Millionenklage wegen Pfusch am Bau bei Wohnanlage in der Kurhausstraße: Die juristische Aufarbeitung zieht sich hin
Millionenklage bei Kreuznacher Wohnanlage: Das lange Warten auf den Prozessbeginn
Christina Müller vor dem Neubau in der Kurhausstraße. 15 Aktenordner füllen die Unterlagen in dem Baustreit, seit im September 2013 der Spatenstich an dem Neubauprojekt war. Die Wohnanlage ist inzwischen fertig, die juristische Aufarbeitung ihrer Schadensersatzklage zieht sich aber hin.
Harald Gebhardt

Bad Kreuznach. Erst war es eine Endlosbaustelle, bei der es einfach nicht vorangehen wollte, jetzt schleppt sich der Beginn der juristischen Aufarbeitung des Pfuschs am Bau seit Jahren hin.

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Der Neubau der Wohnanlage Solitär in der Bad Kreuznacher Kurhausstraße 15 hat Bauherrin Christina Müller schon einige schlaflose Nächte bereitet und viele Nerven gekostet. Sie musste auch viele Anfeindungen über die Dauerbaustelle im Kurviertel über sich ergehen lassen.

Der Neubau ist nun seit Anfang 2021 fertiggestellt, die sechs Wohnungen in den Obergeschossen und die Ladenflächen für zwei Geschäfte im Erdgeschoss sind bezugsfertig. Schon vor sieben Jahren, am 9. November 2015, hat Christina Müller Klage eingereicht, damals wegen „Zahlung auf Kostenvorschuss wegen Baumängeln“. Im Juni 2016 scheiterte vor der dritten Zivilkammer des Kreuznacher Landgerichts aber der Versuch des damaligen Vorsitzenden Richters Dr. Matthias Friedrich, eine gütliche Einigung herbeizuführen. Die Bauherrin wollte von der Firma, die den ersten Rohbau errichtete, vorläufig einen hohen sechsstelligen Betrag, um den „Pfusch am Bau“ zu beseitigen. Der erste Neubau musste wegen gravierender Mängel in der Bauausführung im Bereich Außenwände, vor allem aber beim Brandschutz, wieder zurück- und neu gebaut werden. Das von ihr deshalb beklagte Bauunternehmen kündigte damals seinerseits eine Widerklage an und verlangte einen Betrag in Höhe von 315.000 Euro.

Finanziell in Vorleistung getreten

Heute bringt Christina Müller die Vorschussklage natürlich nichts mehr. Denn der Neubau ist im zweiten Anlauf nun fertiggestellt. Damit das Bauprojekt aber vorankam und das Ganze nicht als Bauruine im Kurviertel endete, musste sie finanziell in Vorleistung treten. Jetzt fordert sie Schadensersatz, so auch für den Mietausfall. Denn ursprünglich sollte der Bau Ende 2014 bezugsfertig sein. Bei dem Streit geht es um eine Forderung in einstelliger Millionenhöhe.

Mehr als sechs Jahre lang wartet die Bauherrin nun darauf, dass das Verfahren vor Gericht endlich beginnt. Nach dem gescheiterten Gütetermin im Juni 2016 wurde für den 1. April 2022 ein Termin zur Hauptverhandlung angesetzt. Er wurde dann auf den 8. Juli verschoben – wegen Besetzungsproblemen der Zivilkammer, weil ein Strafverfahren Vorrang hat. Dieser wurde erneut gecancelt, wieder wegen eines Strafverfahrens, der nächste auf den 18. November terminiert. Wenige Tage vorher bekam Müller erneut eine Absage, diesmal wegen Erkrankung eines Beisitzers. Nun soll es am 17. März 2023 losgehen.

Gravierende Mängel bei Brandwänden

Dass die massiven Probleme beim ersten Neubau durch Pfusch am Bau entstanden sind, steht für die Bauherrin außer Frage. Die gravierenden Baumängel, vor allem bei den Brandwänden, hätten Gutachten und Sachverständige hinreichend und ausreichend belegt. Im Februar 2017 schreibt ihr die Bad Kreuznacher Bauverwaltung dazu: „Gemäß der erteilten Baugenehmigung ist eine Brandwand unter Einhaltung der DIN 4102 erforderlich. Inwieweit die eingebaute Wand beziehungsweise das Fertigelement der DIN 4102 entspricht, muss der zuständige Prüfingenieur überprüfen. Die einzubauende Brandwand muss somit feuerbeständig hergestellt werden und aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen, sie muss so beschaffen sein, dass diese bei einem Brand ihre Standfestigkeit nicht verliert und die Ausbreitung von Feuer auf andere Gebäude oder Gebäudeabschnitte verhindert. Dies bedeutet, dass die Brandwand von beiden Seiten diese Anforderung besitzen muss.“

In einer technischen Rückfrage zum Brandschutz schreibt Müller an das Deutsche Institut für Bautechnik in Berlin: „Die Baubehörde, diverse Fachleute und ich, wir sind alle der Meinung, dass das Wandsystem keiner Brandwand entspricht, weil das explizit in der Zulassung stehen müsste, wenn es eine Brandwand ist, zumal dann auch die DIN 4102-3 mit aufgeführt werden müsste, was aber nicht der Fall ist.“ Dazu teilt ihr das Institut mit: „In dem von Ihnen angeführten Bescheid vom Februar 2015 wird keine Aussage getroffen, dass die geregelte Wandbauart dort angewendet werden darf, wo die bauaufsichtliche Anforderung ,Brandwand' gestellt wird. Sofern die Erfüllung dieser Anforderung im Rahmen eines Zulassungsverfahrens vom Antragsteller beantragt und nachgewiesen wurde, wird dies explizit im Bescheid ausgeführt.“

“Ich werde um mein Recht kämpfen"

„Ich werde um mein Recht kämpfen“, gibt sich Müller im Gespräch mit dem „Oeffentlichen“ selbstbewusst. Sie habe den „Pfusch am Bau“ selbst aufgedeckt und sei „dabei auch einigen auf die Füße getreten“. Das weiß sie. Eigentlich wollte sie gar nicht vor Gericht gehen, betont sie. Schon vor dem Gerichtstermin im Juni 2016 habe sie ihrerseits alle Beteiligten zu einem Gespräch eingeladen, um außergerichtlich zusammen mit der Baubehörde eine Lösung zu finden. Doch ohne Erfolg, weil die Hauptbeteiligten nicht kamen.

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