Neue Heimat im Soonwald
In Spabrücken entsteht spirituelle Kunst
Merike Villems bei der Arbeit an einer Ikone. Die Ikonenkunst ist ein kontemplativer Vorgang, der eine Beziehung des Künstlers zum dargestellten Heiligen oder Ereignis herstellt.
Christine Jäckel

Die Herstellung von Ikonen ist sowohl ein kunsthandwerklicher als auch ein spiritueller Prozess. Für Merike Villems ist diese Beschäftigung zu einer Berufung geworden.

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Ikone heißt übersetzt Bild, aber Merike Villems weist gleich daraufhin, dass Ikonen nicht gemalt, sondern geschrieben werden. Die 59-Jährige lebt seit zehn Jahren im Wallfahrtsort Spabrücken. Dort hat die aus Estland stammende Kirchenmusikerin und Schneiderin eine neue Heimat gefunden. Bei einem Aufenthalt im Karmeliterinnenkloster in Köln 2002 kam sie zum ersten Mal mit der Ikonenkunst in Berührung.

Beim Schreiben Gottes Nähe spürbar

In Spabrücken arbeitet Merike Villems halbtags für die Klostergemeinschaft und als Organistin für das Bistum. Dort traf sie auf einen weiteren begeisterten Ikonenmaler, den Wallhäuser Helmut Jaeckel. Durch ihn kam sie an ihre jetzige Lehrerin Maria Theresia von Fürstenberg. Die vielseitige Künstlerin gibt unter anderem Unterricht in Ikonographie. Die Darstellungen von Heiligen oder Geschichten aus der Bibel sind eine Tradition der orthodoxen Kirche, aber viele katholische Christen sind fasziniert von dieser Kunst. „Ich glaube, dass man beim Ikonen schreiben mit der Gegenwart oder Nähe Gottes unmittelbar in Berührung kommt, das ist auch ein Ausdruck von Hingabe, von Im-Jetzt-Sein und alles Loslassen können“, erklärt Merike Villems.

In ihrem Wohnzimmer hängen zahlreiche Ikonen, die meisten von ihr selbst angefertigt. Geschrieben oder gemalt? „Ikonenschreiben“ ist eine relativ neue Wortschöpfung. Auf Griechisch heißt „grapho“ nicht nur ich male, sondern auch ich schreibe. Nach Auffassung von Merike Villems passt das Verb schreiben besser, weil es um die Wiedergabe von Geschichten aus der Heiligen Schrift geht. An den kleinen Holztafeln kann sie in ihrer Wohnung an einem Tisch vor dem großen Fenster arbeiten. In Estland habe ihr die Nahrung für ihre geistigen Wurzeln gefehlt, sagt Villems, die nach ihrem Klosteraufenthalt zunächst in ihre Heimat zurückgekehrt war. Nach einigen Jahren, in denen sie als Chorleiterin gearbeitet hat, spürte sie aber, dass sie vieles vermisst, etwa die geistliche Literatur. Wieder in Deutschland kam sie über Trier schließlich in den Soonwald zur Spabrücker Klostergemeinschaft.

Kunst nach traditionellen Regeln

Das Ikonenschreiben ist für sie zu einer Berufung geworden. Sie sagt: „Ich möchte verkünden. Ich möchte Gottes Liebe, die mir beim Malen entgegenkommt, mit anderen Menschen teilen.“ Die Tafelbilder geben Erzählungen aus der Bibel wieder, die nicht verfälscht werden dürfen. Ikonenmaler orientieren sich in der Regel an traditionellen Darstellungen, sie erschaffen nichts Neues. Daher, so Villems, brauche man beim Malen Demut, dürfe die eigene Person nicht voranstellen. Weitere Merkmale der Ikonenkunst sind, es wird von Dunkel zu Hell gearbeitet, dem folgt Villems, die mit der griechischen Übereinander-Technik arbeitet. Und: Die Arbeit ist ein kontemplativer Vorgang. „Man bittet zu Beginn darum, dass Gott die Hand führt, damit es gelingt“, sagt die Ikonenmalerin, die sich noch als Schülerin in dieser Kunst versteht. In einer Ausstellung an Pfingsten in der Wallfahrtskirche hat Merike Villems erstmals sieben von ihr geschaffene Ikonen präsentiert.

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