Howe Biemann ist seit Anfang des Jahres Schulleiter an der Realschule plus am Scharlachberg, und er hat die Corona-Zeit mit seinem Kollegium ausgiebig genutzt: Man hat jeden Stein umgedreht und ein Konzept erarbeitet, mit dem sich die Schule attraktiver machen will. Mit dem Schulelternbeirat und der Stadt Bingen hat man sich abgestimmt und will im kommenden Schuljahr entscheidende Veränderungen anstoßen.
„Rückläufige Schülerzahlen, ein geringes Standing bei der Stadt Bingen und die Erkenntnis, dass Schule, wie sie in den vergangenen Jahren praktiziert wurde, nicht gut genug funktionierte, waren der Anlass, dass sich das Kollegium überlegt hat, wie unsere Schule zukünftig besser werden kann“, so Howe Biemann. Gestützt werde diese Neuausrichtung durch wissenschaftliche Erkenntnisse. Man beschreite keine neuen Pfade, sondern übernehme bewährte Konzepte von Preisträgerschulen.
In insgesamt 14 Entwicklungsfeldern, die sechs Qualitätsbereichen zugeordnet sind, wurden auf der letzten Gesamtkonferenz mehr als 70 Beschlüsse gefasst, die in den nächsten Monaten und Jahren umgesetzt werden sollen.
Antrag auf Schwerpunktschule: Das Kollegium hat in der letzten Gesamtkonferenz dafür gestimmt, bei der Stadt Bingen einen Antrag zu stellen, dass man zu einer Schwerpunktschule erklärt werde. Die am Schulzentrum ansässige Grundschule habe diesen Status schon, die Schüler müssten deswegen aber nach dem vierten Schuljahr entweder an die Binger Rhein-Nahe-Schule oder an die IGS nach Sprendlingen. „Wir sind aber der Ansicht, dass es für die Kinder das Beste ist, wenn sie am Schulzentrum bleiben können, und Binger Schüler auch in Bingen zur Schule gehen sollten“, erläutert Biemann.
Stammgruppen, Klassen, Jahrgänge: Ab dem Schuljahr 2020/21 werden an der Realschule am Scharlachberg keine Klassen mehr gebildet. Stattdessen werden alle Schüler in altersgemischten Stammgruppen durch die Schulzeit begleitet, die von Mentoren geleitet werden. Maßgeblich für die Einteilung seien ein ausgewogener Geschlechtermix, der Notendurchschnitt, aber auch Verhaltens- und Mitarbeitsnoten. Bei begründeten Ausnahmen sei auch ein Stammgruppenwechsel denkbar.
Integrative Realschule: Ab dem Schuljahr 2021/22 werde man in den Jahrgängen acht und zehn eine Trennung in abschlussbezogene Zweige Berufsreife (BR) und Sekundarabschluss I (S1) vornehmen. Das bedeutet, das Schüler ab Klassestufe sieben des kommenden Schuljahres aufgrund ihrer Zeugnisnoten entweder dem BR- oder dem S1-Zweig zugeteilt werden. Ein Wechsel in den anderen Zweig ist nach jedem Zeugnis möglich.
Neue Fachangebote: Für die Jahrgänge acht bis zehn biete man im neuen Schuljahr die Wahlfächer „Darstellendes Spiel/Theater“ und „Informatik“ an. Diese werden zusätzlich zum regulären Stundenplan freiwillig belegt. Diese Zeugnisnoten können zum Ausgleich anderer Fächer herangezogen werden. Außerdem werden die Fächer Bildende Kunst und Musik nun integrativ in allen Jahrgängen als „Kunst und Kultur“ unterrichtet.
Persönliche Lernpläne: Personalisiertes Lernen sei sehr wichtig, so Biemann, um jedes Kind auf seinem Niveau angemessen fördern zu können. Daher werden man zukünftig Lernpläne einführen, die in großen Teilen durch die Schüler selbst bestimmt werden. Mithilfe von Kompetenzrastern soll das Können der Kinder gefördert werden, um schrittweise die Inhalte zu erlernen. Durch diese Kompetenzen werde, so die Idealvorstellung, die Nachhaltigkeit des Erlernten auch langfristig gefestigt.
Projektunterricht: Im kommenden Schuljahr wird jeden Freitag in Projekten gearbeitet. Da diese Projekte auch zum Unterricht zählen, können sie zur Leistungsbeurteilung herangezogen werden. Unterstützt werde die Schule hierbei auch von Partnern, die man durch das Projekt „Jedem Kind seine Kunst“ und die Kulturwerkstatt der Stadt Bingen gewinnen konnte. „Soziales Lernen soll hier im Vordergrund stehen, und fast alle Fächer werden über das Schuljahr verteilt in den Projektunterricht integriert“, erläutert der Schulleiter.
Atelierarbeit: Die Förderung von freiem Lernen, in dem die Entwicklung von Selbstverantwortlichkeit, Planungs- und Organisationskompetenz, die Überwindung des wohlbekannten „inneren Schweinehunds“ im Fokus stehe, müsse auch in der Schule erfolgen, um die Schüler bestmöglich auf die Arbeitswelt vorzubereiten. „Daher werden wir täglich eine Doppelstunde in Lernateliers durchführen. Leise bearbeitet man dort allein oder in Partnerarbeit fachliche Themen, die auf den persönlichen Lernplan abgestimmt sind.“ Hier übernähmen die Schüler die Entscheidung, wann und wie intensiv gearbeitet werde. „Selbstverständlich stehen den Kindern auch hier die Mentoren der Stammgruppe sowie die Fachlehrkraft zur Seite.“