Bau "für die Ewigkeit" hielt nur 50 Jahre lang
Mombacher Hochstraße: Ein Fall für den Abrissbagger
Von der Mombacher Straße und aus Richtung Hauptbahnhof schwingt sich die Hochstraße in Richtung Autobahnanschluss und Schiersteiner Brücke.
Gisela Kirschstein

Mainz. Die Probleme mit maroden Brücken der 1960er-Jahre betrifft auch die Landeshauptstadt Mainz. Hier steht eine weitere Altbrücke vor dem Aus: Vom kommenden Montag an wird die Mombacher Hochstraße für den Verkehr voll gesperrt.

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„Das Bauwerk bereitet uns große Probleme“, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) am Mittwoch in Mainz. Seit 2015 habe die Stadt gewusst, „dass die Brücke abgängig sein wird“; jetzt sei das Risiko eines Weiterbetriebs zu groß geworden. „Der Zustand ist so schlecht, dass wir eine Befahrung einfach nicht mehr verantworten können.“

Die Mombacher Hochstraße verbindet den Autobahnanschluss von der Schiersteiner Brücke über eine Straße auf Stelzen direkt mit der Mombacher Straße, die hinter dem Mainzer Hauptbahnhof herauskommt. Gebaut wurde sie von 1966 bis 1969, in einer Zeit, als man die autogerechte Stadt plante. Die Hochstraße sollte Teil einer ganzen Stadtkerntangente werden, die über die Oberstadt und die Altstadt weitergeführt werden sollte – doch dazu kam es nie: Der Widerstand der Mainzer war zu groß.

Das Problem des genau 1,327 Kilometer langen Bauwerks: Es wurde in Spannbetonbauweise errichtet. „Man baute für die Ewigkeit, und die Ewigkeit hält 50 Jahre“, kommentierte Ebling trocken das Problem. Die Brücke ist bereits seit Jahren marode. 1980 sei ihr noch ein „guter“ Zustand bescheinigt worden, auch 2005 sei die Note der Brückenprüfer „noch gut“ gewesen. 2012 aber, nach einer Grundreinigung von Taubenkot, stellten die Prüfer gravierende Mängel fest – fortan war der Bauzustand nur noch „ungenügend“.

Die Stadt entschied sich gegen eine Sanierung. Die sei wegen der Materialien geradezu unmöglich, betonte der Leiter des Stadtplanungsamtes, Axel Strobach. Das liege nicht einmal an der Belastung durch Pkw: „Das Gewicht des Bauwerks an sich ist das dauerhafte Problem.“ Die Stadt hatte 2015 die Brücke bereits für Lkw gesperrt. Einen Vorschlag, sie als Radfahrtangente zu nutzen, lehnt die Stadt ab: Das Risiko sei zu groß.

Mit der Salzbachtalbrücke und deren Zusammenbruch vor knapp zwei Wochen habe das aber nichts zu tun, betonte Ebling. Die Sperrung und der Rückbau der Mombacher Hochbrücke seien lange geplant. Tatsächlich sollte die Hochbrücke schon zum 1. Mai gesperrt werden, doch der Ausbau einer wichtigen Kreuzung für den Ausweichverkehr war nicht rechtzeitig fertig geworden. „Wir haben immer gesagt, wir sperren erst, wenn die Nulllösung fertig ist“, betonte Strobach. Das sei nun der Fall.

Die „Nulllösung“ ist die Umleitung des Verkehrs über die Mombacher Straße unterhalb der alten Hochbrücke und von dort über die Zwerchallee zur Rheinallee. Die Mombacher Straße wurde dafür auf der Strecke unter der Hochbrücke von einer Einbahnstraße zu einer Zweiwege-Straße umgerüstet, Ampelsteuerungen an wichtigen Kreuzungen wurden optimiert.

Rund 10.000 Fahrzeuge nutzen derzeit die Hochbrücke in beide Richtungen; Anwohner der Mombacher Straße wie Einzelhändler Ulrich Drexler befürchten ein Verkehrschaos durch die Mehrbelastung der existierenden Straßen. Er teile den Optimismus nicht, dass das problemlos aufgefangen werden könne. „Wir sind fest überzeugt, dass die 10.000 Fahrzeuge gut aufgefangen werden können“, wehrte hingegen Strobach ab.

Mit der Sperrung ab dem 5. Juli beginne die Phase des „geordneten Rückbaus“, sagte OB Ebling und betonte: „Wir sprengen nicht.“ Die Brücke soll Stück für Stück rückgebaut werden. Einfach ist das nicht. Unter der Brücke verlaufen eine Schnellstraße, drei kreuzende Bahn- und eine Straßenbahnlinie, mehrere innerörtliche Straßen sowie private Bebauungen samt Gewerbebetrieben. Und ein Konzept für den Abriss gibt es noch nicht.

„Wir müssen erst einmal ein Büro finden, das uns ein Konzept erstellt“, räumte Strobach ein. Danach könne man die Maßnahme ausschreiben. Wann der Abriss starten kann, wann die Brücke gar weg ist – dazu wollte sich am Mittwoch niemand festlegen.

Allein die Verhandlungen mit der Deutschen Bahn über die Sperrung der Gleise haben „eine Vorlaufzeit von vier Jahren“, sagte Ebling. Die Kosten wurden auf 25 Millionen Euro geschätzt. „Diese Brücke wird mindestens fünf Jahre als totes Gebilde stehen bleiben“, befürchtet Anwohner Drechsler.

Von Gisela Kirschstein

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