Die CDU im Wahlkampfendspurt
Hunsrücker Heimspiel für einen Sauerländer
Keine CDU-Veranstaltung ohne die Nationalhymne. Politprominenz aus der Region bedankte sich bei Friedrich Marz und stattete ihn mit Gastgeschenken aus.
Rainer Gräff

Zwei Wochen vor der Bundestagswahl war es eine Bestärkung und Vergewisserung für die christdemokratische Basis aus dem Wahlkreis 200 und darüber hinaus: Der Kanzlerkandidat live auf der Bühne.

Überzeugen musste er wohl keinen mehr in der proppenvollen Deutscher-Michel-Halle in Stromberg: Friedrich Merz sprach am Freitagnachmittag vor begeisterten Anhängern und präsentierte sein Programm, mit dem er am 23. Februar eine starke Mehrheit bei der Bundestagswahl und damit letztlich die Kanzlerschaft erringen will. Stolze Gastgeberin war neben dem „Hausherrn“, dem VG-Bürgermeister Michael Cyfka, die Direktkandidatin der CDU für den Wahlkreis 200 Bad Kreuznach/Birkenfeld, Julia Klöckner. Schließlich war es der einzige Merz-Auftritt dieser Art in Rheinland-Pfalz, und so war es kein Wunder, dass die begehrten Tickets über die CDU-Bundeszentrale binnen 23 Minuten vergeben waren.

Julia Klöckner schwor das erwartungsfrohe Publikum ein

Wie es sich für den Auftritt eines Polit-Popstars gehört, gab es auch eine Vorgruppe: Julia Klöckner, in weißem Hosenanzug mit roter Bluse, begrüßte nach dem musikalischen Vorprogramm der Band „Sound Express“ die prominenten Parteigäste und all die anderen im Saal, die eifrig die bereitgelegten Plakate zeigten. Auf der Leinwand flimmerten die maßgeblichen Programminhalte, und Julia Klöckner stellte die Frage: „Deutschland, was ist los mit dir?“ Die Richtung ist klar: Wieder nach vorne – „wir wollen wieder stolz sein auf unser Land!“. Dass die Demonstranten draußen vor der Tür andere Meinungen vertreten, sei deren gutes Recht, stellte Klöckner klar.

Triumphaler Einmarsch in die voll besetzte Deutscher-Michel-Halle in Stromberg.
Rainer Gräff. Rain

Sie nahm kurz vorweg, was Merz später vertiefte: Die großen Themen seien Wirtschaft, Innere Sicherheit und Migration. Am Anfang stehe die Analyse, denn „da stimmt etwas nicht“ nach drei Jahren Ampelregierung. Die CDU propagiert „eine Agenda der Fleißigen“, will den Mittelstandsmotor wieder anwerfen und den Menschen „mehr Brutto vom Netto“ garantieren. Was die Sicherheit angeht, wolle man keine Bürgerwehren, sondern das Gewaltmonopol beim Staat, aber Datenschutz dürfe kein Täterschutz sein. Bei der Migration bedürfe es einer Atempause. Alles wartete auf Merz, zuvor allerdings gab es zwei Express-Talkrunden auf der Bühne mit Unternehmern, Neumitgliedern und Politikern wie Landrätin Bettina Dickes, MdL Dr. Helmut Martin und dem Landes-CDU-Spitzenkandidaten Patrick Schnieder.

Jubelstimmung im Saal war garantiert.
Rainer Gräff

Dann war er da, der große Moment: Von der Menge umjubelt, von Kameras, Security und seinen Parteifreunden umringt, zog Friedrich Merz in den Saal ein. Mehr Heimspiel geht für einen Sauerländer im Hunsrück nicht. Als „tolles Land mit tollen Menschen und tollem Wein“ stellte die Spitzenkandidatin Julia Klöckner den Wahlkreis vor: „Lieber Friedrich, besser wird es für dich nicht mehr.“ Vielleicht aber doch – wenn am 23. Februar das Wahlergebnis feststeht. Da ist Merz aber guter Dinge. Umfragen seien keine Wahlergebnisse, man wolle bis zuletzt kämpfen und „den Balken weiter nach oben steigen lassen“. 2021 habe die CDU die Wahlen verloren, „weil wir nicht mehr gut genug waren“.

