Die kommunale Kinder- und Jugendhilfe ist in Bedrängnis. Steigende Fallzahlen auf der einen Seite, unter anderem bei dringlichen Schutzgütern wie dem Kindeswohl. Fachkräftemangel auf der anderen Seite, dazu hohe Krankenstände und Personalknappheit aufgrund fehlender Haushaltsmittel. Die Situation im Sozialbereich ist in vielen Gemeinden angespannt. „Auch hier bei uns im Amt für Kinder und Jugend spüren wir diese Entwicklung mit voller Wucht“, zeichnete Jugendamtsleiter Marvin Jung ein beunruhigendes Bild der aktuellen Belastung in der Behörde.
Mehrere Überlastungsanzeigen
„Wir brauchen bessere finanzielle Rahmenbedingungen von Bund und Ländern, wir müssen neue Wege in der Personalgewinnung und Ausbildung gehen und dringend attraktivere Arbeitsbedingungen schaffen“, nannte Jung einige Punkte. Stellungnahmen von Mitarbeitern aus vier Abteilungen verdeutlichten: In manchen Arbeitsbereichen ist die personelle Situation so ausgedünnt, dass grundlegende Funktionen nicht mehr gewährleistet werden können, oder nur mit großer zeitlicher Verzögerung. Daher haben mehrere Abteilungen Überlastungsanzeige gestellt. Die Folgen sind gravierend, nicht nur für die Arbeitsbedingungen der Jugendamtsmitarbeiter. Nachteile ergeben sich nicht nur für betroffene Kinder und Familien. Der Personalmangel schlägt außerdem auf die städtischen Einnahmen durch, wenn Unterhaltsansprüche nicht geltend gemacht werden können.
Eltern müssen aktuell statt zwei Wochen sechs Wochen auf die Bearbeitung ihres Antrags für Elterngeld warten. In einigen Fällen begegnen die Mitarbeiter der Personalnot mit Kreativität. Beispiel: Allgemeiner Sozialer Dienst. „Wir haben eine Stelle zusammengebastelt, damit das Kindeswohl abgedeckt ist“, sagt die Abteilungsleiterin. Die Mitarbeiter müssen seit 2021 eine Fallzahlsteigerung von 49 Prozent bei Kindeswohlgefährdung stemmen. Wie wichtig diese Aufgabe ist, unterstreicht ein Einwurf von Yasmin Röhr, Schulleiterin der Hofgartenschule. Sie weiß, dass einige ihrer Schüler ihre einzige warme Mahlzeit am Tag in der Schule bekommen. Allein im Januar und Februar dieses Jahres mussten sieben Babys von wohnungslosen Frauen in Obhut genommen werden. Als Folge der Corona-Epidemie steigt die Zahl der psychischen Erkrankungen bei Kindern.
Personalnot gefährdet Aufgabenerfüllung
Der Schulsozialarbeit droht eine Ausdünnung, denn beispielsweise in Planig haben sich seit 2013 zwar die Schülerzahlen verdoppelt. Nach wie vor sind aber für die Ortsteilschulen nur zehn Stunden Schulsozialarbeit bewilligt, ein Kontingent, das dem tatsächlichen Bedarf in keiner Weise gerecht wird. Stellenanmeldungen für 2022, 2023 und 2025 wurden jeweils abgelehnt. „Wir brauchen mehr Personal, um die gesetzlichen Ansprüche wahrzunehmen. Die große Politik muss hier schnellstens etwas tun, damit die Kommunen nicht an die Wand fahren“, nahm Oberbürgermeister Emanuel Letz (FDP) Stellung. Er hofft, dass der Stadtrat sich den Problemen stellt und aufgrund der gestiegenen Fallzahlen eine positive Entscheidung für neue Stellen fasst. Die Stadt prüfe auch was ist, wenn aufgrund des Personalmangels ohne Verschulden der Verwaltung ein Schaden für die Stadt entsteht.
„Wieso steht nicht der Städtetag schon längst mit brennenden Klamotten auf den Barrikaden, zusammen mit den Elternausschüssen und den politischen Vertretern?“
Ausschussmitglied Martina Hassel (SPD)
„Der Druck ist sehr hoch, ich bin kurz davor, die Stellen ohne Genehmigung auszuschreiben. Wir sind leidensfähig, aber irgendwann reicht’s“, erklärte Letz. „Wieso steht nicht der Städtetag schon längst mit brennenden Klamotten auf der Barrikade, zusammen mit den Elternausschüssen und den politischen Vertretern?“, forderte Ausschussmitglied Martina Hassel (SPD) Solidarität mit den Verwaltungsbeschäftigten. Man müsse dem Stadtrat deutlich machen, dass man sich mit dem Personalmangel an vielen Stellen ins eigene Fleisch schneide, etwa bei den Unterhaltsvorschüssen. „Wenn kein unterhaltspflichtiges Elternteil mehr zur Kasse gebeten wird, dann zahlen wir nur aus an die Betroffenen, können uns aber das Geld nicht mehr zurückholen“, unterstrich Hassel. Aus Sicht von Christoph Anheuser (FDP) ist auch falsche Prioritätensetzung eine Ursache der Misere.