Das Handwerk steht für „anpacken“, und eben das war bei der Erlebnismesse Trumpf. Denn hier konnten die jungen Leute an zahlreichen Stationen beinahe unter Alltagsbedingungen Handwerksberufe kennenlernen. So beispielsweise bei den Dachdeckern. Denn wann kann man ansonsten schon einmal aufs Dach steigen? Hier war das – wenn auch nicht in schwindelerregender Höhe – möglich, und unter fachkundiger Anleitung hatten die Messebesucher schnell heraus, wie man ein Dach mit Gaube mittels Naturschiefer deckt. „Handwerksmessen gibt es viele, doch wie wir es hier praxisnah bieten, das ist schon etwas Besonderes“, meinte Dr. Lothar Greunke, Leiter des Berufsbildungszentrums (BBZ). Gegen Mittag strahlte er schon über alle Backen, weil die Besucherzahl schon da stark gegen die bisherige Rekordmarke von 600 Besuchern lief. Das Interesse am Handwerk sei da. Greunke: „Und Handwerk wird gebraucht. Man stelle sich nur vor, die Heizung fällt aus, und es kommt niemand zur Reparatur.“ Den Termin der Handwerksmesse kurz nach den Sommerferien hält er übrigens für mehr als günstig. „Vielleicht kommt ja heute noch der ein oder andere vorbei, der keine Lehrstelle hat und entscheidet sich kurzfristig, eine Ausbildung zu beginnen“, hofft der BBZ-Leiter. Denn das wurde klar: Auch wenn das Handwerk goldenen Boden hat, und Greunke von den künftigen Handwerksmeistern „als den Millionären von übermorgen“ spricht, es fehlt beinahe in allen Sparten an Nachwuchs. Nicht umsonst hatte die Arbeitsagentur im Vorfeld der Messe darauf aufmerksam gemacht, dass noch 300 Ausbildungsstellen unbesetzt sind. Dabei haben die Bäcker die größten Nachwuchssorgen. Ihnen folgen die Dachdecker, Tischler, Friseure, Maler, Elektroniker und auf Platz sieben die Fleischer. Nachwuchssorgen haben auch die Metallbauer. Hier ist es aber weniger ein quantitatives Problem. „Wir bekommen immer noch genügend Bewerbungen, aber oft bringen die Bewerber nicht die nötige Qualifikation mit“, erklärte Reinhold Lorenz von Lorenz Metallbautechnik. Auch junge Frauen könnte er sich im Metallhandwerk gut vorstellen, zumal der berufliche Weg beim Metallbauer nicht endet, sondern beispielsweise über den technischen Zeichner weiter gehen könnte. Doch die aktuellen Zahlen im Metallhandwerk sprechen Bände. So sind die derzeit 52 Azubis ausschließlich junge Männer. Lorenz war wie die meisten seiner Kollegen mit der Handwerksmesse mehr als zufrieden. Dort wartete auf die jungen Leute neben vielen interessanten Aufgaben, wie das Wechseln von Bremsbelägen oder Steinmetzarbeiten auch eine Handwerkerrallye. Zudem – das freute zahlreiche Besucher – bewies das Handwerk seine Fähigkeit, Menschen zu integrieren. So hatte Erdogan Can, Mitglied im Beirat für Migration und Integration, mit Shhatel Hadisch und Tesfaedem Tesfank zwei Flüchtlinge aus Eritrea mit zur Messe gebracht, die Günter Fett in die Technik des Zimmererhandwerks einführte.
Josef Nürnberg