Bad Kreuznach. Wenn ein Schornsteinfeger einem Kollegen zum Neujahr Glück wünscht, muss es einfach klappen. Der scheidende Bezirksschornsteinfegermeister Hans-Hans-Joachim Kölsch übergibt seinen Bezirk an Mario Jörg.
Passend zum Neujahr übernimmt Schornsteinfegermeister Mario Jörg (Hargesheim) den Kehrbezirk von Hans-Joachim Kölsch. Wenn das dem Neuen kein Glück bringt. Der 54-jährige Kölsch (Hüffelsheim) gibt seinen Bezirk aus gesundheitlichen Gründen auf. Jörg (40) machte das Rennen im Wettbewerb mit 15 Mitbewerbern bei der ADD in Trier.
Schornsteinfeger sind in diesen Tagen als Glücksbringer zwar beliebt, werden geküsst, umarmt, an ihren Goldknöpfen gefasst, doch mitunter ist der schwarze Mann auch Reizfigur. „Man muss auch dem ein oder anderen Mal auf die Füße treten“, sagt Kölsch und beruft sich auf zahlreiche Bauverordnungen oder Unfallverhütungsvorschriften. Diese Kontrollfunktion werden die Schornsteinfeger behalten, wenn 2013 das Monopol fällt. Kölsch: „Dann kann man sich Schornsteinfeger aus Polen kommen lassen. Die aus Frankreich und Luxemburg sind teurer wir.“
Kunde muss sich selbst kümmern
„Für die Kunden wird’s teurer,“ glaubt Mario Jörg, der den Bezirk aus einer vierjährigen Tätigkeit bei Kölschs Vorgänger kennt. Teurer? „Bislang gehen wir von Haus zu Haus. Wenn ab 2013 Termine gemacht werden, gibt es mehr Lauferei und Fahrerei. Und Verwaltungsaufwand,“ erklärt Jörg. Der Kunde muss sich dann selbst kümmern, betont Kölsch,muss im Feuerstättenbescheid nachweisen, dass Kehrarbeiten sachgerecht ausgeführt wurden. Schornsteinfeger dürfen im Gegenzug für den Kundenverlust Schornsteine, Heizungen, Kaminöfen bauen, Kernbohrungen vornehmen, Energieausweise erstellen. Schornsteinfeger werden also mit dem Wegfall der Verordnung keinesfalls arbeitslos.
Im Gegenteil. Durch steigende Öl- und Gaspreise stieg die Zahl der Holzöfen in den vergangenen vier Jahren um 200 Prozent, schätzt Kölsch – Tendenz steigend. Und solche Kamine müssen je nach Nutzungsintensität zwei bis dreimal im Jahr gekehrt werden, während etwa Gas-Brennwertkessel nur alle zwei Jahre dran sind. Das Nachrüsten von Kaminen für Holzöfen gehört derzeit zu den häufigsten Fragen, aber auch Pelletöfen und Wärmepumpen sind Themen.
Energieersparnis kontrollieren
Mit Solar- und Erdwärme hat der Schornsteinfeger derzeit noch nichts zu tun, aber das kann sich noch ändern, meint Mario Jörg. Die Energieeinsparverordnung überprüfen bedeutet: Gebäudedämmung, Rohrisolation, Umwälzpumpen, Steuerung der Außenfühler müssen überprüft werden. 2011 oder 2012 soll es soweit sein. Der Gesetzgeber arbeitet dran. Ebenso an der Feinstaubverordnung, die allerdings mit Übergangsfristen bis 2024 ausgestattet sein soll. Das alles heißt: Die Materie wird zunehmend komplizierter, der Schornsteinfeger immer vielseitiger. „Wir brauchen viel Hintergrundwissen, müssen chemische und physikalische Vorgänge erläutern können“, sagt Jörg. Warum ein Ofen nicht „zieht“, wie eine thermische Ablaufsicherung bei Öfen mit Wasserführung funktioniert, was bei Billigteilen aus dem Internet ohne Zulassung passieren kann. Fragen über Fragen, die man nicht einfach nur mit „das ist halt so!“ abtun kann. Entsprechend qualifiziert sollten Auszubildende sein.
Für Drecksarbeit anmelden
Aber der freundliche Umgang mit den Kunden spielt nach wie vor eine wichtige Rolle. Wenn man weiß, dass es bei alten Öfen in den Ortskernen schon mal Dreck geben kann, sollte man sich schon ankündigen und nicht morgens unangemeldet vor der Tür stehen. Heiligabend und Silvester sollten eigentlich auch frei bleiben – da helfen auch der Glücksbringerbonus und die durch das Schneewetter angehäufte Arbeit nichts. Die aufgebrachten Hausfrauen sagten den Heiligabendtermin kurzerhand ab. Kölsch: „Mit Recht!“
Hans-Joachim Kölsch zieht nach 40 Berufsjahren und 19-jähriger Tätigkeit als Bezirksschornsteinfegermeister eine positive Bilanz, auch wenn er jetzt aufhören muss. Er dankt den Kunden für ihr Vertrauen und will für seinen Nachfolger Glücksbringer sein. Ganz aussteigen wird er nicht, will seine Erfahrung im Kaminbau nutzen. Seine Heizung hat er schon 1997 auf Holzvergasung umgestellt, macht selbst Holz im Wald, hat damit Tausende Liter Öl gespart. „Irgendwann ist ohnehin Schluss mit Öl und Gas, weiß er. „Pro Sekunde wächst in Deutschland ein Raummeter Holz. Das reicht zum Heizen“, weiß er. Aber es macht Arbeit. Im Wald und bei der Feuerung. Nein, Schornsteinfeger ist kein aussterbender Beruf.
Z Der Kehrbezirk von Mario Jörg, der zum 1. Januar die Nachfolge von Bezirksschornsteinfegermeister Hans-Joachim Kölsch antritt, umfasst die Gemeinden Rüdesheim, Hargesheim, Mandel, St. Katharinen, Braunweiler, Sommerloch, Schweppenhausen, Warmsroth und die Lohrer Mühle in Bad Kreuznach mit 12 000 Einwohnern. Kölschs Mitarbeiter Matthias Waffenschmidt bleibt im Betrieb. Jörg will auch einen Azubi einstellen.