Eine knifflige Aufgabe hatte der Jäger Klaus Nieding vor einigen Tagen in seinem Jagdrevier in Bad Sobernheim zu lösen. Ein Spaziergänger hatte nämlich einen Muffelwidder entdeckt, der sich mit seinem Vorderlauf in einem Haselnussstrauch verfangen hatte und sich nicht mehr befreien konnte. Das Tier hatte es offenbar auf das knospende Grün des Strauchs abgesehen, so Nieding, und war bei jedem Versuch, sich freizukämpfen, mit dem Bein tiefer in eine Astgabel gerutscht.
Nieding brauchte nach der Alarmierung eine Weile, um das Tier zu finden, das sich unweit der L376 zwischen Friedenseiche und Lohmühle in seine missliche Lage gebracht hatte. Als er den etwa zweijährigen Widder entdeckte, hing er bewegungslos an seinem nach oben gestreckten Lauf, der sich verklemmt hatte. „Er gab keine Lebenszeichen von sich und ich dachte, er ist tot“, schildert er im Gespräch mit dieser Zeitung. Es sei bekannt, dass Muffelwild eine begrenzte Stressverarbeitung hat und an zu viel Aufregung versterben kann. Zudem waren sicherlich drei oder vier Stunden vergangen, in denen er um sein Leben gekämpft hatte.
Rettung oder Fangschuss?
Umso überraschter war Nieding, als das Tier die Augen aufschlug und ihm entgegenschaute – und dass das eingeklemmte Bein unversehrt aussah. Das brachte den erfahrenen Jäger in die Bredouille, denn ein Fangschuss war nun nicht mehr das Mittel der Wahl.
Zwar darf Muffelwild derzeit gejagt werden, um dessen übergroße Population in Raum Bad Sobernheim und Kirn einzudämmen. So gilt bis Ende Juli die Aufhebung der Schonzeit und es ist erstmals auch die Jagd in der Nacht mithilfe von Nachtsichtgeräten und Taschenlampen zulässig, lautet eine Allgemeinverfügung der Oberen Landesjagdbehörde. Das Muffelwild schadet jungen Bäumen durch massiven Verbiss und hatte beispielsweise den Meckenbacher Hang bei Kirn nahezu komplett gerodet, sodass der Hang bei Starkregen ins Rutschen kommt.

Andererseits sieht das Jagdrecht vor, dass Tiere bei der Jagdausübung erlegt werden müssen – und eben nicht dann, wenn sie in hilfloser Lage sind: „Es gelten die Grundsätze der Waidgerechtigkeit.“ Das Tier müsse eine faire Chance haben und der Tierschutz beachtet werden, sagt der Jäger, der als Jurist einen genauen Blick auf die gesetzlichen Vorgaben hat.
„Ich habe mich dann ins Auto gesetzt und erst noch einmal nachgelesen, welches Vorgehen richtig ist“, schildert er. Schnell wurde ihm klar, dass es nicht waidgerecht sei, den Muffelwidder in dieser Situation zu erschießen. Hinzu kam, dass das Fleisch durch den Stress ungenießbar gewesen wäre und das Tier komplett hätte entsorgt werden müssen, was in keiner Weise nachhaltig wäre. „All das ging mir bei meiner anwaltstypischen Abwägung der Argumente in Sekunden durch den Kopf“. Zudem habe ihn der Widder angeschaut, sodass er es nicht übers Herz gebracht hätte, die Befreiung nicht zumindest zu versuchen.
Befreiung gelingt mit Helfern
Dafür holte er sich Hilfe durch seine Tochter und deren Freund. Zu dritt gelang es ihnen, sich dem aufgeregten Widder zu nähern und ihm eine Decke über den Kopf zu werfen. Tochter Wiebke hielt die Decke fest, ihr Freund setzte sich auf die Hinterläufe, um ein Ausschlagen zu verhindern, und Nieding schaffte es mit einiger Mühe, den eingeklemmten Lauf zu befreien. „Während der gesamten Prozedur rührte sich das Tier nicht.“ Schließlich konnten die Helfer die Decke wegziehen und gleichzeitig vorne und hinten loslassen – und sich selbst in Sicherheit bringen.
Vorderlauf war unversehrt geblieben
Zum Happy End gehört es, dass der Vorderlauf des Widders während seines Befreiungskampfes tatsächlich unverletzt geblieben war, und er nicht doch noch erlöst werden musste. Das zeigte sich, als der Muffel nach der Befreiung sofort wegsprang. „Anfangs hat er seinen Lauf geschont, doch schon nach drei, vier Schritten konnte er ihn voll belasten.
„Es ist ein gutes Gefühl, der Kreatur geholfen zu haben“, betont Nieding. „Der bestehende Jagddruck darf nicht dazu führen, dass wir uns wie Schädlingsbekämpfer aufführen und jegliche Empathie oder Mitleid mit der Kreatur verlieren.“