelikte auf Verkaufsportalen. Nicht selten sind fünfstellige Beträge im Spiel. Die Betrüger gehen hochprofessionell vor. Trotzdem gelingt es uns, vor allem den Kollegen der Kriminalpolizei, viele Täter dingfest zu machen.

Wie kriegt man diese Betrüger?

Vorteil für uns, die Ermittler: Es erfolgt vorweg eine nachvollziehbare Kommunikation von Opfer und Täter, sei es mündlich oder mittels Internet. Das ist anders als bei Einbrüchen, wenn nur Einbruchsspuren von Hebelwerkzeugen vorliegen. Bei den Trickbetrugsfällen ist das Geld meistens weg, transferiert auf unbekannte Konten irgendwo.

Was kann man den Menschen raten, wie können sie sich schützen?

Vorsichtig sein und schon gar nicht schnell überweisen. Nutzern von Verkaufsportalen raten wir zur „Sicheren Bezahlweise“, die angeboten wird. Auf solche Trickbetrügereien fallen nicht nur ältere Menschen herein, auch junge Leute.

Wie hoch ist die Aufklärungsquote der PI Bad Kreuznach?

Die Zahlen für das Jahr 2021 sehen so aus: Bei 5944 Straftaten im gesamten Bezirk der Polizeiinspektion liegen wir mit Blick auf die Betrugs-, Einbruchs- und Diebstahldelikte bei einer Aufklärungsquote von 66,7 Prozent.

Immer wieder wird behauptet, Bad Kreuznach sei ein Kriminalitäts-Hotspot in Deutschland, rangiere auf vorderen Plätzen. Stimmt das?

Nein, auch wenn sich dieses Klischee zur Gesamtkriminalität hartnäckig hält. Bei der Kriminalitätsbelastung liegen wir auf dem Niveau anderer rheinland-pfälzischer Mittel- und Oberzentren. Einen vorderen Platz nimmt die Stadt seit drei, vier Jahren aber bei der Betäubungsmittel-Kriminalität ein. Möglicherweise liegt das an der Nähe zum Rhein-Main-Gebiet.

Wie ist das zu erklären?

Eine solche Statistik entsteht, weil es sich hier um eine „Hol-Kriminalität“ handelt. Wir kontrollieren und holen etwas aktiv ein. Und stoßen damit auf die Täter. Weniger Kontrollen würden weniger Fahndungs- und Ermittlungserfolge bedeuten. Dann läge Bad Kreuznach bei diesen Delikten nicht so weit vorne. Wenn wir bei den Betäubungsmitteln hohe Fallzahlen haben, bedeutet das auch ein Lob für meine Kollegen. Ihre Akribie, Erfahrung und Vorgehensweise fördert die Gesetzesverstöße zutage.

Gewalt gegen Polizisten – auch ein Thema für Ihre PI?

Ja, leider, die Zahlen sind hier weiter auf einem hohen Niveau. 2017: 169, 2018: 189, 2019: 176, 2020: 194 und 2021: 167 und 2022 ohne den Dezember: 159. Hinzu kommt eine Vielzahl an Beleidigungen.

100 PI-Kollegen – ist eine hohe Präsenzquote in Stadt und Kreis Bad Kreuznach möglich?

Wir bemühen uns, so oft es geht, mit Streifen in der Fußgängerzone und auf dem Land präsent zu sein, um den Bürgern zu signalisieren, dass sie sicher sind. Wenn allerdings wie am 5. November im „Cheers“ an der Viktoriastraße ein Mensch zu Tode kommt, sinkt das individuelle Sicherheitsempfinden sofort, ganz egal, wie viele Streifen wir aktuell fahren oder laufen.

Überstunden – auch in der PI Bad Kreuznach ein Thema?

Nein, für uns ist das nicht das ganz große Thema. Es gibt punktuelle Belastungsphasen, etwa bei intensiven Versammlungslagen im Frühjahr oder beim Jahrmarkt. Oder wenn in der Corona-Zeit Schichten neu zu besetzen waren. Mit Blick auf die Gesundheit unserer Mitarbeiter/innen versuchen wir aber, einen schnellen Abbau der Überstunden zu ermöglichen.

Sie haben Ihre „Wunschfunktion“ gefunden. Hegen sie dennoch berufliche Wechselpläne?

Nein, momentan nicht. Ich fühle mich wohl in meiner Heimat und bin gut verknüpft mit Behörden, Feuerwehr, dem DRK und auch der Kommunalpolitik. Das passt!

Christian Kirchners Stationen vor seiner Ernennung zum Chef der Polizeiinspektion Bad Kreuznach

1993: Abitur am Kreuznacher LiHi und Einstellung in die Polizei, Ausbildung bis 1995;

1995 bis 1999: Studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung (heute: Hochschule der Polizei auf dem Hahn);

2001: Sachbearbeiter Schichtdienst der PI Mainz 2;

2001 bis 2006: Dienstgruppenleiter der Polizeiinspektion Alzey;

2006 bis 2009: Verwendung im Führungsstab des PP Mainz;

2009 bis 2010 Zulassung und Vorbereitung aufs Masterstudium;

2010 bis 2012 Masterstudium an der Dt. Hochschule der Polizei;

2012 bis 2013 Mitarbeit in der Zentralstelle für Polizeitechnik;

2013 bis 2017 Dozent an der Hochschule der Polizei (Strafrecht)

2017: Ernennung zum Leiter der Polizeiinspektion Bad Kreuznach im großen Sitzungssaal der Kreisverwaltung am 6. Juli und damit am Tag des Amtswechsels der Landräte Franz-Josef Diel und Bettina Dickes. mz

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