Die Ebernburg dürfte so ziemlich jedem im Kreis bekannt sein. Aber auch überregional wohl wegen des jährlichen Mittelaltermarktes in den Straßen unterhalb der Burg. Gastronomisch gab es über die Jahre hinweg immer wieder deutliche Schwankungen. Doch der neue Pächter, der zuvor im nahe gelegenen Obermoschel seine Zelte aufgeschlagen hatte, scheint überzeugende Arbeit zu leisten. Über den Sommer hinweg war sein Restaurant „Freigeist“ nahezu ausgelastet. Trotz Corona.
Der Chefkoch ist bester Laune, als ich an einem Donnerstagabend sein Restaurant betrete. Ich werde schnell als Reporter erkannt, wir sind sofort per Du. Man führt mich zu meinem reservierten Tisch. Der Gastraum lässt nicht gleich darauf schließen, dass man sich auf einer Burg befindet. Relativ hell gestaltet sich die gute Stube. Was auffällt, sind die im ersten Moment sehr weichen, aber auch sehr bequemen Stühle. Und auch die hellen, selbst gebauten Tische aus Buchenholz verdienen eine Erwähnung.
Ein junger Mann im Service zeigt sich den Abend über für mich verantwortlich. Er macht den Job noch nicht lange, ist spürbar nervös, macht seine Sache aber tadellos und überaus freundlich. Er reicht mir Speise- und Weinkarte, ich darf in Ruhe wählen. Für den ersten Durst bestelle ich erst mal ein Wasser. Viel ist noch nicht los an diesem Abend. Am Ende werden es aber 30 Gäste gewesen sein, die im „Freigeist“ einen schönen Abend verbracht haben.
Begeisterung für die Arbeit
Jean-Luc Blumers kommt zu mir an den Tisch, und wir kommen ins Gespräch. Er entpuppt sich als redseliger und selbstbewusster junger Mann. Und das im positiven Sinne. Ich spüre sofort seine Begeisterung für seine Arbeit, für sein Restaurant. Mögen die Bedingungen zurzeit noch so schlecht sein. Der Sommer lief wunderbar, die Gäste scheinen das Konzept angenommen zu haben. Doch die Situation momentan ist bescheiden. Eigentlich hätte er gerade jetzt viele Weihnachtsfeiern auszurichten. Wir alle wissen, wieso das nicht geht. Doch Blumers denkt nicht daran, deswegen Trübsal zu blasen. Er bleibt positiv gestimmt.
Meine Vorspeise kommt schon sehr schnell nach meiner Bestellung. Das Gänsemenü startet mit einer Ziegenkäse-Quitten-Quiche. Serviert mit Feldsalat, Pumpernickel und Kürbiskernkrokant. Ich bin begeistert. So rund und stimmig hätte ich das vegetarische Gericht nicht erwartet. Die Quiche ist ein Gedicht. Die feine Süße der Quitte harmoniert wunderbar mit dem cremigen Ziegenfrischkäse.
Hier deuten sich schon sehr die Kreativität und die Handschrift des jungen Chefs ab. Wir sprechen über Philosophie und Motivation seiner Küche. Vieles baut er mit seinen Eltern auf eigenen Feldern selbst an und verarbeitet es dann auf der Ebernburg. Rote Bete, Birnen, Quitten, Kohlrabi, Topinambur und Knoblauch kommen aktuell aus eigenem Anbau. Und was zugekauft werden muss, kommt dann von lokalen Bauern und Erzeugern aus der Region. So nachhaltig wie möglich und ohne großen Verpackungsmüll oder lange Transportwege.
Das ist Blumers wichtig. So unterstützt er nicht nur die Region und die hiesige Infrastruktur, auch bleibe die Kaufkraft in der Region. Selbst das Fleisch kommt von regionalen Betrieben, Wild aus heimischer Jagd, die Gänse aus Freilandhaltung im Hunsrück. Somit bestimmt auch die Verfügbarkeit an Produkten die Speisekarte, die auch mal alle vier Wochen wechseln kann. Zwischendurch muss der Chef in die Küche.
