Am Ende war es bei den Erststimmen nicht wirklich spannend: Wie erwartet hat CDU-Kandidatin Julia Klöckner das Direktmandat im Wahlkreis 200 souverän errungen. Die Guldentalerin, ehemalige Bundesministerin für Landwirtschaft und Ernährung im Kabinett Merkel, kommt auf 32,3 Prozent der Stimmen. Und spät in der Nacht war dann auch klar, dass es für einen Sitz im Bundestag reicht.
Dahinter konnte SPD-Mann Joe Weingarten, der 2021 überraschend den Wahlkreis gegen Klöckner gewann, dem katastrophalen Bundestrend seiner Partei etwas trotzen, mit 26,3 Prozent (2021 waren es 33,2 Prozent) gegen eine starke Nicole Höchst (AfD), die mit 21,2 Prozent ihr Ergebnis von 2021 (9,7 Prozent) mehr als verdoppelt hat. Weingarten hat mit einem Verlust von 6,7 Prozentpunkten zu kämpfen, Julia Klöckner steigerte sich um 3,2 Prozentpunkte.
All das geht mit der Entwicklung der Zweitstimmen einher: Im Wahlkreis dominiert die CDU mit 30,3 Prozent, im Vergleich zu 2021 verbesserte man sich um 5,8 Prozentpunkte. Auf Platz zwei hat eine Wachablösung stattgefunden: Die AfD kommt mit 22,3 Prozent auf ein historisch gutes Ergebnis und legt satte 12,4 Prozent zu. Großer Verlierer ist, genau wie im Bund, die SPD, die 12,1 Prozentpunkte verliert und auf 20,3 Prozent abstürzt.
Julia Klöckner: „Neues Wahlrecht ist absurd“
„Das neue Wahlrecht der Ex-Ampel ist wirklich absurd: Dass direkt gewählte Kandidaten trotz Wählervotum nicht selbstverständlich in den Bundestag einziehen, das stößt viele vor den Kopf, die um jede Stimme gekämpft haben. Und die Wähler fühlen ihr Votum dann auch nicht ernst genommen“, äußerte sich Julia Klöckner schriftlich am Morgen danach. Das starke Abschneiden der AfD kommentierte sie wie folgt: „Das Votum der vielen AfD-Wähler nehme ich ernst, da darf man nicht einfach drüber hinweg gehen. Gerade die Gemeinden, wo die AfD vorne liegt, möchte ich in nächster Zeit besuchen und das Gespräch mit den Menschen suchen. Wir müssen sie wieder zurückgewinnen, indem wir Probleme lösen, die die Bürger bedrücken und leider dazu bewogen haben, eine extreme Partei zu wählen.“

SPD-Kandidat Joe Weingarten sah zwei Ursachen für die enttäuschenden sozialdemokratischen Ergebnisse. Zum einen habe die SPD mit Olaf Scholz als Kandidaten festgehalten, was er von Anfang als falsch betrachtet hatte. Doch die Partei habe nicht auf ihn gehört, so sei das eben: Demokratie. Er kündigte am Morgen danach seinen Rückzug aus der Politik an. „Ich scheide mit diesem Wahlausgang durchaus besorgt aus der politischen Verantwortung aus. Gerne hätte ich dazu beigetragen, dass die Einschnitte und Belastungen, die jetzt kommen werden, nicht zulasten unserer Region und der hier lebenden Menschen gehen. Aber die Wahl hat ein klares, demokratisch legitimiertes Ergebnis und die jetzt in Verantwortung Stehenden werden ihre Aufgabe sicher auch mit großem Engagement erfüllen“, so Weingarten.

Nicole Höchst (AfD) war total begeistert über den Boden, den man gut gemacht habe. „In vielen Gemeinden liege ich sogar vor Julia Klöckner“, sagte sie am Abend unserer Zeitung. Vor allem im Kreis Birkenfeld und in der VG Kirner Land war die AfD sehr stark. Höchst verbrachte den Abend in Berlin in der Bundesgeschäftsstelle ihrer Partei.
Die übrigen Direktkandidaten schnitten wie folgt ab: Regine Kircher-Zumbrink (Grüne) kam auf 5,4 Prozent, Jürgen Locher (Die Linke) auf 4,4 Prozent, Patrick Bruns (FDP) landete bei 3,3 Prozent, ebenso wie Bianca Steimle vom BSW. Christian Schöpfer (Freie Wähler) kam bei exakt 3,0 Prozent heraus, Kerstin Mikolajewski von Volt erhielt genau 1,0 Prozent der Stimmen.
Die Grünen kamen bei den Zweitstimmen auf 8 Prozent (im Vergleich zu 2021 minus 1,4 Prozentpunkte), die Linke landete bei 5,9 Prozent (plus 2,6 Prozentpunkte). Die FDP rangiert nur noch bei 3,9 Prozent – das sind im Vergleich zu 2021 7,1 Prozentpunkte weniger.
Eklat um verweigerten Handschlag
Am Rande des Wahlabends kam es zu einem waschechten Eklat: Julia Klöckner verweigerte Joe Weingarten den Gratulationshandschlag. Sie empfing Weingarten im Büro von Landrätin Bettina Dickes (ebenfalls CDU), in das sich Klöckner zurückgezogen hatte, nicht. Sie war stocksauer, dass Weingarten im Wahlkampf den Wählern empfohlen hatte, ihn zu wählen – denn Klöckner sei ja ohnehin listentechnisch im Bundestag. Das sei angesichts des neu gefassten Wahlrechts eine „Lüge“ gewesen, wie Landrätin Bettina Dickes sagt, das habe Weingarten ganz sicher gewusst, schließlich habe er die Neufassung des Wahlrechts mit beschlossen. Und deswegen habe Klöckner ihren Wettbewerber nicht empfangen. Weingarten stand vor der Tür und schimpfte, es fehle Klöckner an politischem Anstand.
Später versuchte eine Klöckner-Mitarbeiterin, auf Weingarten zuzugehen und ihn zu besänftigen. Doch der reagierte verschnupft. Es sei ein „persönlicher Affront“ der CDU-Frau gewesen, ihn als Gratulant nicht zu empfangen, eine „Unverschämtheit“.