Ärger über Kreuznacher Behörde
Jahrelang an der Nahe: Somalierin kämpft um Bleiberecht
Einrichtungsleiterin Kerstin Alexander möchte Khadija Abdullahi unbedingt als Altenpflegehelferin behalten - am liebsten mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag. Doch die junge Frau hat keinen sicheren Aufenthaltsstatus.
Cordula Kabasch

Sie ist jung, hat einen Beruf, spricht deutsch: Für eine dauerhafte Bleibe reicht das nicht. Khadija Abdullahi arbeitet im Lotte-Lemke-Haus. Die Chefin will ihr einen unbefristeten Job geben. Aber wie, wenn der Aufenthalt nicht gesichert ist?

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Vor etwa zehn Jahren ist Khadija Abdullahi (26) nach einer lebensgefährlichen Flucht aus Somalia in Bad Kreuznach angekommen. Die junge Frau, die bis dahin keine Schule besucht hatte und Analphabetin war, lernte Deutsch und lesen. Inzwischen arbeitet sie als Altenpflegehelferin im Lotte-Lemke-Haus der Arbeiterwohlfart (AWO) im Salinental. Ihre Chefin möchte ihr einen unbefristeten Arbeitsvertrag ausstellen – wenn sie ein dauerhaftes Bleiberecht hätte. Doch die Ausländerbehörde spielt nicht mit.

Khadija Abdullahi hat ein Händchen für alte Menschen, sagt Einrichtungsleiterin Kerstin Alexander. „Wir möchten sie nicht mehr missen“, unterstreicht sie. Ein fix fertiger Arbeitsvertrag ohne Enddatum liegt in der Schublade. Aber der kann nicht unterschrieben werden, solange Khadija Abdullahi nur über eine befristete Aufenthaltsgenehmigung verfügt. Sie gilt noch bis 2027, wird alle drei Jahre verlängert – jedenfalls, solange die humanitäre Lage in Somalia für die Menschen unverändert schlecht ist.

Ein Onkel will das Mädchen zwangsverheiraten

Das Problem: Für die Ausländerbehörde des Kreises ist die Identität der jungen Frau nicht zweifelsfrei geklärt. „Sie fordert ständig neue Dokumente“, sagt der Pflegevater von Khadija, Klaus Mayer (66) aus Hargesheim. Die sind allerdings schwer bis gar nicht zu beschaffen. Ein Wunder ist das nach der Geschichte von Khadija nicht.

Als sie neun Jahre alt war, flüchtete ihre Mutter mit ihr und ihren Geschwistern aus dem vom Bürgerkrieg gebeutelten Somalia. Khadija ist in der Nähe von Mogadischu aufgewachsen, in einem Dorf namens Afgoye. Unterwegs wird der Bus bombardiert, in dem ihre Mutter mit den Kindern sitzt. Khadija liegt bewusstlos am Boden. Die Mutter hält sie für tot und lässt ihre Tochter zurück. Als das Kind aus dem Krankenhaus entlassen wird, kommt es zu einem Verwandten, einem Onkel. „Er hat sie als Sklavin missbraucht“, sagt ihr Pflegevater.

Mit 15 Jahren möchte der Onkel Khadija gegen ihren Willen mit einem viel älteren Mann gegen Geld verheiraten. Sie flieht – über Kenia, wo sie wegen fehlender Papiere nicht bleiben darf, in den Sudan und weiter nach Libyen. Dort sitzt sie zweimal im Gefängnis, ehe es ihr gelingt, auf ein Boot nach Lampedusa zu kommen. Das klapperige Schiff kentert, kurz nachdem es abgelegt hat. Der zweite Versuch gelingt, Khadija erreicht Europa und und landet nach einer Irrfahrt über den Kontinent in Norwegen. Dort kommt sie in ein Lager, in dem die Versorgung schlecht ist. Es gibt zu wenige Toiletten und Duschen. Das Lager ist eingezäunt, und für Khadija fühlt es sich an wie ein weiteres Gefängnis. Sie wird als Flüchtling registriert, will aber nur weg. Über Schweden und Dänemark kommt sie nach Deutschland in die Erstaufnahmeeinrichtung in Trier. Von dort wird sie in der Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auf der Bad Kreuznacher Pfingstwiese untergebracht, ehe sie ihr Zuhause findet: bei ihrem Pflegevater Klaus Mayer und seiner Frau Lilo (67) in Hargesheim.

