Landgericht Erneuter Versuch der Zeugenbeeinflussung im Verfahren um früheren "No Mercy"-Chef
"No Mercy"-Bandenführer vor Gericht: Ex-Brüder belasten sich gegenseitig

Prozess im Bad Kreuznacher Justizzentrum.

Christine Jäckel

Bad Kreuznach. „Wir wollten die Stadt vor Flüchtlingen beschützen. Wir wollten nicht als schlimme Gruppe dargestellt werden, aber es hat sich ins Gegenteil verkehrt“, erklärte der Ex-Präsident der Vereinigung „No Mercy“ das Scheitern der Gang. Am zweiten Prozesstag im Verfahren gegen einen 31 Jahre alten Deutschtürken aus Bad Kreuznach, der sich unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung und Drogenhandels verantworten muss, gab es um diesen Zeugen einige Aufregung, nachdem der in Mainz geborene, 25-jährige Deutschtürke in einer Verhandlungspause bedroht worden sein soll.

Wie ernst die Justizbehörden die Aktivitäten der Gruppierung einschätzen, die etwa 40 bis 50 Mitglieder und Mitläufer stark war, wurde daran deutlich, dass die Sitzung eigens unterbrochen wurde, damit Polizeibeamte die Personalien sämtlicher Zuschauer, die der Verhandlung beiwohnten, aufnehmen konnten. Anschließend berichtete eine Zeugin über entsprechende Äußerungen, die sie während einer Verhandlungspause gehört hatte. Sie selbst wurde in einer weiteren Pause von einem ihr unbekannten Mann einer größeren Gruppe gegenüber mit den Worten „Das ist die“ bezeichnet.

Der Angeklagte und der Zeuge, der jetzt in Hessen lebt, lernten sich ungefähr im Herbst 2015 kennen, als der 25-Jährige als Türsteher in einer Bad Kreuznacher Diskothek arbeitete. Die beiden sollen die führenden Köpfe von „No Mercy“ gewesen sein, deren Mitglieder auch in martialischen Rappvideos im Internet mit Baseballschlägern und anderen Waffen posierten.

Schon am ersten Verhandlungstag hatte sich herausgestellt, dass eine Schwester des Angeklagten offenbar versucht hatte, zwei Zeugen zu beeinflussen. Diesen beiden jungen Mainzern hatte der früher als Gruppenleiter bei einer Security-Firma tätige Ex-Präsident mehrmals eine Arbeitsgelegenheit im Sicherheitsdienst bei Veranstaltungen verschafft, und er versuchte auch, sie für die Gang zu rekrutieren.

Zwei Vorfälle, bei denen die beiden jungen Mainzer durch den Angeklagten und den Bandenchef misshandelt und gedemütigt wurden, werfen ein bezeichnendes Licht auf den Umgang innerhalb der Bruderschaft. Gemeinsam mit dem Angeklagten machte sich der hünenhafte ehemalige Security-Mitarbeiter einen Spaß daraus, einen der beiden Mainzer, einen wesentlich jüngeren und schmächtigen Mann, mit einem Elektroschocker zu malträtieren. Es sollte angeblich eine Strafaktion sein, weil sich der damals 17-Jährige zuvor bei einem Security-Job auf dem Betzenberg in Kaiserslautern im Verlauf einer Schlägerei mit anderen Sicherheitsmitarbeitern verdrückt hatte.

Der ehemalige Bandenführer bestätigte weitgehend den Vorfall mit den Elektroschockern. Außerdem belastete er den Angeklagten, mit mindestens fünf Kilogramm Marihuana gehandelt zu haben. Dass er gegen den ehemaligen Freund und „Bruder“ aussagt, geht nach seinen Angaben auf persönliche Schicksalsschläge zurück. Deshalb habe er mit der Staatsanwaltschaft eine Vereinbarung getroffen, wonach ihm für sein eigenes Verfahren eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt worden sei.

Die Redseligkeit seines früheren Kumpanen löste auch dem Angeklagten die Zunge, der zum Prozessauftakt keine Angaben zur Sache gemacht hatte. Er räumte unter anderem den Vorfall mit dem Elektroschocker ein und identifizierte einen Mann, der an einem Vorfall im „Space Park“ beteiligt war, bei dem ein Gast bewusstlos geprügelt wurde. Ein weiterer Anklagepunkt betrifft einen Streit um die Kinder, die der 31-Jährige mit einer ehemaligen Lebensgefährtin hat. Er soll zwei Freunde dazu angestiftet haben, den Stiefvater seiner Ex-Freundin „fertig zu machen.“ Bei dem Vorfall zog sich die Mutter der ehemaligen Partnerin eine schwere Verletzung zu.

Das Verfahren wird am Freitag, 12. Oktober, um 9 Uhr fortgesetzt.

Von unserer Reporterin Christine Jäckel

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