Kreuznacher Kreistag wägt ab
Lohnt die Klage gegen den Kommunalen Finanzausgleich?
Der Kreis Bad Kreuznach kämpft seit Jahren mit defizitären Haushalten, so auch beim Zahlenwerk von 2025. Ein Punkt darin: die Schlüsselzuweisungen des Landes. Dagegen erwägt der Kreistag nun Klage einzureichen. Aber wie könnte das konkret aussehen?
Markus Kilian

Es wäre ein umfangreiches Unterfangen, bringt aber möglicherweise den erhofften Geldsegen: eine Klage, um höhere Schlüsselzuweisungen zu erhalten. Das Kreisparlament wurde über Vor- und Nachteile informiert – und was Erfolg versprechen könnte.

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Fast ein halbes Jahr ohne Genehmigung, ein Minus von 16,46 Millionen Euro und dann eine Anhebung der ohnehin schon hohen Kreisumlage: So lesen sich die Diagnosen des Bad Kreuznacher Kreishaushalts, der sich auch in diesem Jahr wieder als Sorgenkind offenbart im (fast hoffnungslosen) Kampf gegen die Defizite. Hohen Aufwendungen unter anderem im Sozialen und für ÖPNV stehen zu wenig Einnahmen entgegen. Das soll sich ändern. So fordert der Kreistag nicht Symptom-, sondern Ursachenbehandlung, und zwar in Form üppigerer Zuschüsse vom Land. Offizieller Terminus des ersehnten Wirkstoffs: höhere Schlüsselzuweisungen im Kommunalen Finanzausgleich (KFA). Die seien einfach zu niedrig, so der Tenor. Doch wie soll man das erreichen? Notfalls muss eine Klage her.

Geldspritze aus Mainz mangelhaft?

Das wägt man zumindest derzeit im Bad Kreuznacher Parlament ab. Bereits im Frühjahr hatte der Kreistag die Verwaltung beauftragt, eine Klage gegen das Land wegen der aus Sicht des Kreistags mangelhaften Geldspritze zu überprüfen. Doch wie könnte das aussehen? Jürgen Hesch, Beigeordneter des Landkreistages, hat in seiner jüngsten Sitzung den Kreistag über Risiken und Nebenwirkungen einer möglichen Klage informiert.

„Die Berechnung der Mindestfinanzausstattung der Landkreise beruht auf den Jahren 2017 bis 2019 und wird daher der Wirklichkeit nicht mehr gerecht.“
Jürgen Hesch, Beigeordneter des Landkreistages Rheinland-Pfalz

Zunächst ein kurzer Blick in die Vergangenheit: Die Berechnung des Kommunalen Finanzausgleichs wurde zum Jahr 2023 reformiert. Bis dahin orientierten sich die Schlüsselzuweisungen an einem Prozentanteil bestimmter Steuereinnahmen des Landes, dabei war ein Aufwuchs der Landesleistungen im KFA um mindestens 1 Prozent garantiert (Verstetigungsmodell). Inzwischen bezieht sich die Berechnung auf die addierte Mindestfinanzausstattung der fünf Gebietskörperschaftsgruppen kreisfreie Städte, Kreise, verbandsfreie Gemeinden, Verbandsgemeinden und Ortsgemeinden (Bedarfsmodell).

Berechnung nicht mehr aktuell?

Allerdings: „Die Berechnung der Mindestfinanzausstattung der Landkreise beruht auf den Jahren 2017 bis 2019 und wird daher der Wirklichkeit nicht mehr gerecht“, sagt Hesch. Notwendig und erforderlich wäre demzufolge daher eine vorzeitige Evaluation im Zuge der KFA-Reform 2023. „Diese ist aber erst 2026 mit Wirkung ab 2028 vorgesehen.“ Das ist zwar auch gesetzlich so festgelegt, ein solches Zuwarten ließen die bis dahin zu erwartenden Haushaltsdaten der Kreise jedoch eigentlich nicht zu, sagt Hesch.

