SPD-Fraktionschef an der Nahe
Mützenich in Kreuznach: Merz hat zu viel Trump geschaut
SPD-Direktkandidat Joe Weingarten und Rolf Mützenich, Chef der SPD-Fraktion im Bundestag, nahmen sich im "Brauwerk" auch die AfD vor. Über ein Verbotsverfahren müsse man laut nachdenken.
Thomas Haag

Ein bisschen Schützenhilfe in der heißen Phase des Wahlkampfs kann auch Verteidigungspolitikern wie Joe Weingarten (SPD) nicht schaden. Am Dienstagvormittag weilte Rolf Mützenich, Fraktionschef der Sozialdemokraten im Bundestag, an der Nahe. Im „Brauwerk“ im Salinental diskutierte Mützenich mit SPD-Mitgliedern und Vertreter von Gewerkschaften.

Eines wurde dabei klar: Die SPD ringt mit sich und ihrer Rolle. Laut Demoskopen bei rund 15 Prozent stagnierend, weiß man nicht so recht, wie man mit dieser neuen Situation umgehen soll. „Zuvor hieß es, man sei froh, wenn die Sozialdemokratie aus der Regierung fliege. Jetzt höre ich wieder, dass man uns braucht und will, dass wir Verantwortung übernehmen sollen“, resümierte der Fraktionschef, wohlwissend, dass man sich recht schnell am Verhandlungstisch wiederfinden könne.

Sein Verhältnis zu Friedrich Merz hat Risse erlitten

Der 65-jährige Kölner ist studierter Politikwissenschaftler und eher dem linken Parteiflügel zuzurechnen – am anderen Ende des Spektrums befindet sich dort Joe Weingarten, der dem konservativen Seeheimer Kreis angehört. Beide pflegen ein gutes Verhältnis zueinander. Ein ähnliches wurde Mützenich lange Zeit auch zu CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz nachgesagt. „Als Fraktionschef muss man gesprächsbereit sein, vor allem mit dem Anführer der Opposition. Wir waren immer in guten Gesprächen. Das war nicht immer einfach, aber notwendig“, beschreibt er. Nicht umsonst habe der Bundeskanzler das Duo beauftragt, nach einem Termin für die Neuwahl zu suchen.

„Das, was da passiert ist, ist nicht spurlos an mir vorbeigegangen.“
Rolf Mützenich zur CDU-Abstimmung mit der AfD

Eine Zäsur habe dieses eigentlich vertrauensvolle Verhältnis dann aber nach der Abstimmung der CDU gemeinsam mit der AfD in Sachen Migration erfahren. „Das, was da passiert ist, ist nicht spurlos an mir vorbeigegangen. Das hat das Vertrauen tangiert“, beschreibt er. Dass Merz mit der Abstimmung das „Tor zur Hölle“ aufgestoßen habe, diese Wortwahl bereue er nicht. Es sei ein drastisches Bild gewesen, das er bewusst gewählt habe. „Ich habe Herrn Merz mehrfach davor gewarnt, mit der AfD ein Gesetz zu beschließen, das sowieso keine Mehrheit im Bundesrat finden wird. Er muss sich fragen lassen, ob es das wert war.“ Menschen, die schon mal eine Demo gegen die AfD organisiert haben, wüssten, dass es für sie die Hölle war, weil die AfD politische Gegner unter Druck setze. Generell habe er den Eindruck: „Merz hat zu viel Trump geschaut.“

Baumann-Rede hat zu Umdenken geführt

Das Auftreten der AfD, vor allem die Rede von Bernd Baumann, habe auch bei Joe Weingarten für ein Umdenken gesorgt. „Ich war lange skeptisch, was ein AfD-Verbot betrifft, aber dieser SA-Ton, der da angeschlagen wird, lässt mich jetzt anders denken.“ Ein neues Verbotsverfahren müsse aber wohl überlegt sein, sonst nütze sie der AfD bloß. Mützenich fühlte sich bei der Baumann-Rede an jene erinnert, als von den Nazis das „Tausendjährige Reich“ ausgerufen worden sei.

Dass die SPD bislang nicht zur großen Aufholjagd in den Umfragen angesetzt habe, „geht nicht spurlos an mir vorüber“, sagte Mützenich. Die Hoffnung sterbe aber zuletzt. Mit wie viel Prozent der Zweitstimmen man zufrieden sei, will sich keiner der beiden entlocken lassen. „Wir standen auch im Sommer 2021 in den Umfragen nicht gut dar, aber wir kämpfen weiter“, so Weingarten. „Ich will eine starke SPD“, sagt Mützenich.

Top-News aus der Region