Streit Letztes verbliebenes Stadtratsmitglied der Linken will sich keiner anderen Fraktion anschließen - Kritik an Kleudgen
Letzter Linker im Stadtrat: Als Einzelkämpfer wird's für Locher schwer
Jürgen Locher Foto: Die Linke

Bad Kreuznach. Der Stachel sitzt bei Jürgen Locher noch tief: Nach dem Austritt von Wolfgang Kleudgen aus der Linken, der aber sein Mandat im Kreuznacher Stadtrat behalten hat und in die CDU-Fraktion wechselte, ist Locher nun Einzelkämpfer im Rat.

Die Linke hat ihren Fraktionsstatus verloren und ihre Sitze in den Ausschüssen. „So richtig verärgert und wütend“ ist Locher aber darüber, dass Kleudgen seinen Absprung auch mit Differenzen in der Kommunalpolitik begründet. Für Locher war damit eine Grenze überschritten. Aber: „Ich habe ihn nicht rausgeworfen. Er ist von sich aus gegangen.“

„Wo Linke draufsteht, muss auch linke Politik drin sein“, sagt Locher. Er hat kein Verständnis für Kleudgens Schritt und „180-Grad-Wechsel“. „Wenn man sich von diesen Positionen verabschiedet, muss man auch die Konsequenzen ziehen“, findet er. Sprich: sein Ratsmandat niederlegen.

Linke-Kreisvorsitzende Bianca Steimle stünde als Nachrückerin in den Startlöchern. Die größten Differenzen zwischen Kleudgen und Locher gab es in der Sparpolitik. „Die finanzielle Situation der Kommunen ist einfach schlecht. Das liegt an der Gesetzgebung von Bund und Land“, sagt Locher. „Ich bin als Linker nicht dazu da, diese schlechte Politik vor Ort auszubaden.“ So dürfe man die Ausstattung der Grundschulen nicht vom Sponsoring abhängig machen, wie es Kleudgen vorgeschlagen habe. Für Locher ist das eine prinzipielle Frage. Das fühle sich dann an, als bitte man um Almosen.

Kleudgens Wechsel sei „der größtmögliche Betrug am Wähler“, findet Locher. Denn bei der Kommunalwahl 2014 wurde, gemessen an den Wählerstimmen, die Linke die viertstärkste Kraft im Rat. Heute hat sie nicht einmal mehr Fraktionsstatus. Für Locher rührt ein Teil der Politikverdrossenheit bei den Bürgern auch daher, dass viele Ratsmitglieder längst nicht mehr für die Partei oder Liste im Rat sitzen, für die sie gewählt wurden. „Das schafft Frust bei den Leuten.“

Allerdings: Linke Politik in der Stadt sieht er nicht vor dem Aus. Er will auf jeden Fall weitermachen – vielleicht sogar über 2019 hinaus, lässt er durchblicken. Sein politisches Engagement hat er nicht verloren. Außerdem: „Es ist nicht so, dass wir auf einen Mann angewiesen wären“, gibt er sich kämpferisch. Gleichwohl weiß er, dass es für ihn nun schwieriger wird, etwas zu bewegen. Mit dem Verlust des Fraktionsstatus wird er quasi zum Bittsteller: Er kann kein Thema mehr auf die Tagesordnung setzen lassen, nur in der Ratssitzung selbst einen Antrag stellen. Auch der Austausch im Team mit etwa zehn Leuten, die für die Linke in den Ausschüssen saßen, so Robert Kämpf, Lochers Vertreter im Ausschuss für Stadtplanung, Bauwesen, Umwelt und Verkehr, fällt weg. Als Stadtratsmitglied kann Locher zwar weiter an den Ausschüssen teilnehmen, hat aber kein Stimmrecht. Sein Mandat niederzulegen, kommt für ihn gleichwohl nicht infrage. Den Anschluss an eine andere Fraktion sucht er nicht. „Das macht aus meiner Sicht keinen Sinn.“ Vermutlich würde es zu viel Energie kosten, um Linke Positionen umzusetzen.

Für Locher muss die Frage der Besetzung der Ausschüsse schnell geklärt werden, aus seiner Sicht noch vor der Sommerpause. „Mit zwei Abstimmungen im Rat kann man das klären“, sagt er – ohne die Mehrheitsverhältnisse in den Ausschüssen zu verschieben. Am Montag gibt es vor der Hauptausschusssitzung ein Beratungsgespräch mit den Fraktionschefs. In der Stadtpolitik will Locher auch als Einzelkämpfer im Rat weiter Akzente für die Linke setzen: bei der Umsetzung des Verkehrskonzeptes IVEK, bei der Entwicklung der Neustadt und auch in der Jugendpolitik. „Das Jugendamt muss bei der Stadt bleiben“, betont er. Auch das war ein Streitpunkt mit Kleudgen. „Der direkte Kontakt zu den Jugendlichen muss für eine Stadt von der Größe Bad Kreuznachs gegeben sein.“

Von unserem Redakteur Harald Gebhardt

Top-News aus der Region