Die Fürfelderin AnnetteMartin hilft Eltern, die früh ihren Nachwuchsverloren haben
Ihr Engagement gilt den Sternenkindern: Fürfelderin steht betroffenen Familien zur Seite
Ein Tisch voller Erinnerungsstücke: Bei Beerdigungen von Sternenkindern kümmert sich Annette Martin um die Anschaffung von Utensilien wie Kleidern, Taschen oder Anhängern.
Lukas Erbelding

In Deutschland werden pro Jahr 3000 bis 4000 Sternenkinder geboren, also Kinder, die vor, während oder kurz nach der Geburt sterben. Annette Martin aus Fürfeld hat es sich zur Aufgabe gemacht, betroffenen Familien zu helfen und ein größeres Bewusstsein für das Thema zu schaffen.

Ein Tisch voller Erinnerungsstücke: Bei Beerdigungen von Sternenkindern kümmert sich Annette Martin um die Anschaffung von Utensilien wie Kleidern, Taschen oder Anhängern.
Lukas Erbelding

Pro Jahr erblicken in Deutschland 700 000 bis 800 000 Kinder das Licht der Welt. Für die meisten Eltern beginnt dann eine intensive, spannende und schöne Zeit, in der sich (fast) alles um das Wohl des eigenen Nachwuchses dreht. In manchen Fällen jedoch schlägt das Schicksal während oder kurz nach der Schwangerschaft unerbittlich zu: 3000 bis 4000 Sternenkinder werden hierzulande pro Jahr geboren, also Kinder, die vor, während oder kurz nach der Geburt sterben – und in dieser Statistik werden nur diejenigen mit einem Gewicht von mehr als 500 Gramm aufgezählt.

Für betroffene Familien setzt sich Annette Martin aus Fürfeld in besonderem Maße ein. Die Krankenschwester, die im St. Marienwörth arbeitet, bietet den Eltern auf ehrenamtlicher Basis Hilfe an und steht als Ansprechpartnerin bei allen wichtigen und schwierigen Fragen zur Verfügung.

Egal, ob das Kind lebt oder nicht: Es ist immer noch ihr Kind, und dieses dürfen sie auch lieben.

Annette Martin aus Fürfeld engagiert für die Eltern von Sternenkindern und möchte ein größeres Bewusstsein für das Thema schaffen.

„Das Thema hat mich in meinem Beruf immer wieder begleitet“, erzählt die 35-Jährige, die nach ihrer Ausbildung bei der Diakonie mehrere Jahre im ambulanten Bereich schwer kranke Kinder betreut sowie im Kinderhospiz Bärenherz in Wiesbaden gearbeitet hat. „Als Schülerin habe ich schon erlebt, dass Eltern während oder kurz nach der Geburt ihre Kinder verloren haben. Hier habe ich mir bereits gedacht, dass ich das anschließende Prozedere ganz anders und auch schöner gestaltet hätte“, erinnert sich Martin.

Denn oft ist es so, dass es betroffenen Eltern gar nicht bewusst ist, welche Rechte sie zum Beispiel haben, wenn es um die Bestattung ihrer Kinder geht. „Da gibt es Möglichkeiten, von denen viele gar nichts wissen. Wie möchte ich bestatten? Möchte ich überhaupt bestatten? Das sind Fragen, mit denen sich die Eltern nach einem solch traumatischen Erlebnis gar nicht beschäftigen“, sagt Martin. Genau an diesem Punkt beginnt die Tätigkeit von ihr und Stefanie Spitzbarth, einer Kollegin aus dem Krankenhaus St. Marienwörth.

Ein exemplarisches Szenario beschreibt Martin wie folgt: „Wenn Betroffene ins Krankenhaus kommen und erfahren, dass etwas nicht stimmt oder ihr Kind die Geburt wahrscheinlich nicht überleben wird, stellen wir uns vor und geben ein Signal, dass wir für alle Fragen zur Verfügung stehen. Dann ziehen wir uns natürlich erst einmal zurück und lassen die Eltern in Ruhe in dieser Situation ankommen. Viele befinden sich da erst einmal wie in einem Tunnel.“

Eltern suchen aktiv das Gespräch

In den meisten Fällen ist es nach ihrer Erfahrung so, dass die Eltern recht zügig von sich aus auf die Helferinnen zukommen und Fragen stellen, wie es nach der Geburt weitergeht und welche Herausforderungen warten: „Zum Beispiel kann die Angst vor der Geburt selbst sehr groß sein. Diese Sorgen wollen wir den Eltern nehmen. Denn egal, ob das Kind lebt oder nicht: Es ist immer noch ihr Kind, und dieses dürfen sie auch lieben.“