„Sie stehen mit dem Wunsch einer Klage nicht allein da.“
Jürgen Hesch, Beigeordneter des Landkreistages Rheinland-Pfalz

Eine der Hauptausgaben des Kreises Bad Kreuznach markieren Jugend- und Eingliederungshilfe. „Das sind Ausgaben, die wir auch landesweit nicht mehr kompensiert bekommen.“ Auch im Bereich Mobilität „laufen uns die Kosten massiv weg“, so Hesch, der betont: „Sie stehen mit dem Wunsch einer Klage nicht allein da.“ Landesweit erwägen auch andere Kommunen rechtliche Schritte.

Bereits 2019 hatten die Stadt Pirmasens und der Kreis Kaiserslautern beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde eingereicht, Gegenstand ist das Landesfinanzausgleichsgesetz (LFAG) 2014. Der Vorwurf: Das Land garantiere „den kommunalen Gebietskörperschaften keine Mindestfinanzausstattung unabhängig von der eigenen Leistungsfähigkeit“. Das Ergebnis erwartet man in der zweiten Hälfte dieses Jahres.

Die Kreise Cochem-Zell und Südwestpfalz haben sich vor Kurzem entschieden, diesen Weg zu beschreiten. Denn beide Kommunen haben im Vergleich zu den übrigen Kreisen zunächst relativ stark an Schlüsselzuweisungen verloren. Der Landkreistag indessen strebt eine Erstreckungserklärung an. Die soll die Ergebnisse der einzelnen Klageverfahren auf alle Kommunen übertragen. So will man eine Klagewelle vermeiden.

Klage – aber wogegen genau?

Und wie könnte der Kreis Bad Kreuznach gegen den neu gestalteten KFA 2023 vorgehen? Dafür stellt Hesch die Möglichkeiten der Gesetzesgrundlage dar: Die sogenannte abstrakte Normenkontrolle dagegen ist hinfällig, da die Frist dafür bereits verstrichen ist. Möglich wäre eine Klage wegen Verstoß gegen das Konnexitätsprinzip. Dieses besagt sinngemäß: Wer bestellt, bezahlt. Es soll sicherstellen, dass keine kostenintensiven Aufgaben vom Land auf die kommunale Ebene übertragen werden, ohne dass die Kommunen für diese Mehrbelastung vom Land einen entsprechenden Ausgleich erhalten. „Das ist aber schwierig“, ordnet Hesch ein.

„Es muss vorab alles getan worden sein, das Defizit vor Ort zu vermeiden oder zu reduzieren.“
Jürgen Hesch, Beigeordneter des Landkreistages Rheinland-Pfalz

Möglich ist zudem drittens: eine Klage gegen die Schlüsselzuweisungen, basierend auf dem LFAG 2023. Die Klagefrist beträgt ein Jahr ab Zustellung der Schlüsselzuweisungsbescheide. Notfalls müsste man sich durch die Instanzen des Landes klagen, das heißt vom Verwaltungsgericht über gegebenenfalls Oberverwaltungsgericht und den Verfassungsgerichtshof, notfalls bis hin zum Bundesverfassungsgericht.

Wie sind die Erfolgsaussichten?

Ist eine Klage ein Rezept mit Erfolgsaussichten? Das hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie Hesch erläutert. So müssen sich aufgrund der KFA-Neuregelung Negativentwicklungen eingestellt haben, überproportionale Kostensteigerungen allein sind nicht ausreichend. Auch der geeinte politische und tatsächliche Wille von Hauptverwaltungsbeamten ist wichtig. Eine Klage vorzubereiten und durchzuführen wäre ein umfangreiches Unterfangen, daher müsste man die Kämmerei personell und qualitativ aufstocken, rät Hesch. Auch eine erfahrene und qualitativ hochwertige Prozessvertretung zählt er als Erfolgsfaktor auf. Und: „Es muss vorab alles getan worden sein, das Defizit vor Ort zu vermeiden oder zu reduzieren.“

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