Alarmkette soll freie Impfstoffkontingente für Aktive sichern: Landrätin Dickes sagt Ehrenamtlichen ihre Unterstützung zu
Mangel an Corona-Impfstoff: Feuerwehr behilft sich mit Hotline
Die Zahl an Bränden, Unfällen und technischen Hilfen nimmt stetig zu – auch im Kreis Bad Kreuznach. Umso mehr Priorität für die 2500 ehrenamtlichen Feuerwehrleute, dass sie rasch geimpft werden.
VG-Feuerwehr Rüdesheim

Im Bund wird's vergeigt, an der Basis schlagen die Folgen auf: Der Mangel an Corona-Impfstoff lässt jetzt auch die wartenden Feuerwehren immer lauter protestieren (wir berichteten zuletzt am 19. Mai). Was sich alle fragen: Wann werden die Einsatzkräfte in Zeiten steigender Zahlen an Bränden, Unfällen und technischen Hilfen endlich geimpft?

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Ihr Protest kommt nicht von ungefähr, er orientiert sich am täglich geforderten Tun. Und das sieht vor allem die Rettung von Menschenleben vor. Abstand halten? Unmöglich. „Wir können uns nicht aussuchen, mit wem wir Kontakt haben“, beschreibt etwa Christian Vollmer, Leiter der Feuerwehren in der Verbandsgemeinde Rüdesheim mit rund 615 Ehrenamtlern in 32 Dörfern, die brenzlige Situation.

Onlinerunde der VG-Wehrleiter

Nicht auszudenken, wenn sich eine größere Zahl an Feuerwehrleuten bei einem Einsatz infiziert. Dann steht am Ende der gesamte Katastrophenschutz zur Disposition. Am Donnerstag verständigten sich die VG-Wehrleiter des Kreises Bad Kreuznach mit Landrätin Bettina Dickes und Brand- und Katastrophenschutz-Inspekteur (BKI) Werner Hofmann in einer 30-minütigen Onlinekonferenz daher auf eine Art Hotline und Alarmkette, die die momentane Impfstoff-Mangelwirtschaft überbrücken helfen soll. So recht glücklich ist damit niemand. Doch was ist die Alternative?

Hotline/Alarmkette heißt: Benjamin Hilger, Leiter des Impfzentrums im ehemaligen Real-Markt Bad Sobernheims, wird im Falle, dass Impfstoff übrig sein sollte oder ein größeres Kontingent wegen unvorhergesehenen Absagen frei wird, eine ihm gemeldete Telefonnummer in Feuerwehrkreisen kontakten. Der Erreichte gibt diese Info weiter und setzt damit Feuerwehrleute, egal aus welcher Ecke des Kreises Bad Kreuznach, umgehend nach Bad Sobernheim in Marsch. Wichtig: Kein einziger Termin mit Menschen aus den Priogruppen 1, 2 oder 3 werde für die Impfung der Feuerwehren abgesagt oder verschoben. Eine Konkurrenzsituation soll auf keinen Fall entstehen, wird betont. Schon vor Tagen hatte BKI Hofmann seinen Unmut geäußert: Alles werde geimpft – Polizei, Rettungs- und andere Hilfskräfte. Nur die Feuerwehren blieben außen vor. Dabei drängen gerade die ehrenamtlichen Aktiven, 2500 davon sind in Stadt und Kreis Bad Kreuznach fast täglich im Einsatz, auf eine schnelle Immunisierung und sehen sich in Priogruppe 3 als zu weit hinten angesiedelt. Verschärft habe Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Lage, als er die Aufhebung der Priorisierung ab 7. Juni ankündigte. Dadurch fühlten sich die Feuerwehrleute erst recht zurückgesetzt, so der BKI.

