Gastronomen an der Nahe treibt die Sorge um, ob die Gäste die bevorstehenden Preiserhöhungen auch mitgehen werden
Kampf der Gastronomen an der Nahe um die reduzierte Mehrwertsteuer: Auch ein Streiten für die Gäste
„Die 7 Prozent müssen bleiben!“, so das Motto der konzertierten Dehoga-Aktion. Der Kampf um die Beibehaltung der Mehrwertsteuerabsenkung auf Speisen scheint derzeit aber verloren zu gehen. Foto: Dehoga RLP
Gereon Haumann/Dehoga

Kreis Bad Kreuznach. Gastronomie, quo vadis? Das Jahr 2024 beginnt für die Betreiber von Restaurants, Kneipen, Bars, Cafés und Gaststätten aller Art mit der Rückkehr zum alten Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf Speisen, die vor Ort verzehrt werden. Eine Zäsur. Wie ist aktuell die Stimmung bei den Gastronomen an der Nahe?

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„Die 7 Prozent müssen bleiben!“, so das Motto der konzertierten Dehoga-Aktion. Der Kampf um die Beibehaltung der Mehrwertsteuerabsenkung auf Speisen scheint derzeit aber verloren zu gehen. Foto: Dehoga RLP
Gereon Haumann/Dehoga

„Das Sorgentelefon steht nicht still. Es kommen viele Anrufe. Die Existenzangst geht um“, erzählt Gereon Haumann, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Rheinland-Pfalz (Dehoga), der in Bad Kreuznach sitzt.

Gastronomen schachmatt

Die Gastronomen sähen sich schachmatt gesetzt. Durch die Rückkehr zum alten Steuersatz von 19 Prozent müsse man die Preise anheben. „Gleichzeitig kennt man aber die Sorgen der Gäste, die nicht plötzlich mehr Geld in der Tasche haben.“ Der Dehoga empfehle seinen Mitgliedern, die Kosten eins zu eins an die Gäste weiterzugeben. „Es ist sehr ambitioniert, was wir damit von unseren Gästen erwarten. Wir hoffen, dass sie diesen Weg mit uns gehen“, sagt Haumann. Der Kampf, den man nun austrage, sei einer für die Gäste.

Was ab 1. Januar passiere, sei laut Haumann gegen jede Logik: „Es gibt kein Land auf der ganzen Welt, das ein und dasselbe Produkt unterschiedlich besteuert. Das meist in Plastik verpackte Essen to go wird steuerlich begünstigt, das Essen auf dem Porzellanteller aber nicht.“

Mein Appell an die Gäste: Bitte geht diesen Weg mit den Gastronomen!

Gereon Haumann, Präsident des Dehoga RLP

Und was sagen die Gastronomen selbst? Seit 1994 führt Elisabeth Stenger-Treutle mit ihrem Mann Jan Treutle das Restaurant „Im Gütchen“ zwischen Schlosspark und Römerhalle in der Hüffelsheimer Straße in Bad Kreuznach. Auch ihr Haus werde von der Mehrwertsteueranhebung getroffen und müsse versuchen, dies zu kompensieren, sagt sie. Preissteigerungen im Angebot seien nicht zu vermeiden, zumal auch alle anderen Kosten wie die Rohstoffpreise steigen.

Auf keinen Fall, sagt die Gastgeberin, werde die Entwicklung zulasten der Qualität gehen. Mit der Steuererhöhung haben sie im „Gütchen“ nach den Zusagen der Regierung nicht gerechnet. Neben den Kostensteigerungen plagt auch hier der Fachkräftemangel. Elisabeth Stenger-Treutle macht sich Sorgen um die Gastrobranche und befürchtet, dass durch Schließungen und ausbleibenden Generationsübergang die Vielfalt der Gasthöfe und Restaurants verloren geht. „Wir sind dennoch zuversichtlich und machen weiter, weil wir gern Gastgeber sind“, sagt sie.

