Zwei Konzerte zur gleichen Zeit in nur wenigen Metern Entfernung, das mag in einer Metropole wie Berlin oder einer Großstadt wie Frankfurt angehen, in Bad Kreuznach ist es ein Unding. So hatte der Musikinteressierte die Qual der Wahl, in die Pauluskirche zum Konzert mit der Klarinettistenlegende Giora Feidman zu gehen oder sich das Sinfonieorchester Rhein-Main mit Filmmusik im Kurhaus anzuhören, wobei Letzteres dem Vernehmen nach terminmäßig schon seit mehr als einem Jahr an feststand. Obwohl das Kirchenkonzert nur unzureichend beworben war – man musste sich schon bemühen, um in Kreuznach ein Plakat zu finden -, hatten sich dann doch relativ viele Zuhörer in der Pauluskirche eingefunden und ließen sich verzaubern von der Ausstrahlung und der einzigartigen Klarinettenkunst des Giora Feidman.
Seufzen, schluchzen, juchzen
Es ist dieser Klarinettenton, der sein Spiel so unvergleichlich macht. Er scheint direkt aus der Seele zu kommen, die klangliche Bandbreite reicht vom hauchzarten, fast körperlosen Pianissimo bis hin zum schrillen Forte, wie es typisch für Klezmermusik ist. Das Instrument ist damit eigentlich nur das Medium für den Gesang – entsprechend der ursprünglichen Bedeutung des Wortes „Klezmer“ (Gefäß, Werkzeug). Typisch sind die Glissandi, die Schluchzer und Seufzer, man hat den Eindruck, die Klarinette vermöge zu jauchzen und zu weinen.

Die meisten Stücke im Programm waren israelische Traditionals, überwiegen getragen, ausdrucksvoll, melancholisch, berührend. Daneben gab es auch rhythmisch pulsierende, tänzerische Stücke, die von Giora Feidman temperamentvoll vorgetragen wurden – um so erstaunlicher, wenn man sein Alter von 89 Jahren bedenkt. Von daher verdient es Bewunderung, wie souverän er ein Programm von gut 90 Minuten Dauer meistert.
Funke springt von Anfang an über
Eine wertvolle Stütze ist ihm dabei Vytis Šakūras am Klavier, einfühlsamer Begleiter, wichtiger Impulsgeber und ausdrucksstarker Gestalter. Giora Feidman ist auf seinen Tourneen mit unterschiedlichen Ensembles unterwegs. In diesem Konzert als „Feidman Duo“, das den Schwerpunkt ganz auf die Klarinette verlegt, wodurch die Gestaltungsfähigkeit der Musiker besonders gefordert ist. Und in dieser Beziehung leistete das Duo Überragendes. Über das gesamte Programm hin blieb die Spannung hoch, wurde das Publikum in den Bann der Musik hineingezogen.
Der Funke war bereits beim ersten Stück „Shalom chaverim“ (Friede Brüder) übergesprungen, die Begeisterung der Zuhörer steigerte sich von Stück zu Stück. „Shalom chaverim“ bezeichnet auch das Motto des gesamten Konzertes, der gesamten Tournee, die unter der Überschrift „Revolution of love“ steht. Für Feidman steht das für den „Traum einer Welt des Friedens“. Daran mitzuarbeiten ist ihm das wichtigste Anliegen seines musikalischen Wirkens. Dafür nimmt er die Strapazen einer großen Tournee durch zahlreiche in- und ausländische Städte auf sich. Seine vorige Tournee in den Jahren 2012 bis 2024 umfasste mehr als 220 Konzerte. Und das dürfte bei „Revolution of love“ nicht anders sein.