Schlimm genug, dass die sieben Zimmer des Bad Kreuznacher Frauenhauses nicht ausreichen, um zu jeder Zeit Frauen, die vor häuslicher Gewalt fliehen, aufzunehmen. 137 Anfragen von Betroffenen mussten allein im vergangenen Jahr abgelehnt werden, weil zu diesem Zeitpunkt kein Zimmer frei war. Eine Doppelbelegung kommt aus Sicht des Vorstandes des Trägervereins „Frauen helfen Frauen“, zu dem Helga Baumann, Maria Janta und Susanne Kother-Groh gehören, nicht in Frage. Das sehen auch die Einrichtungsleiterin Petra Wolf und ihre Stellvertreterin Petra Dill so.
Ohnehin hatte das Frauenhaus 2021 eine Auslastung von 90 Prozent. Nur an 36 Tagen war im vergangenen Jahr überhaupt noch ein Zimmer frei. Die Situation sei in den 17 anderen Frauenhäusern in Rheinland-Pfalz nicht anders, weiß Helga Baumann. Immerhin gibt es nun online eine Ampel, die Betroffenen anzeigt, in welchen Frauenhäusern in Rheinland-Pfalz Kapazitäten frei sind. Der Verein „Frauen helfen Frauen“ als Träger des Frauenhauses sowie der Beratungs- und Interventionsstelle versucht nun, durch einen Erweiterungsbau des Frauenhauses gegenzusteuern. Architektin des Bauvorhabens ist Karin Boos. Der Baubeginn soll noch in diesem Jahr sein; der Bauantrag ist bereits genehmigt.
Möglich wurde der Bau durch das Bundesinvestitionsprogramm des Familienministeriums „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“. 120 Millionen Euro stellt der Bund zum Ausbau von Frauenhäusern zur Verfügung. Der Bad Kreuznacher Verein erhält davon 300.000 Euro. Da allerdings die Baukosten derzeit steigen, hofft Baumann, nachverhandeln zu können. Dies auch deshalb, weil nicht der gesamte Bundeszuschuss abgerufen werden konnte, denn manche Frauenhäuser bekamen ihre Planungen nicht genehmigt.
Zwei weitere Plätze werden angeboten
Durch den Erweiterungsbau wird das Bad Kreuznacher Frauenhaus zwei weitere Plätze anbieten können, die dann auch barrierefrei sind. Damit können erstmals Frauen oder Kinder mit Beeinträchtigungen aufgenommen werden. Im vergangenen Jahr hat das Frauenhaus 28 Frauen mit 33 Kindern aufgenommen. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer betrug 74 Tage, was nicht zuletzt abhängig ist vom Wohnungsmarkt. Doch ob nun eine Mutter mit ihren Kindern sucht oder eine alleinstehende Frau: Häufig fehlt es an geeigneten Wohnungen. Dass Frauen nach Gewalterfahrungen in eine andere Stadt ziehen, kommt eher selten vor, da Mütter ihren Kindern oft nicht das soziale Umfeld nehmen wollen.
Eine Zunahme häuslicher Gewalt durch die Corona-Pandemie, in der Paare mehr Zeit miteinander verbringen mussten, hat die Einrichtungsleiterin noch nicht feststellen können. Möglicherweise kommen diese Fälle zeitverzögert auf das Frauenhaus zu. „In der Regel dauert es, bis Frauen den Partner verlassen“, weiß Wolf.
Die Statistik des vergangenen Jahres macht deutlich, unter welcher Form von Gewalt die Frauen zu leiden hatten. 27 Mal gaben sie an, Opfer psychischer Gewalt geworden zu sein. 24 Mal litten sie unter körperlicher, 18 Mal unter ökonomischer Gewalt, zwölf Mal hörten sie Morddrohungen, sechs Mal kam es zu sexualisierter Gewalt, fünf Mal zu Selbstmorddrohungen des Partners und fünf Mal zu Stalking. Wie Einrichtungsleiterin Petra Wolf berichtete, gehe häusliche Gewalt quer durch alle sozialen Schichten. Auch Frauen mit akademischem Abschluss seien von häuslicher Gewalt betroffen. „Oft ist gerade bei diesen Frauen die Scham größer, über ihr Erleben von häuslicher Gewalt zu reden“, berichtete Wolf.