Anschließend machen Martin und Spitzbarth den Eltern Vorschläge, wie die Beerdigung mitsamt möglicher Zeremonie aussehen könnte, ob etwa ein spezieller Sternenkindfotograf dabei sein soll. „Wir kümmern uns um all die Dinge, die so anfallen, sprechen auch mit den Angehörigen. Denn viele Familien sind in einer solchen Situation einfach hilflos.“

Annette Martin hält ein Sternenkind in ihren Händen. Die 35-jährige Krankenschwester aus Fürfeld möchte eine Organisation gründen, die sich dem Thema verstärkt annimmt.
dein-sternenkind.eu

Ebenso besorgt Martin spezielle Erinnerungsstücke wie schön dekorierte Kleidung für die Sternenkinder, Trauerkarten, Stempelkissen oder ähnliches. Ebenso lässt sie Fußabdrücke der verstorbenen Kinder anfertigen – selbstverständlich alles unter der Voraussetzung, dass sich die Eltern diesen Prozess des Abschiednehmens auch genau so wünschen. „Menschen trauern auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Manche Eltern möchten auch keine Bestattung für ihr Kind. Das ist vollkommen okay. Aber auf keinen Fall darf es so sein, dass sich Eltern dafür schämen und verheimlichen, was sie erlebt haben“, erläutert Martin.

Am Tag einer Beerdigung steht sie auch als Trauerrednerin zur Verfügung: „Das ist eine Sache, in die ich über Jahre hinweg hineingewachsen bin. Da gehört viel Empathie, Durchhaltevermögen und Toleranz dazu, denn Trauerprozesse sind unterschiedlich. Man muss die Menschen mit ihrer Trauer so nehmen, wie sie sind.“ Kurse als Trauerredner können übrigens alle Personen belegen, die sich mit dem Thema verstärkt beschäftigen möchten. Durch ihren beruflichen Hintergrund hat sich Martin aber in den vergangenen Jahren zusätzlich weitergebildet, etwa im Bereich der Palliativversorgung, also der Beratung, Begleitung und Versorgung schwer kranker Menschen.

Nicht nur in Bad Kreuznach bekannt

Das Engagement von Martin und Spitzbarth hat sich auch schon herumgesprochen. „Es kommen Menschen aus Idar-Oberstein oder dem Rhein-Main-Gebiet auf uns zu und fragen an, ob sie ihr Kind im St. Marienwörth zur Welt bringen können. Das Krankenhaus unterstützt uns da auch sehr gut. Diesen Weg wollen wir weitergehen.“

Zu diesem Zweck möchte Martin eine eigene Organisation namens „Sternenliebe“ gründen, die sich gezielt der Hilfe betroffener Eltern widmen soll. „Zwei unserer Hebammen haben schon signalisiert, uns dafür ihre Praxen zur Verfügung zu stellen. Unter anderem möchten wir einen Rückbildungskurs speziell für Sternenmütter anbieten. Das gibt es hier in der Region in dieser Form nicht.“ Ebenso will sie Gesprächsrunden für trauernde Mütter und Väter anbieten. „Auch Geburtsvorbeitungskurse, wenn Mütter ihr nächstes Kind erwarten, sind ein Thema. Denn bei vielen Eltern kommen dann wieder die Ängste und Erinnerungen hoch.“

Da Martin dieses Engagement auf ehrenamtlicher Basis betreibt, hat sie auf der Internetseite „GoFundMe“ ein Spendenkonto eingerichtet. „Das läuft vollkommen transparent, alle Rechnung können dort eingesehen werden. Ich verdiene daran keinen Euro“, betont sie. Für die Zukunft wünscht sich Martin, dass das Thema Sternenkinder mehr in den Fokus rückt und weiter enttabuisiert wird: „Mir geht es nicht um die Spenden. Das ist eher ein schönes Beiwerk. Wichtiger ist, dass die Aufmerksamkeit für dieses Thema größer wird und dass es nicht totgeschwiegen wird. Denn die meisten Eltern wollen eines: dass ihr Kind nicht vergessen wird.“

Wer das Engagement von Annette Martin unterstützen möchte, kann hier eine Spende abgeben.

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