In aufwendiger Recherchearbeit, die sich über zwei Jahre erstreckte, haben die Heimatforscher Karin Vesper-Stumm aus Mandel und Rudolf Schwan aus Hargesheim, die genealogischen Daten der jüdischen Familien, die früher in Argenschwang, Gebroth, Hergenfeld, Spabrücken, Spall und Wallhausen lebten, gesammelt. Daraus ergeben sich viele Einblicke in das Alltagsleben der jüdischen Landbevölkerung, wie die Autoren bei der Buchvorstellung im Schloss Wallhausen erklärten. Die Veranstaltung hatte unerwartet große Resonanz, wie Michael Prinz zu Salm-Salm für die Gastgeberfamilie erfreut feststellte. Über 60 Bürger aus Wallhausen und den Nachbarorten zeigten Interesse an dem Thema, außerdem zahlreiche Ortsbürgermeister, die Verbandsgemeindespitze, Landrätin Bettina Dickes, Superintendentin Astrid Peekhaus und der Vorstand der katholischen Kirchengemeinde Soonwald-Gräfenbachtal.
Argenschwang hatte eine Synagoge
„Das Thema ist aktueller denn je“, unterstrich Bürgermeister Markus Lüttger die Bedeutung der Arbeit von Vesper-Stumm und Schwan. Eine große Unterstützung war, dass die Autoren auf das Archiv der Familie Salm zurückgreifen konnte, betonte Schwan. Auch Thomas Emmert von der Verbandsgemeinde war ein unermüdlicher Zuarbeiter für das Buch. „Die Anfänge der jüdischen Gemeinden im Amt Wallhausen liegen im Dunkeln“, so Karin Vesper-Stumm. Die Landesherren, auch die Dalberger Herrschaft, regulierten die Ansiedlung von jüdischen Händlern zur Belebung der Wirtschaft, handelten auch das Schutzgeld mit ansiedlungswilligen Juden aus. Da Argenschwang die größte jüdische Gemeinschaft aufwies, entstand hier eine Synagoge, in den Dörfern mit kleinen jüdischen Gemeinschaften gab es ein Bethaus. Auch die jüdischen Friedhöfe, die traditionell außerhalb des Ortes angelegt wurden, geben noch Zeugnis von den früheren Gemeinden.

Mit der Ankunft der Franzosen und der Einführung des französischen Rechts und Verwaltung wurden die Juden zu gleichberechtigten Bürgern. Das förderte die Assimilation und umgekehrt achtete die christliche Bevölkerung das Brauchtum der Juden, man übernahm etwa notwendige Arbeiten am Sabbat für den Nachbarn. „Reformierte, Lutheraner, Katholiken und Juden lebten miteinander, stritten sich, vertrugen sich, machten Handelsgeschäfte, waren Nachbarn, waren zusammen in Vereinen aktiv, Kinder gingen zusammen zur Schule“, schilderte Schwan das Zusammenleben über die Jahrhunderte. Im 19. Jahrhundert wuchs die Gesamtbevölkerung, auch die jüdischen Gemeinschaften in den Dörfern erreichten ihren Höchststand.
Trotz Flucht keine Rettung
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts machte sich Abwanderung bemerkbar, auch von der christlichen Landbevölkerung gingen viele in Wirtschaftszentren wie das Ruhrgebiet oder in die USA. Als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen, beschleunigten die systematische Entrechtung und der Ausschluss aus dem öffentlichen Leben weitere Abwanderungen, vor allem junger Juden. Mit dem Pogrom der Reichskristallnacht, der im Amt Wallhausen erst am 10. November durch den NS-Kreisleiter Ernst Schmitt organisiert wurde, wurden die jüdischen Einwohner durch die Schlägertrupps, denen sich in manchen Ortschaften Anwohner anschlossen, in ihrer Existenz getroffen. Aus Argenschwang flohen die Familien Hirsch und Gamiel zuerst nach Luxemburg und dann nach Südfrankreich.

Dort wurden sie nach dem Einmarsch der Deutschen interniert, Eltern und Kinder wurden getrennt. Die Erwachsenen wurden deportiert und im Konzentrationslager ermordet. Die beiden Cousins Arnold Hirsch und Egon Gamiel konnten zunächst durch ein Kinderhilfswerk gerettet werden. Nach einem Jahr mit weiteren 48 Kindern in einer Internatsschule in Izieu, in der französischen Region Auvergne-Rhone-Alpes, wurden sie verraten und deportiert. „Das Buch macht auch nachdenklich und traurig, klagt aber nicht an. Wir alle wollen Versöhnung und Versöhnung braucht Erinnerung“, fasste Schwan das Anliegen der Autoren zusammen.