Bad Kreuznach – Sie werden immer aufdringlicher, ihre Methoden immer dreister. Hunderte Einladungen für dubiose Kaffeefahrten sind derzeit wieder in Bad Kreuznach im Umlauf. Die neue Masche der Geschäftemacher: Sie geben sich als Rächer all derjenigen aus, die bereits mit Gewinnversprechen auf ähnliche Verkaufsfahrten gelockt wurden und ihre Gewinne nie erhalten haben. Auf ihre Spur brachte unsere Redaktion eine Leserin. Irmgard Göretz aus Bad Kreuznach fand eine Einladung des „Euro-Verwaltungsbüros“ aus dem niedersächsischen Quakenbrück in ihrem Briefkasten, wandte sich an den „Oeffentlichen Anzeiger“ und bat um Rat.
Das Schreiben klinge ja zunächst ganz glaubwürdig, schildert sie in ihrem Brief. 3250 Euro Bargeldgewinn soll unsere Leserin erhalten. Das Euro-Verwaltungsbüro verspricht: „Allein im Raum Bad Kreuznach wurden mit unserer Hilfe im Jahr 2009 Gewinne im Wert von 35 462 Euro nachträglich an die rechtmäßigen Gewinner ausgezahlt.“ Die Verfasser des Schreibens setzen offenbar darauf, dass der Empfänger den restlichen Text nicht mehr gründlich weiterliest. Wer ihn aufmerksam studiert, stolpert nämlich über kleine Formulierungen, die den Gewinn wieder relativieren.
Weiter im Text ist nur noch die Rede von einem „potenziellen Gewinner“. Außerdem heißt es dort wortwörtlich: „Die Auszahlung an den Gewinner, Frau Göretz, erfolgt garantiert am 29. 11. 2010 in voller Höhe und in bar.“ Durch die geschickte Zeichensetzung bedeutet der Satz aber nicht, dass Frau Göretz ihren Gewinn ausgezahlt bekommt, sondern dass irgendein Gewinner seinen Gewinn erhält. Und so mogeln sich die dubiosen Veranstalter weiter durch ihren Einladungstext.
Der Bad Kreuznacher Rechtsanwalt Thomas Scheffler hat sich die Einladung genau angesehen und sagt ganz klar: „Gewinnzusagen sind einklagbar.“ Dennoch sind die Erfolgsaussichten in diesen Fällen gering. Denn die Versender verstecken sich meist hinter Briefkastenfirmen ohne gerichtlich verwertbare Adresse. Wie auch in unserem Fall. Zwar könne auch der Postfachinhaber verklagt werden, denn dieser haftet für den Gewinn. Scheffler: „Problem ist: Die Post gibt die Daten nicht heraus.“ Und ob die Empfänger der Einladungen alternativ gegen die Hintermänner vorgehen können, wie etwa das Verkaufspersonal, ist nach Aussage des Anwalts noch ungeklärt.
Weiteres Hindernis: Die Rechtsschutzversicherungen tragen seit 2002 die Kosten nicht mehr. Nur wer noch eine ältere Versicherung hat, könnte noch Deckungsschutz für einen solchen Fall bekommen. „Lässt der Verbraucher sich auf eine Kaffeefahrt ein, kann er bestenfalls dort geschlossene Verträge widerrufen. Den Gewinn wird er dennoch nicht bekommen“, sagt Scheffler.
Um der Einladung noch eine persönliche Note zu geben und sie glaubwürdiger erscheinen zu lassen, ist im Kopf des Schreibens ein Foto einer älteren Dame abgebildet, die einen Telefonhörer in der Hand hält. Sie wird als Sachbearbeiterin Frau Masselt ausgegeben. „Perfide ist der erweckte Anschein, man wolle den Verbrauchern helfen“, sagt Scheffler. Hier werde skrupellos das Vertrauen missbraucht. Das Ganze werde verstärkt durch die Bezeichnung „Rechtsbeistand“ im Briefkopf.
Doch auch diese Bezeichnung ist irreführend. Hintergrund: Bis Mitte 2008 war „Rechtsbeistand“ eine geschützte Berufsbezeichnung. Die Bezeichnung fälschlich zu führen, hatte bis dato ein Bußgeld von bis zu 5000 Euro zur Folge. Mittlerweile aber heißen die Rechtsbeistände „Rechtsdienstleister“. „Es gibt also eigentliche keine Rechtsbeistände mehr“, sagt Scheffler. Und damit auch keinen Schutz für die Berufsbezeichnung.
Die Organisatoren locken in ihrer Einladung aber nicht nur mit Bargeld, auf der zweiten Seite des Schreibens preisen sie üppige Geschenke an. Sie versprechen ein sattes Lebensmittelpaket unter anderem mit Beluga-Kaviar, Austern und fangfrischen Langusten, Werkzeugkoffer für den Herrn, ein Brat-Kochsystem für die Dame und noch einiges mehr. Dabei geht es ihnen nur um eines: Die meist älteren Menschen in ihren Bus zu locken, in entlegene Gasthäuser zu bringen und ihnen mit stundenlangen Verkaufsveranstaltungen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Wohin die Reise geht, wird erst gar nicht angekündigt. Allein vier Bushaltestellen in Bad Kreuznach sind als Sammelpunkte für den 29. November ab 6.30 Uhr angegeben.
Irmgard Göretz ist schon ab und an mal mit auf Kaffeefahrt gefahren. „Das ist für mich die einzige Möglichkeit rauszukommen“, sagt die Rentnerin, die aufgrund eines Knieleidens nicht mehr gut zu Fuß unterwegs ist. Sie kaufe auf den Fahrten aber nie etwas, habe aber auch noch nie einen versprochenen Gewinn oder eines der angekündigten Geschenke erhalten. Die Einladung des Euro-Verwaltungsbüros wird sie jetzt ausschlagen. Auch die Verbraucherzentralen raten übrigens: Am besten direkt in den Papierkorb damit.
Denise Bergfeld