Es kommen neue Speisekarten

Im Schmidtburger Hof in Weiler bei Monzingen müssen die Gäste ebenfalls damit rechnen, dass es im Restaurant künftig teurer wird. „Für uns bedeutet die Mehrwertsteuererhöhung, dass es Preiserhöhungen geben wird – und wir können nur hoffen, dass die Gäste dabei mitmachen“, sagt Elisa Kehl, die gemeinsam mit Ehemann Felix den Traditionsbetrieb seit 2021 in neunter Generation führt. „Wir sind noch am Kalkulieren.“ Es sei aber zugleich geplant, die Karte ab Januar umzustellen und zu erweitern, sodass ein direkter Preisvergleich schwierig ist.

„Wir stellen auf Menüs um und bieten künftig nur noch wenige Gerichte im À-la-carte-Bereich an“, so Elisa Kehl. Für dieses Konzept hätten sie sich bereits entschieden, bevor klar war, dass die Politik die Umsatzsteuer für die Gastronomie wieder anhebt. Nun müssten sie noch einmal genauer rechnen. Aber die Gastronomin hofft, dass das Menükonzept bei der Kalkulation eher von Vorteil sein wird.

Gastronomen haben investiert

Elisa und Felix Kehl haben den Schmidtburger Hof mitten in der Pandemie übernommen, seither Restaurant und Hotel für viel Geld saniert und zu einem Schmuckstück gemacht. Weitere Investitionen sind bereits geplant, unter anderem ein weiteres Hotelgebäude mit elf neuen Zimmern. Sie seien daher von Anfang an gewohnt, sich auf wechselnde und schwierige Rahmenbedingungen einzustellen und „out of the Box“ zu denken, berichtet Elisa Kehl.

Ihr Mut wurde belohnt: „Wir haben in den vergangenen Jahren einen enormen Aufschwung erlebt, auch gastronomisch.“ Sorgen macht sie sich allerdings schon, dass die Mehrwertsteuererhöhung in der Region zu einem Gastronomiesterben führen könnte: „Das wäre schade für unsere touristischen Gäste, die auch gern mal woanders einkehren wollen.“ Sie sei froh um jeden gastronomischen Mitstreiter in der Region, betont sie.

Kommt das Gastronomiesterben?

Stefan Köhl, Inhaber der Mittelaltergaststätte „Kurpfälzer Amtshof“ in Ebernburg, wird die Preise im Zuge der Erhöhung der Mehrwertsteuer anheben müssen, will das aber mit Maß machen. Auch der Ebernburger Gastronom befürchtet, dass im Zuge der Verteuerung weitere Betriebe schließen werden, zumal die Kosten für Lebensmittel wie auch für das Personal ebenfalls ansteigen.

Die Politik schießt sich damit selbst ins Knie.

Stefan Köhl, Betreiber des “Kurpfälzer Amtshof" in Bad Münster am Stein-Ebernburg

Letztlich kann auch dieser Gastronom über die Politik nur den Kopf schütteln und fragt, wieso Kunden an der Pommesbude nur 7 Prozent zahlen müssen, während für Pommes, die in seiner Gaststätte verzehrt werden, 19 Prozent fällig werden. „Die Erhöhung ist aus meiner Sicht nicht zielführend – und ich bin überzeugt, dass sich die Politik selbst ins Knie schießt“, mutmaßt Köhl. Aus seiner Sicht mögen Gastronomen in den Großstädten die Erhöhung auffangen können, gerade auf dem Land rechnet er mit weiteren Schließungen.

Fatale Folgen für die Gastronomie

„Das Sterben der Gastronomie auf dem Land wird bei steigenden Kosten und dem Anstieg der Mehrwertsteuer weitergehen“, glaubt Gastronom Köhl. In Großstädten ließen sich andere Preise erzielen. Wenn er Schnitzel mit Pommes für 20 Euro anbieten würde, bestellt es niemand mehr.

Das Gaststättensterben auf dem Land habe für ganze Regionen fatale Folgen. „Wir weisen Wanderwege wie den Hildegardweg oder den Sponheimer Weg aus, und die Leute laufen 20 Kilometer, ohne dass am Weg noch eine Gaststätte liegt.“ Preiswert will Köhl sein, aber in dem Sinne, dass seine Speisen den Preis wert sind. Ihn stimmt es traurig, dass die gebietstypischen Gaststätten verschwinden, weil am Ende des Tages nichts mehr hängen bleibe.

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