Es gab eine Zeit, da war ein Lokal am Kornmarkt quasi Standard, wenn es ums abendliche Schnabulieren ging: der „Wolpertinger“ von Michael Grail und seiner Frau Anette. Gutes Essen, akzeptable Preise, klasse Lage und angenehme Einrichtung – abgesehen vom guten Personal. Eröffnet worden war der Wolpertinger übrigens am 4. März 1997 – zum 30. Geburtstag von Anette Grail. Und Michael Grail hatte nicht nur mit dem Wolpertinger Erfolg, er hatte zuvor die Salzmarkt-Kneipe geführt, in der es 1990 bis 1995 die legendären Erdnuss-Parties gab, die Gäste aus dem ganzen Rhein-Main-Gebiet nach Kreuznach lockten. Da wurden zentnerweise Erdnüsse in die Kneipe geschüttet, und wer einen möglichen Flirt anleiern wollte, der nahm sich eine Erdnuss und schnippte sie zum gewünschten Partner. Michael Grail kann sich noch daran erinnern, dass die Leute zu Hunderten vor der Kneipe standen, die Getränkebestellungen und die Bezahlung wurden quasi über die Köpfe hinweg erledigt. Er landete sogar vor Gericht, weil die Stadt ihm vorwarf, zu viele Gäste in sein Lokal hineingelassen zu haben, grinst er heute. Die Idee zur Erdnuss-Party hatte er übrigens aus Spanien importiert.
Heimweh zog die Grails zurück nach Kreuznach
Nach dem Ausstieg aus dem Kreuznacher Wolpertinger, also 2013, waren die Grails nach Bayern gezogen und hatten dort das Konzept weitergeführt. Und zwar sehr erfolgreich: Der Wolpertinger in Garmisch-Partenkirchen, den Grail noch bis vor zwei Jahren geführt hat, steht heute noch in den Wertungen von Tripadvisor an erster Stelle aller Restaurants vor Ort.
Nun ist Grail über 70, und seit zwei Jahren ist er in Rente. In Bayern bleiben wollten die Grails aber nicht. Das Heimweh zog sie nach Kreuznach zurück. Beide sind Kreuznacher, sie haben hier Freunde, Bekannte, Verwandte, lieben die Landschaft, es ist ihre Heimat. Also hieß es nun wie im Terminator-Hollywoodfilm: „I´ll be back“, und es ging zurück nach Kreuznach. Pensioniert stillsitzen geht bei Grail aber nicht. Seine Leidenschaft für guten Wein hat ihn zur Idee gebracht, einen speziellen Shop aufzubauen. Und zwar im ehemaligen Blumenshop Lützeler auf der Mühlenteichbrücke.
Sechs Winzer von der Nahe, außerdem Weine aus Spanien und Frankreich
Es wird Weine von sechs Nahe-Winzern geben: der Buchenländerhof in Norheim, die Schilds aus St. Katharinen, Beisiegel aus Traisen, Lersch aus Langenlonsheim, die Enks aus Dorsheim – sowie Lorenz aus Bosenheim. Hier muss Grail selbst schmunzeln, schließlich wird im benachbarten Klopfer-Weinlokal ganz sicher kein Lorenz-Wein ausgeschenkt, die Männerfehde zwischen den Seniorenchefs der beiden Häuser ist ja kein Geheimnis. Was nichts daran ändert, dass die Lorenz-Brüder ausgezeichnete Weine keltern – und der alkoholfreie Prosecco ist ein Knaller, absolute Empfehlung, auch wenn sich in der Altherrenliga der Wein-Connaisseure beim Alkoholwert „zero“ wohl die Nägel rollen dürften.
Es wird bei Michael Grail aber auch Rotweine aus Frankreich und Spanien geben. Eine ganz besondere Flasche hat er als Deko-Objekt an der Wand drapiert: ein 1973er Château Pétrus, da schnalzen die Liebhaber mit der Zunge. Diese Magnum-Pulle, gefüllt heute rund 4000 Euro wert, hatte ihm Hartmut Lind aus Bad Kreuznach im Jahr 2002 zum 50. Geburtstag geschenkt.
Schnäpse und Liköre von Prinz am Bodensee
Der Weinshop trägt einen speziellen Namen: „Der Kleine (Alte) Prinz“. Mit „klein“ spielt er selbstveräppelnd auf seine eigene Statur an, mit „alt“ und Prinz auf die von ihm präsentierten Schnäpse und Liköre aus Österreich von der berühmten Feinbrennerei Prinz am Bodensee. Hier wird bei Grail das ganze Programm zu kosten sein, von „Alter Erdbeere“ über „Alte Marille“ bis zur „Alten Williams-Christbirne“.
Sehr witzig übrigens auch die „erotischen“ Leberkäs-Spezialitäten – Zubereitung wie folgt: „Mach ihn heiß, und er fängt an zu wachsen.“
Die Eröffnung des „Kleinen (alten) Prinzen“ findet am Freitag, 11. Juli, statt. Ab 16 Uhr kann der Laden nach Herzenslaune durchstöbert werden. Zunächst wird Grail tagtäglich öffnen. Je nach Frequenz wird er dann in einigen Monaten entscheiden, wie er die Öffnungszeiten gestaltet.