Die junge Somalierin hat die deutsche Sprache erlernt und einen Schulabschluss gemacht.
Hendrik Schmidt. dpa

„Das ist meine Familie“, erklärt Khadija. Sie sagt Papa und Mama zu ihren Pflegeeltern. „Wir haben zuerst gar nicht gedacht, dass sie die neunte und zehnte Klasse schafft, weil Khadija keine Schulbildung hatte“, sagt ihr Pflegevater. Doch die junge Frau hat sich durchgebissen, lernte die Sprache schnell und hat einen guten Abschluss hingelegt. Danach machte sie ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ), ehe sie eine einjährige Ausbildung zur Altenpflegehelferin absolvierte, bei Pro Seniore arbeitete und 2023 ins Lotte-Lemke-Haus wechselte. Dort hat sie einen Vollzeitvertrag, verdient ihr eigenes Geld, zahlt Steuern. Jetzt macht sie gerade einen Führerschein. „Null Fehler in der Theorieprüfung“, berichtet sie stolz.

Während ihr Pflegevater ihre traumatische Fluchtgeschichte erzählt, wird Khadja allerdings ganz still. Ihr Aufenthaltsstatus belastet sie. „Ich habe Angst, dass ich zurückmuss.“ Bei der Kreis-Ausländerbehörde wurde ein DNA-Test von ihr und einem Verwandten in Somalia verlangt, um ihre Identität zweifelsfrei zu klären. Für Klaus Mayer ist das absurd. „Dort herrscht seit Jahrzehnten Bürgerkrieg. Wie soll das gehen?“, fragt er sich. Seit einem Jahr kämpfen sie für einen sicheren Aufenthaltstitel ohne Befristung. Bisher keine Chance, statt dessen immer wieder neue Forderungen nach Identitätsnachweisen. „Bei anderen Ausländerbehörden, in Idar-Oberstein oder Mainz, ist das nicht so schwierig“, findet ihre Chefin.

Khadija Abdullahi hat sich einen Anwalt genommen, der ihre Interessen vertritt. Einrichtungsleiterin Kerstin Alexander versteht gar nicht, warum es der fleißigen jungen Frau so schwer gemacht wird, eine unbefristete Niederlassungserlaubnis zu bekommen – zumal sie komplett auf eigenen Beinen steht und in einem Beruf arbeitet, in dem es zu wenig Arbeitskräfte gibt. „Wenn gar nichts anderes funktioniert, werden wir Khadija adoptieren“, kündigt Klaus Mayer an.

So sieht die Ausländerbehörde den Fall

Der somalische Reisepass von Khadija Abdullahi und ihre Geburtsurkunde werden von der Ausländerbehörde nicht anerkannt, weil es im Herkunftsland keine Melderegister mehr gibt. Dass die Papiere der jungen Frau am selben Tag von der somalischen Botschaft in Berlin mit unterschiedlichen Namensschreibweisen ausgestellt worden sind, ist für die hiesige Behörde ein Knackpunkt. „Hierdurch wird besonders deutlich, dass sämtliche somalischen Urkunden lediglich aufgrund der eigenen Angaben der Personen und ohne zugehöriges Melderegister ausgestellt werden“, so die Ausländerbehörde. Eine Niederlassungserlaubnis könne nur erteilt werden, wenn die Identität geklärt ist. Diese Bedingung sei „insbesondere durch Sicherheitsinteressen motiviert“. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass sich jemand eine vollkommen neue Identität oder eine zusätzliche Alias-Identität verschafft.

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