Seltene Arten gefährdet
Lagerfeuer zerstört Lebensraum geschützter Arten
Allein von der streng geschützten Bechsteinfledermaus wurden mehrere Hundert im Kinnsfelstunnel gesichtet Auch Große Mausohren (Foto) und Mottenfledermäuse wurden regelmäßig dort beobachtet
Holger Hollemann/dpa. picture alliance/dpa

Ein entfachtes Lagerfeuer im Kinnsfelstunnel bei Oberhausen an der Nahe zerstörte das Winterquartier Hunderter seltener Fledermäuse. Kerstin Krämer vom Nabu warnt: Der Reiz verlassener Orte wird zur tödlichen Gefahr für bedrohte Arten.

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Dunkel, still und unscheinbar – so mögen viele den Kinnsfelstunnel wahrnehmen. Für seltene Fledermäuse war er ein idealer Rückzugsort. Doch diese geschützte Ruhe wurde gestört: Unbekannte zündeten in einem schmalen Versorgungsgang über dem Tunnel ein Lagerfeuer an. Dichter Rauch zog durch das Quartier, viele Tiere wurden aufgeschreckt, einige könnten sogar verendet sein.„Als wir vor Ort ankamen, hing der Rauch noch in der Luft“, berichtet Kerstin Krämer von der Koordinationsstelle Fledermausschutz Rheinland-Pfalz. Sie ist beim Nabu für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit zuständig – und sichtlich betroffen. „Schon die Rauchentwicklung allein reicht aus, um die Tiere zu vertreiben oder gesundheitlich schwer zu schädigen.“ Ob es sich um eine mutwillige Tat handelt oder um Fahrlässigkeit, ist noch ungeklärt. Das Landeskriminalamt ermittelt. Gleichzeitig suchen Nabu und Behörden nach Wegen, das Quartier künftig besser zu schützen. Doch der Zugang ist schwer zu kontrollieren: „Manche Leute bringen sogar Werkzeug mit, um sich gewaltsam Zutritt zu verschaffen“, erklärt die Fledermausschützerin.

Verlassene Orte – überlebenswichtig für geschützte Tiere

Der Kinnsfelstunnel wurde Anfang des 20. Jahrhunderts für die Glantalbahn gebaut – 284 Meter lang, strategisch gedacht, heute ein Relikt. Seit seiner Stilllegung im Jahr 1961 ist er zu einem beliebten Ziel für Wandernde, Geocacher und Lost-Place-Fans geworden. Ein versteckter Felsgang über dem Tunnelgewölbe, ursprünglich zur Überwachung von Gesteinsbewegungen angelegt, wurde durch neue Holzleitern zugänglich gemacht. Sogar ein „Tunnelbuch“ liegt dort oben aus – ein Eintrag für Abenteuerlustige, ein Albtraum für den Artenschutz.„Für Fledermäuse ist dieser Ort überlebenswichtig“, betont die Nabu-Expertin. Besonders im Winter brauchen sie kühle, feuchte und ungestörte Rückzugsorte. Laut der Projektmitarbeiterin nutzten regelmäßig zahlreiche Fledertiere den Gang – allein von der streng geschützten Bechsteinfledermaus seien es „immer mehrere Hunderte“ gewesen. Auch Große Mausohren und Mottenfledermäuse wurden regelmäßig dort beobachtet.

Warum ist die Störung von Fledermäusen problematisch?

Was viele Besucher nicht wissen: Schon ein einziger Mensch im Tunnel kann für Fledermäuse zur lebensbedrohlichen Gefahr werden. „Im Winter halten sie Winterschlaf und leben ausschließlich von ihren Fettreserven“, erklärt die Artenschutz-Fachfrau. „Wenn sie aufwachen, verbrauchen sie davon einen großen Teil – den sie nicht mehr so schnell auffüllen können.

Schon leise Schritte oder die bloße Körperwärme reichen, um sie zu stören. „Viele meinen, sie seien unauffällig. Aber die Tiere spüren selbst kleine Veränderungen in der Umgebung.“ Fledermäuse brauchen rund 45 Minuten zum Aufwachen – da ist der Mensch längst wieder aus dem Tunnel verschwunden. Wird das Tier mehrmals gestört, reichen seine Energiereserven nicht bis zum Frühling und es kann vor Erschöpfung sterben. Deshalb gilt zwischen dem 1. November und dem 31. März ein striktes Betretungsverbot für alle Winterquartiere – auch wenn sie leer erscheinen.

Nabu appelliert an Verantwortungsbewusstsein

In sozialen Netzwerken wird der Kinnsfelstunnel seit Jahren als spannendes Ausflugsziel gehandelt. Fotos, Standortangaben und Einstiegstipps kursieren frei zugänglich. Die Folgen sind laut Nabu sichtbar – und gefährlich. „In der Eifel lag ein Lost-Place-Besucher zwei Tage lang schwer verletzt in einem Felsspalt – niemand wusste, wo er war“, erinnert sich Krämer. Auch in Oberhausen bestehe Einsturzgefahr. Ein Warnschild steht am Eingang – oft unbeachtet.Die Koordinationsstelle bittet um Rücksicht und Verantwortungsbewusstsein. „Wer Fledermäuse entdeckt – sei es im Tunnel, im Keller oder am Dachbalken – sollte nicht eingreifen, sondern sich bei uns melden“, sagt die Schützerin. Das Team berät kostenlos, hilft bei Fundtieren und vermittelt Ehrenamtliche zur Betreuung von Quartieren. Ein besonderes Anliegen ist ihr die Bildungsarbeit: „Wir gehen in Schulen und Kindergärten – denn nur was man kennt, schützt man auch.“

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