Nach einem Jahr Pandemie lässt sich diese Zurückhaltung nun auch beziffern. Die Kreuznacher Diakonie meldet für das „Ausnahmejahr 2020“ einen Patientenrückgang im knapp zweistelligen Bereich, und die Klinik St. Marienwörth berichtet von einem Rückgang der Patientenzahl um rund acht Prozent im Vergleich zu einem normalen Jahr.
„Gerade in der ersten Zeit ließen die Patienten nur das Allernötigste behandeln“, hat der Ärztliche Direktor des Marienwörth, Professor Volker Schmitz festgestellt. Viele seien sehr verunsichert und zum Teil ängstlich aufgrund der neuen Situation gewesen. Schmitz konnte beobachten, dass in der ersten Welle Patienten über alle Krankheitsbilder hinweg länger gezögert und „ausgehalten“ haben, bevor sie zum Arzt oder ins Krankenhaus gegangen sind. Im Sommer zwischen der ersten und zweiten Welle sei dann wieder „nahezu Normalität“ eingekehrt, inzwischen hat es sich trotz höherer Infektionszahlen etwas entspannt.
„Mittlerweise wissen die Patienten, dass das Krankenhaus generell ein sicherer Ort ist“, sagt Schmitz, der sachorientierte Umgang mit Corona sei überall gegeben. Er rät Erkrankten dringend davon ab, auf notwendige Operationen zu verzichten. „Generell gilt, wer Behandlungen aufschiebt, riskiert Gesundheitsschäden.“
Seine Medizinerkollegen in den Diakonie-Krankenhäusern Bad Kreuznach und Kirn sehen das ähnlich. Der Ärztliche Direktor Christoph von Buch rät allen Erkrankten: „Nehmen Sie Beschwerden und Symptome ernst, denn die Pandemie dauert viel zu lange, um die Augen zu verschließen.“ Man habe Verständnis für die Sorgen und Verunsicherungen der Patienten, arbeite aber täglich daran, „dass unsere Patienten im Krankenhaus sicher und medizinisch gut versorgt sind“. Buch verweist auf die Teststrategie der Klinik, zahlreiche Schutzmaßnahmen sowie die Trennung von Laufwegen und Räumlichkeiten, um Covid-Verdachtsfälle zu isolieren.
900.000 Operationen verschoben
Schätzungen gehen davon aus, dass im Pandemiejahr 2020 bundesweit gut 900.000 Operationen verschoben wurden, darunter rund 850.000 elektive – also planbare, nicht lebensnotwendige – Eingriffe wie Gelenkersatz-OPs, aber auch 52.000 Krebsoperationen. Auch die Mammographie-Screening-Programme waren in Rheinland-Pfalz mehrere Wochen unterbrochen.
Zugleich berichteten Praktiker, dass viele Patienten in der ersten Welle trotz schwerer Erkrankungen, etwa bei Schlaganfällen oder Herz-Kreislauf-Symptomen nicht in die Notaufnahmen gekommen sind – oder erst, als es schon fast zu spät war. Solche Fälle gab es im St. Marienwörth zum Glück nur vereinzelt, berichtet Schmitz. Auch die Diakonie hat dazu keine validen Beobachtungen machen können.
In den Kliniken war in den vergangenen zwölf Monaten viel Flexibilität von Nöten, um sich für die Covid-Patienten zu wappnen. Je nach Phase der Pandemie mussten immer wieder Betten für sie freigehalten werden – nach den Vorgaben des Landes und im Klinikverbund mit der Uniklinik Mainz.
Die Kreuznacher Diakonie hat deshalb über längere Zeit einen Teil der Operationen aufgeschoben. Zwischen erster und zweiter Welle habe es aber immer wieder Behandlungsspitzen gegeben, in denen ausgefallene oder verschobene Eingriffe nachgeholt wurden. Die dritte Welle ist bisher im St. Marienwörth gegen den Bundestrend nicht so stark angekommen. Aktuell werden dort im Durchschnitt zehn Covid-Patienten stationär versorgt, in der zweiten Welle waren es doppelt so viele. Im Schnitt mussten von ihnen jeweils rund 20 Prozent auf der Intensivstation behandelt werden, die Hälfte davon auch beatmet. Auf Isolier- und Intensivstation der Kreuznacher Diakonie werden seit einem Jahr ständig Covid-Patienten behandelt, eine Zeit ohne Betroffene gab es seit Frühjahr 2020 nicht.
Dankbar über Zuschüsse
Wie sich die Pandemie wirtschaftlich auf die Kliniken auswirken wird, dazu konnten die Träger noch nichts Konkretes sagen. „Wir sind sehr dankbar, dass wir vom Land Zuschüsse erhalten, denn ohne sie könnte der Betrieb eines Krankenhauses unter Pandemiebedingungen nicht aufrechterhalten werden“, betont die Diakonie. Die Kosten der verschärften Sicherheit und Hygiene, etwa für Testungen, Schutzausrüstung und Sicherheitsdienste würden jedoch nur zum Teil ausglichen.
Klar ist demnach, dass die Kliniken dringend darauf angewiesen sind, dass es für das Freihalten der Betten für Corona-Infizierte eine finanzielle Kompensation aus Steuermitteln gibt. Und auch, dass die aufwendige Behandlung dieser Patientengruppe gut bezahlt wird. Ob die staatlichen Rettungsschirme jedoch ausreichen, um die Löcher durch den Patientenschwund auszugleichen, lasse sich erst nach Abebben der Pandemie wirklich einschätzen, heißt es. Klar ist aber jetzt auch schon, dass es die Pandemie der ohnehin finanziell in der Klemme steckenden Klinikbranche nicht leichter gemacht hat.