Nachgefragt 56-Jähriger hatte die vermeintlich hilflose Dame an der Haltestelle angesprochen
Hilflose Frau einfach zurückgelassen? Busfahrer weist Vorwurf zurück
Busfahrer mit Leib und Seele. Sein Beruf macht dem 56-jährigen Walter Flick auch nach fast 30 Jahren immer noch Spaß. Foto: Silke Bauer
Silke Bauer

Bad Kreuznach. Als um die Mittagszeit die Polizei bei Walter Flick anruft, fällt der 56-Jährige aus allen Wolken. Der Vorwurf: Der Busfahrer soll am Vorabend, dem 19. November, während seiner Schicht einer betrunkenen, hilflosen Frau an einer Haltestelle in Bad Münster nicht geholfen haben und einfach an ihr vorbeigefahren sein. Das will Flick nicht auf sich sitzen lassen, weshalb er dem „Oeffentlichen“ seine Version der Geschichte erzählt.

Die Vorwürfe haben ihn schwer getroffen: Busfahrer Walter Flick wehrt sich dagegen, eine hilflose Frau an der Bushaltestelle sitzen gelassen zu haben.

Silke Bauer

Ein Autofahrer meldete den Vorfall der Polizei: Walter Flick hat nun eine Strafanzeige am Hals – wegen unterlassener Hilfeleistung. Seit fast 30 Jahren ist er als Busfahrer in Bad Kreuznach und Umgebung unterwegs. Beinahe täglich erlebt er während der Arbeit skurrile, unangenehme und bisweilen brenzlige Situationen. Doch erstmals wirft ihm jemand vor, einen anderen Menschen im Stich gelassen zu haben.

Dabei erinnert er sich ganz anders an die Situation: „Ich bin gegen 20 Uhr an der Haltestelle angekommen und habe eine gut gekleidete Frau allein dort sitzen sehen“, erzählt Flick. „Ich habe angehalten und sie gefragt, ob sie mitfahren möchte. Das hat sie verneint. Sie hat ein wenig gelallt und nach Alkohol gerochen, aber keinen hilflosen Eindruck auf mich gemacht. Trotzdem habe ich sie gefragt, ob ich ihr helfen kann. Das hat sie auch verneint. Und dann bin ich weitergefahren.“

Die Sache ging dem routinierten Fahrer richtig nahe

Der Vorwurf des Autofahrers, Flick hätte der Frau dringend benötigte Hilfe verweigert, traf ihn schwer: „Die Sache habe ich mit nach Hause genommen“, gibt er zu. Busfahrer seien in besonderem Maße verpflichtet, im Notfall Erste Hilfe zu leisten, betont Flick. Seine Kollegen und er nehmen regelmäßig an Erste-Hilfe-Kursen teil, auch auf Sicherheitsschulungen wird bei Stadtbus Bad Kreuznach großen Wert gelegt.

„Ich habe schon mehrmals Erste Hilfe geleistet“, erzählt er. Einmal brach eine ältere Dame im Bus zusammen. Flick hielt sofort an und schaffte es, die Frau mit einer Herzdruckmassage wiederzubeleben. „Zum Glück befanden wir uns gerade am Kreisel Schneider Optik“, erinnert er sich. „Da konnte ich die Frau an die Malteser übergeben.“

Ein anderes Mal, vor eineinhalb Jahren, kam Flick zufällig an einem Autounfall bei Volxheim vorbei. Mit weiteren Verkehrsteilnehmern zog er den Autofahrer aus dem Graben. Auch einigen verunglückten Bikern hat Flick, der selbst Motorradfahrer ist, schon geholfen.

„Als Busfahrer ist man sich doch bewusst, dass man in der Öffentlichkeit steht“

„Ich sage das nicht, um mich wichtig zu machen“, betont er. Aber er will zeigen, dass er den Vorwurf des Autofahrers ungerecht findet. „Als Busfahrer ist man sich doch bewusst, dass man in der Öffentlichkeit steht“, sagt Flick. „Ich setze mir doch nach fast 30 Jahren im Unternehmen keine Laus in den Pelz und riskiere meinen Job, indem ich jemandem Hilfe verweigere.“

Flick ist der Alleinverdiener in seiner Familie: „Ich habe meiner Frau und meinem Arbeitgeber gegenüber ein Verantwortungsgefühl. Ich bemühe mich immer und wenn ich das irgendwann nicht mehr kann, bin ich mein Geld nicht mehr wert und höre auf.“ Aber so weit sei es noch nicht. Wie es jetzt für den Busfahrer weitergeht, ist ungewiss: Flick muss abwarten. Die Staatsanwaltschaft nimmt den Fall auf. Zeugen waren an dem Abend nicht im Bus.

Von unserer Redakteurin Silke Bauer

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