Matthias Deutschmanntrat in der Loge auf
Matthias Deutschmann in der Kreuznacher Loge: Kabarett mit beißender Ironie und Tiefgang
Der Kabarettist und sein Cello: Deutschmann in der Loge
Harald Gebhardt

Bad Kreuznach. Schwarzes T-Shirt, dunkle Jeans, rote Sneaker und ein Cello, sein Markenzeichen: Kaum hat Matthias Deutschmann die Bühne in der früheren Freiermauerloge betreten, greift er in die Cello-Saiten, stimmt die englische Nationalhymne an und legt vor vollem Haus gleich los: Der perfekt inszenierte Wahnsinn der Queen-Beerdigung, bei der „das ganze Imperium mal wieder da war“, nutzt er als Ouverture.

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„Die Bundeswehr hätte das nicht so hinbekommen“, ist er überzeugt. „Von der Fußball-Nationalmannschaft ganz zu schweigen – auch weil sie gar nicht wüssten, wen sie in den Sarg legen sollten.“ Dabei habe die Queen bis zuletzt gekämpft, um einen König Charles zu verhindern. Im Alter von 73 Jahren werde man üblicherweise Papst oder Fifa-Präsident. Oder mache eine andere kriminelle Karriere.

Die Corona-Pandemie hat auch den Kabarettisten schwer zugesetzt. Kaum noch Auftritte. Deshalb habe er sich ein zweites Standbein zugelegt, eine Consulting-Firma gegründet. Denn Beratung ist en vogue – für alles und jeden. Und was lag da näher für den bekennenden Faust-Fan, als sein neues Soloprogramm, das er auf Einladung der Stiftung Kleinkunstbühne präsentierte, „Mephisto Consulting“ zu nennen. Wenn also die Stadt Bad Kreuznach (satirische) Beratung brauche...

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Matthias Deutschmann

„Propagandafrüherkennung“ ist das andere: Er manövriert sich durch Gesellschaft, Politik, Zeitenwende, schießt seine Satirepfeile ab. Die treffen ins Schwarze, versprühen ihr Gift mal mehr, mal weniger. Der 64-jährige Vollblutkabarettist alter Schule ist in Hochform: humorvoll, souverän, mit feinsinnigen Pointen, Tiefgang, Witz, beißender Ironie, schwarzhumorig – und immer hochpolitisch. Von wegen Sondervermögen! Bei der Bundeswehr sei das Unvermögen. „Wenn jetzt der ADAC angreifen würde, die gelbe Gefahr, dann müssten wir bei der Ukraine um Waffenrücklieferung bitten.“ Und wer soll die Jungs aus Mali rausholen? „Schicken wir die Toten Hosen oder die Bösen Onkelz?“

Der Mann am Cello

Der Mann am Cello philosophiert (nomen est omen) über das Deutschsein, das Unfaire von schwarz-weißen Schachfiguren oder Klaviertasten, macht aus Creedence Clearwater Revivals „Bad Moon Rising“ einen Apokalypse-Song. Von Mikroaggressionen ist die Rede, und von einem Saferoom: „Da können Sie Rescue-Tropfen zu sich nehmen, wenn Sie es nicht mehr aushalten.“ Immer wieder variiert er sein Programm, aktualisiert es, etwa zur Reichsbürger-Razzia samt Putschversuch – „ausgerechnet Heinrich XIII, König von Deutschland. Rio Reiser würde sich im Grab umdrehen.“ Und spinnt das Thema weiter: „Das gibt ein Musical.“ Natürlich bekommt auch die aktuelle Politikszene ihr Fett weg: „Die SPD war immer am besten, wenn sie verboten war.“ Die Ampel gleiche eher einer Lichtorgel, „doch wenn sie ausgeht, gilt wieder rechts vor links.“

Anders als etwa Dieter Hildebrandt, der ein Meister der abgebrochenen Sätze war, „verhaspelt“ sich Deutschmann nicht. Seine Gedanken sind ausformuliert. Die Pausen müssen zum Nachdenken ausreichen. Das eine ums andere Mal schwankt der Zuhörer unwillkürlich, ob er nun applaudieren, herzhaft lachen, sich aufregen oder beschämt-betroffen schweigen soll. Deutschmann amüsieren die Reaktionen auf seine Spitzfindigkeiten. Er reagiert auf Zurufe. Zwei Stunden dauert das unterhaltsame, hochklassige Programm. Eine Zugabe schenkt er leider nicht. Am Applaus lag's nicht ...

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