Recht voll ist es jetzt und ich löffele eine kräftig abgeschmeckte Suppe von Kräuterseitlingen. Die Pilzsuppe ist schön sämig, hat eine feine Säure, und als Einlage dienen ein paar Granatapfelkerne, etwas geräucherte Entenbrust und ein wenig Hokkaidokürbis. Blumers mag die Liaison von Süß und Herzhaft. Mittlerweile habe ich den ersten Wein im Glas. Einen trockenen Riesling hat man mir empfohlen. Vom rheinhessischen Weingut Schweickardt aus Appenheim. In der Mehrzahl sind aber immer noch die Nahe-Gewächse, und alle zu sehr fairen Preisen.
Der Hauptgang naht und wird mir vom Chef persönlich serviert. Optisch ein Hingucker. Eine zart geschmorte Gänsekeule, die auf grünen und orange-gelben Gnocchi ruht. Grün durch Spinat und Rucola, Kürbis sorgt für die orange Farbe. Ein recht grob geschnittenes Rotkraut mit leichtem Biss und ein paar Maronen bilden die weiteren Beilagen. Und als wäre eine klassische, sehr kraftvolle Gänsesoße nicht genug, serviert der Chefkoch noch eine Orangensoße dazu. Eine großartige Interpretation des klassischen Gerichts. Als Wein bekomme ich einen Pfälzer Spätburgunder, Siegerwein der Landesweinprämierung 2020, vom Weingut Darting in Bad Dürkheim.
Wer mehr auf Burgen- und Rittergefühl steht, kann sich auf das Ritterzimmer freuen. Hier ist es deutlich rustikaler. Die Tische sind aus abgeflämmtem Eichenholz, die Stühle dazu passend und die Beleuchtung eher dezent. Eine Ritterrüstung wacht über den Raum, der Platz für bis zu 38 Personen bietet. In den Sonnenmonaten laden draußen Plätze für bis zu 90 weitere Personen ein. Auch für Wanderer und Ausflügler ist man gewappnet.
Mein Menü wird dann mit einem warmen Schokoladenkuchen mit flüssigem Kern und einem Rote-Bete-Eis mit Orangensalat zum Abschluss gebracht. Auch hier findet sich wieder das Herzhafte neben dem Süßen. Jean-Luc Blumers findet noch mal ein paar Minuten, um mit mir ins Gespräch zu kommen.
Was denn die Herausforderungen im Gastgewerbe sind, möchte ich von ihm wissen. Sofort fallen ihm Personalmangel ein und die miese Preiskultur. Dass viele Bürger ein gutes Essen immer noch nicht richtig wertschätzen und keinen angemessenen Preis dafür zahlen wollen. Aber auch die Ausbildung zum Koch und zur Köchin habe stark nachgelassen. Da spricht er leider auch aus Erfahrung. Er selbst bildet aktuell zwei Kochazubis aus, die mehr machen dürfen als nur Kartoffeln zu schälen. Und er weiß, dass er mit seinem eingeschlagenen Weg nicht den einfachsten geht. Doch ist er überzeugt von seinem Konzept, glaubt an die gelebte Nachhaltigkeit und das wachsende Umdenken in der Gesellschaft. Der Sommer hat es bewiesen.
Mehr Veranstaltungen geplant
Künftig möchte Blumers mehr Events anbieten. Mehr den Bezug zur Burg, zum Rittertum und zur Region finden. Ein Rittermarkt schwebt dem Gastronomen unter anderem vor. Die Leute verlangen so etwas, ist er sich sicher. Bis es so weit ist, dauert es allerdings noch ein wenig. Was man allerdings jetzt schon mitnehmen kann, sind nette, leckere Stunden im Restaurant „Freigeist“ auf der Ebernburg. Jean-Luc Blumers bietet eine kreative regionale Küche, die so kein zweites Mal im Naheland zu finden ist. Regional und nachhaltig dazu. Von Donnerstag bis Sonntag kann man sich selbst davon überzeugen.