Die Kritik richte sich an den Bund und nicht an die örtlichen Stellen, sei es die Landrätin oder das Impfzentrum, betont Hofmann. Die vom Land am Donnerstag vorgeschlagene Nachrückerlösung für Feuerwehrleute hält der BKI für wenig zielführend: „Dann dauert es bis in den September oder Oktober hinein, ehe unsere letzten Feuerwehrleute geimpft sind.“

In ihrer Pressemitteilung zu den „Nachrückerlisten“ wollten Innenminister Roger Lewentz und Ministerialdirektor Daniel Stich (beide SPD) auch auf Priogruppe 3 hinweisen, in der sich Aktive seit dem 23. April registrieren lassen können. Zudem könnten Kommunen in Impfzentren oder Teststellen eingesetzte Feuerwehrleute bei Terminabsagen oder unerwarteten Überkontingenten vorziehen.

CDU geißelt „Sonntagsreden“

Die Landes-CDU erinnerte in einer Pressemitteilung am Freitag: „Kurz vor der Wahl sollten die Feuerwehren noch in einem Hau-Ruck-Verfahren erst verpflichtet, dann gebeten werden, sich an der Entstehung von Testzentren als ehrenamtliche Helfer zu beteiligen. Offensichtlich sind die Aussagen der Landesregierung zur wichtigen Rolle der Feuerwehren und die Slogans, wie ,Wir tun was' fürs Ehrenamt, reine Sonntagsreden.“ Auf die Kritik von CDU-Landesvorsitzender Julia Klöckner („Dass Rheinland-Pfalz beim Impffortschritt eher im unteren Drittel der Länder zu finden ist, ist nicht den Impfstofflieferungen des Bundes geschuldet, sondern schlechter Organisation bei der Terminvergabe.“ Und: „Das Land lässt die Feuerwehren im Regen stehen.“) reagiert Dr. Denis Alt, SPD-Kreisvorsitzender und Staatssekretär unter anderem für Gesundheit: „Ich bin sehr dafür, dass ehrenamtliche Feuerwehrleute schnell gegen Corona geschützt werden.“ Sie leisteten einen unverzichtbaren Beitrag für das Gemeinwesen und brauchten schnell einen wirksamen Schutz. Mit ihren Äußerungen sei Bundesministerin Frau Klöckner jedoch „erstaunlich faktenfrei“ unterwegs.

1. RLP halte sich bei der Priorisierung strikt an die Bundes(!)impfverordnung. Danach sind Feuerwehrleute in die Gruppe 3 priorisiert. Eine weitere Priorisierung müsse die Ministerin mit ihren Kollegen im Bundeskabinett besprechen, so Alt.

2. Die Behauptung, jedes Land bekomme pro Einwohner gleich viel Impfstoff, sei falsch. RLP habe bislang 55,2 Dosen pro 100 Einwohner bekommen, Bremen 56,8, das Saarland 63,2. „Das liegt daran, dass Länder wegen besonderer Betroffenheit Extralieferungen bekamen, was auch in Ordnung war.“ Alt weiter: „Es wäre sehr zu begrüßen, wenn Frau Klöckner den Vorstoß von Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz unterstützen könnte, dass diese Minderlieferungen wieder ausgeglichen werden. Dies müsste Klöckners Kollege, Bundesminister Jens Spahn (CDU), veranlassen.“

3. RLP komme beim Verimpfen gut voran und liege im guten Mittelfeld bei der Gesamtmenge. Das könne man jedenfalls auf der Internetseite von Klöckners Kabinettskollegen Spahn nachlesen. Mit mehr Impfstoff könnte Rheinland-Pfalz auch mehr verimpfen.

4. Da die Priogruppe 3 geöffnet ist, bestehe die Option, gezielt und sehr schnell Feuerwehrleute mit den Impfstoffen zu versorgen, die tagsüber durch ausgefallene Termine ungenutzt blieben. Das habe die Kreisverwaltung Mainz-Bingen organisiert und könnte auch im Kreis KH so sein. Vorschriften stünden dem nicht entgegen. Allen Aktiven könne man nur raten, sich in der Priogruppe 3 zu registrieren.

Von unserem Redakteur Stefan Munzlinger

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