Tumult bei Verkehrskontrolle
Kreuznacher sieht sich als Opfer von Polizeigewalt
Niemand wird gern kontrolliert, aber die Maßnahmen dienen der Sicherheit der Gemeinschaft. Wegen der Vorfälle bei einer Verkehrskontrolle in Bad Kreuznach musste sich jetzt ein 55-Jähriger vor dem Amtsgericht verantworten.
Jens Büttner. dpa-tmn

Dass er bei einer Verkehrskontrolle herausgewunken wurde, sah ein 55-jähriger Bad Kreuznacher als Schikane an. 

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Zweieinhalb Stunden verhandelte das Amtsgericht über die Geschehnisse bei einer Verkehrskontrolle, zu der es völlig konträre Schilderungen des Angeklagten und der beteiligten Polizeibeamten gibt. Mit letzter Gewissheit aufzuklären war der turbulente und emotionsgeladene Ablauf nicht. Das Gericht stellte das Verfahren gegen eine Geldbuße von 300 Euro vorläufig ein.

Vorwurf: Rassismus

Nach Darstellung des 55-jährigen Bad Kreuznacher Schaustellers, der in diesem Verfahren wegen unerlaubtem Umgangs mit gefährlichen Abfällen und Widerstands gegen Vollzugsbeamte angeklagt war, ist er am Kontrolltag, am 29. Februar 2024, Opfer von Polizeigewalt geworden. Die fünf Polizeibeamten, die in dem Prozess aussagten, berichteten dagegen, dass ihnen der 55-Jährige von Anfang an unhöflich und verbal übergriffig begegnete, um sich der Kontrolle zu widersetzen. In der Corona-Zeit hatte der 55-Jährige mit dem Sammeln von Altmetall begonnen, das räumte er zu Beginn der Verhandlung ein. Bei der Kontrolle am Grenzgraben hatte er auf seinem Pritschenwagen, der einer Beamtin wegen seines ramponierten Aussehens auffiel, ein Sammelsurium an Autobatterien, Öl-, Lack- und Farbgebinde und Metallschrott liegen.

„Er war von Anfang an sehr unfreundlich und aggressiv und hat behauptet, wir würden nach rassistischen Gesichtspunkten bestimmen, wen wir kontrollieren“, erklärte die Beamtin, die mit der Kontrolle des Nutzfahrzeugs begann. „Ihr habt es nur auf die Schwarzköppe und Zigeuner abgesehen“, soll der 55-Jährige nach Aussage der Kollegen geäußert haben. Aus Sicht der Polizistin waren die diversen Öl- und Farbbehälter unsachgemäß für den Transport auf der Pritsche verstaut, desgleichen ein Motor und die Autobatterien, bei denen Gefahr bestand, dass Schadstoffe austreten. „Ich habe ihm genau erklärt, worum es geht“, antwortete die Polizistin auf eine Nachfrage von Richter Eugen Birnbaum. Noch während der Kontrolle hatte der 55-Jährige plötzlich behauptet, die Gegenstände auf dem Fahrzeug seien kein eingesammelter Abfall, sondern sein Eigentum, berichtete ein weiterer Zeuge.

Polizist bei Kontrolle fotografiert

„Damit fahre ich das ganze Jahr herum“, unterstrich der 55-Jährige im Prozess. Die Beamten seien auf sein Fahrzeug gestiegen und hätten es dabei zerkratzt. „Er hat mich fortwährend geduzt, wollte sofort seine Papiere zurück und hat sich in Rage geredet“, schilderte ein Polizeibeamter die Verfassung des Angeklagten. Der Mann habe ihn fotografiert und auf seine Aufforderung, das zu unterlassen, habe er gesagt, er mache, was er wolle, und er stelle das in Facebook. „Das hat sich hochgeschaukelt, der Polizist hat zu mir gesagt, „halt dein Schlappmaul“, die haben mich grundlos misshandelt, ich hatte Todesangst“, stellte der 55-Jährige seine Sicht der Dinge dar. Nachdem er das Löschen der Fotos verweigerte, eskalierte die Situation endgültig, als ein Beamter die Herausgabe des Smartphones von ihm verlangte. Dazu gibt es gleich mehrere Versionen des Ablaufs.

Jedenfalls versuchte der Angeklagte, sich wegzudrehen, wie er dann auf den Boden kam, ließ sich nicht ganz aufklären. Nach seiner Darstellung sollen ihn die Beamten dabei schwer misshandelt haben. Man habe ihn von hinten in den Schwitzkasten genommen, ein anderer Polizist habe ihm ins Gesicht geschlagen. Dann sei er mit Gewalt auf den Boden gedrückt worden, sodass er Atemnot bekam, und fixiert worden. Ein Beamter habe ihm das Knie auf seinen Hals gedrückt, ein anderer habe ihm in den Rücken getreten. Bei dem Vorfall sei seine frische OP-Narbe am Bein wieder aufgeplatzt und er habe mehrere Rippenprellungen, blaue Flecken und Schürfwunden erlitten. „Ich war auch bei der Polizei, aber die wollten meine Anzeige nicht aufnehmen“, erklärte der Angeklagte.

Verfahren gegen Geldauflage vorläufig eingestellt

Nach Aussage der Polizeibeamten wurde der 55-Jährige, nachdem er die Herausgabe des Mobiltelefons verweigert hatte, kontrolliert zu Boden gebracht und fixiert. Weil der Schausteller sich aufbäumte, habe er mit dem Knie Druck auf dessen Schulter ausgeübt, wie auch ein weiterer Kollege an der anderen Schulter, erklärte einer der Beamten. Nachdem man den 55-Jährigen unter Kontrolle hatte, setzte man ihn auf und nahm die Fesseln ab. Er gab seine PIN an und die Fotos wurden gelöscht. „Wir haben das Problem, dass wir keine Feststellungen zu dem unerlaubten Umgang mit gefährlichem Abfall haben, das Duzen ist nicht strafbar und die Widerstandshandlung liegt am unteren Rand“, fasste Richter Birnbaum die Beweisaufnahme zusammen. Er schlug daher die vorläufige Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage von 300 Euro an Interplast Germany Bad Kreuznach vor, was sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte akzeptierte.

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