Wie sicher ist Bad Kreuznach?
Immer mehr Bürger haben ein mulmiges Gefühl
Diskutierten auf Einladung der FDP-Landtagsfraktion mit etwa 30 Gästen über die Sicherheitsproblematik (von links): Ralf Leonhard, Philipp Fernis und Raphale Schäfer.
Harald Gebhardt

Wie sicher leben die Bürger in Bad Kreuznach? Durch den tödlichen Messerangriff an der Kirschsteinanlage vor zwei Wochen ist diese Diskussion auch in der Kreisstadt neu aufgeflammt.  

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Das Thema Sicherheit bewegt die Menschen. Die Diskussionen über Messerverbote, Einlasskontrollen bei Volksfesten und mehr reißen nicht ab. Die FDP-Landtagsfraktion hat sich des Themas angenommen und mit Gästen aus Politik und Praxis über das Thema „Sicherheit im öffentlichen Raum – unbeschwertes Feiern durch wirksame Schutzkonzepte“ diskutiert. An der Talkrunde mit Philipp Fernis, Fraktionsvorsitzender der FDP im Mainzer Landtag, Raphael Schäfer, dem Leiter der Polizeiinspektion Bad Kreuznach, und Ralf Leonhard, Vorsitzender des Kreuznacher Schaustellerverbandes, nahmen etwa 30 Gäste teil, darunter Oberbürgermeister Emanuel Letz (FDP) und die SPD-Landratskandidatin Katharina Dahm.

Fernis: Opfer einer Straftat zu werden, ist überschaubar

Sicherheit ist eine absolute Kernaufgabe des Staates und damit ein Thema, um das sich die Politik kümmern muss, leitete Fernis die Diskussion ein. Vor allem ist es eine Aufgabe, die in die Hoheit des Landes fällt. Wie sicher sich die Bürger subjektiv fühlen, ist eine Seite der Medaille. Die andere ist: „Rheinland-Pfalz ist ein sicheres Bundesland“, so Fernis, die Gefahr, Opfer einer Straftat zu werden, sei überschaubar. Dass sich das Sicherheitsempfinden und -gefühl der Bürger nicht unbedingt mit den Zahlen deckt, untermauerte Schäfer anhand von bundesweiten Zahlen, für Rheinland-Pfalz, aber auch für Bad Kreuznach, einschließlich der beiden Großveranstaltungen in der Kreisstadt, Fastnacht und Jahrmarkt. Bundesweit liegt die Gesamtzahl der Straftaten statistisch in Durchschnitt der vergangenen 30 Jahre bei etwa 6 Millionen, in Rheinland-Pfalz bei 250.000. In Deutschland kommt es im Schnitt der vergangenen 40 Jahre jährlich zu 600 bis 700 Morden und Tötungsdelikten, so Schäfer weiter. Als Vergleich dazu führte er an, dass es jährlich 2500 Verkehrstote gibt, 143.00 Menschen an den Folgen des Rauchens sterben, 40.000 wegen Alkoholmissbrauchs.

20 Straftaten wurden an Jahrmarkt 2024 gemeldet 

Auch die Zahlen für die Kreuznacher Großveranstaltungen sprechen eine eindeutige Sprache - unabhängig von den Diskussionen über ein Verbot von Jagdmessern auf dem Volksfest, oder verschärften Kontrollen an den Eingängen. So wurden am Jahrmarkt 2022 insgesamt 32 Straftaten gemeldet, 2023 waren es 27, dieses Jahr 20. In erster Linie handelte es sich um Körperverletzungen. Im Narrenkäfig wurden 13 Delikte 2023 und 17 im Jahre 2024 gezählt, bei der Narrenfahrt waren es 14 (2023) und 11 in 2024. „Wir bewegen uns da auf einem geringen Level“, fasste der Polizeileiter zusammen. Er räumte aber ein: „Als Opfer sehe ich das natürlich anders.“ Zurückhaltend ist Schäfer auch bei der Forderung nach mehr Polizeipräsenz bei den Veranstaltungen – nicht nur wegen der vorhandenen Ressourcen der Polizei. Denn das könnte bei Besuchern die Spirale der Angst durchaus auch nach oben statt nach unten schrauben, gab er zu bedenken und betonte: „Die Polizei will deeskalieren und kommunizieren. Ich möchte nicht, dass die Eskalation von der Polizei ausgeht.“

„Wir kämpfen in einer demokratischen Gesellschaft immer mit einem Arm auf dem Rücken - im Gegensatz zu unseren Gegenüber.“
Raphael Schäfer, Leiter der Polizeiinspektion Bad Kreuznach

Für die Schausteller sei der Sicherheitsaspekt ganz wichtig, betonte Leonhard. „Wenn es keine gibt, verlieren wir Kunden.“ Absolute Sicherheit könne es aber nicht geben. Für Sicherheit zu sorgen, sei Aufgabe des Staates. Daher könne es nicht sein, „dass die Kosten dafür auf die Schausteller abgewälzt wird“. Er glaube schon, „dass die Bevölkerung etwas ängstlicher geworden ist“, doch gebe es beim Thema Sicherheit „noch Luft nach oben“. Er sprach sich für die Präsenz von Sicherheitskräften und selektive Kontrollen aus.

Die Frage, wie sicher sie sich selbst in Bad Kreuznach fühlen, beantworteten alle drei mit „sehr sicher“. Er könne aber auch Menschen verstehen, die sich heute unwohler fühlen als früher, wenn sie durch die Stadt gehen, meinte Leonhard. Auch Fernis betonte, man könne dieses Spannungsfeld nicht ignorieren, die Zahlen allerdings seien schon aussagekräftig: Bei Tötungsdelikten kennen sich die Beteiligten in aller Regel. Zufallsopfer seien hingegen eher selten.

Die Kirschsteinanlage hat einen schlechten Ruf. Eine No-go-Area ist sei für den Leiter der Bad Kreuznacher Poilizeinspektion, Raphael Schäfer, allerdings nicht.
Harald Gebhardt

Einig war man sich, dass Deutschland eines der sichersten Länder ist. Genauso klar sei aber auch: Eine absolute Sicherheit könne es nicht geben. Das würde bedeuten, Freiheit und Demokratie aufzugeben, so Fernis. Leonhard meinte ebenfalls: „Wer etwas vorhat, den hält auch eine Kontrolle am Eingang nicht davon ab.“ Ein anderes Beispiel; die Kirschsteinanlage. Trotz der dortigen Vorfälle ist es für Schäfer keine „No-go-Area“ – auch wenn sich eine bestimmte Klientel dort aufhalte. Die Polizei wisse davon und sei dort auch unterwegs. Die Möglichkeit einer Videoüberwachung, wie sie auch aus Kreisen der Politik gefordert wird, beurteilt er jedoch skeptisch. Seine persönliche Meinung sei, dass eine Videoüberwachung dort „nicht das probate Mittel ist“. Einem Pilotprojekt würde sich die Polizei aber nicht verschließen. Unbestritten ist aber auch, dass immer mehr Bürger mit einem mulmigen Gefühl an manchen Stellen durch die Stadt gehen. Fernis führt das aber auch auf die veränderte mediale Information über Internet und die digitalen sozialen Medien zurück. Bei vielen Menschen entstünde dadurch der Eindruck, die Zahl der Gewalttaten nehme zu.

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