Nimm Zwei: Julia Klöckner will das Direktmandat, Friedrich Merz die Kanzlerschaft.
Rainer Gräff

Die Regierung habe viele Möglichkeiten geliefert, die Oppositionsrolle auszufüllen – auch, Themen und den eigenen Kurs zu korrigieren. Beispielsweise beim Thema Migration, ohne dass Merz die Ex-Kanzlerin Merkel auch nur mit einem einzigen Wort erwähnte. Jetzt gehe es um eine Richtungsentscheidung, eine Zäsur, einen Politikwechsel, unterstrich der Redner im blauen Anzug mit roter Krawatte. Diese Bundestagswahl werde in der Welt wahrgenommen wie nur wenige zuvor in der deutschen Geschichte.

Bekenntnis zu Westbindung, EU und NATO

Korrekturen seien vor allem in der Wirtschaftspolitik und Migrationspolitik vonnöten. Aber nicht im Alleingang: „Wenn Deutschland nicht bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, geht es mit Europa nicht voran.“ Schließlich erlebe man aktuell tektonische Verschiebungen der Machtzentren auf der Welt. Ohne und gegen Europa sei vieles nicht machbar, aber die befestigten Deckel an Sprudelflaschen seien dabei nicht das wichtigste Thema, so Merz unter Applaus. Deutschland müsse nicht immer noch 50 Prozent auf EU-Regelungen draufpacken. Er forderte „Runter mit der Bürokratie aus Brüssel“, die Schaffung einer leistungsfähigen Wirtschaft aus dem europäischen Binnenmarkt heraus, aber auch beispielsweise das Ende des Verbrennerverbots.

Aber man müsse auch die eigenen Hausaufgaben machen: „Mit Work-Life-Balance und Viertagewoche bekommen wir das nicht hin!“ Es brauche eine Änderung der Grundeinstellung zu Arbeit und Leistung. Bürokratie und Regulierung gingen in die falsche Richtung, Ziel sei eine vernünftige Grundsicherung statt des falschen Bürgergeldsystems, und „wer arbeiten kann, aber nicht will, sollte nicht aus den öffentlichen Kassen seinen Lebensunterhalt bestreiten“. Das Renteneintrittsalter sieht Merz weiter bei 67 Jahren, aber wer länger arbeiten möchte, solle dies steuerbegünstigt tun können. Der Mittelstand sei zu entlasten, Deutschland dürfe nicht länger Hochsteuerland und Inhaber der Roten Laterne in internationalen Vergleichen bleiben.

Datennutzung statt nur Datenschutz in den Fokus nehmen

Den Ausstieg aus der Kernenergie 2011 habe er nie für richtig gehalten, die endgültige Abschaltung 2023 sei „blanke Ideologie“ gewesen. Man brauche endlich und schnell Gaskraftwerke, „und wir steigen nirgends mehr aus und schalten nichts mehr ab, ohne eine Alternative zu haben“. Deutschland brauche die produzierende Industrie und könne kein reines Dienstleistungsland sein. Merz versprach, ein neues Ministerium für Digitalisierung zu schaffen: „Statt nur über Datenschutz zu reden, müssen wir endlich über Datennutzung nachdenken.“

Klare Abgrenzung gegenüber der AfD

Erst gegen Ende seiner freien Rede packte Friedrich Merz das heiße Eisen Migration an. Deutschland sei Einwanderungsland und müsse es bleiben – aber in den Arbeitsmarkt, nicht in soziale Sicherungssysteme. Es gelte, die Verfahren sauber zu trennen. „Es war richtig, das in den Bundestag einzubringen, was wir in der Sache für richtig halten“, ging er auf die parlamentarischen Turbulenzen eine Woche zuvor ein. Er suche nach politischen Mehrheiten in der Mitte der Gesellschaft. Dabei gelte: keine Zusammenarbeit, keine Minderheitsregierung mit oder Duldung durch die AfD. Das Kürzel bedeutet für Merz „Abstieg für Deutschland“. Die CDU stehe klar zur Westbindung, Europäischen Union und NATO. Die AfD wolle er bekämpfen und „wieder zur Randerscheinung machen“.

Eindringlich forderte der Wahlkämpfer beide Stimmen für die CDU ein, um mit Abstand stärkste Fraktion zu werden. Um Ostern möchte er eine Regierung bilden, und „im Sommer werden wir eine andere Stimmung in Deutschland haben“. Gebe es Koalitionsgespräche aus einer Position der Stärke heraus, „dann werden die anderen sehr nachdenklich und flexibel werden“. Unter großem Jubel nahm Friedrich März Dankesworte und Gastgeschenke aus der Region entgegen, und nach der obligatorischen Nationalhymne leerte sich ein Saal voller bestärkter Zuhörer.

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