Erster Diskussionsabend des neuen Graswurzelteams im Meddersheimer Saal
Graswurzelteam zu Windkraft-Plänen der VG Rüdesheim: Ländlicher Raum wird zum Hinterhof der Metropolen
Fluch oder Segen? Windräder (wie hier bei Desloch) bleiben Streitthema im Nahe-Soonwald-Land. Auch in der VG Rüdesheim, wo in den nächsten Jahren ein Windkraftprojekt entstehen könnte.
Stefan Munzlinger

Durch die von Markus Lüttger (CDU), Bürgermeister der Verbandsgemeinde Rüdesheim, vorangetriebenen Windkraftplanungen sieht das neu formierte „Graswurzelteam“ seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt.

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Michael Altmoos (Naturschutz-Mitmach-Museum „Nahe der Natur“, Staudernheim), der betont, kein pauschaler Windkraftgegner zu sein, kommentierte dieses VG-Projekt mit einem Investitionsvolumen von rund 500 Millionen Euro als „maßlos“. Es gehöre bundesweit zu den größten Vorhaben dieser Art, so Altmoos bei der Auftaktveranstaltung der neuen Initiative in der Gemeindehalle Meddersheim vor mehr als 100 Besuchern.

Das Graswurzelteam

Das Graswurzelteam ist ein Netzwerk von engagierten Bürgern und Fachleuten aus der Nahe-Hunsrück-Region, die sich „aus Sorge um die Zukunft ihrer Heimat“ zusammengetan haben. Die Veranstaltung in Meddersheim soll der Auftakt für eine Reihe von Infoveranstaltungen gewesen sein, bei denen die neue Initiative ihre Sicht zu den verschiedenen Aspekten der Energiewende und den Auswirkungen der Windkraftpläne verbreiten will. kuk

Der Ökologe aus Odernheim bezeichnete die angepeilten mehr als 100 zusätzlichen, bis zu 300 Meter hohen Windräder als „dramatische Bedrohung für unsere Weltklasse-Landschaft“. „Das ist doppelt hoch wie der Kölner Dom“, merkte Uwe Anhäuser (Bundenbach) vom Bündnis Energiewende für Mensch und Natur an. Die in der Region verteilten Rotoren sind für Michael Altmoos aber auch deswegen ein Horrorszenario, weil dadurch der Lebensraum von Tieren und Pflanzen weiter massiv eingeschränkt werde. Bei einem Eingriff dieser Dimension „multiplizieren sich die Auswirkungen und Probleme“, verdeutlichte der Naturschützer. Die Sichtweise der Kommunalpolitiker, die vor allem auf die damit verbundenen Einnahmen blicken, ist für ihn buchstäblich kleinkariert: „Dabei geht es ums Ganze.“

Monika Kirschner von der Initiative Soonwald ist irritiert, dass die Firma Salm-Salm und Partner aus Wallhausen an dem Projekt in der VG Rüdesheim beteiligt ist. Denn Prinz Michael sei schließlich Gründungsmitglied der Initiative Soonwald, in deren erstem Artikel der Präambel es heißt: „Im Europa der Regionen haben die wenigen verbliebenen Naturräume zentrale Bedeutung. Der Soonwald, eines der großen zusammenhängenden Waldgebiete Deutschlands, ist ein solcher Naturraum besonderer Qualität, den es unter allen Umständen zu erhalten und fördern gilt. Diesem Ziel hat sich die Initiative Soonwald verschrieben.“

Wenn wir das zulassen, verlieren wir unser Herz.

Monika Kirschner von der Initiative Soonwald zu den aktuellen Windkraftplänen

Schon allein wegen dieses Versprechens werde man der sich abzeichnenden Zerschlagung dieses einzigartigen Naturrefugiums entgegentreten. Wobei Monika Kirschner bekräftigte, dass der größte Teil der Windräder auf den Höhenlagen von Waldgebieten errichtet werden soll. Der ländliche Raum werde als Hinterhof der Metropolen missbraucht, in dem alles abgeladen werde, was in den Zentren unerwünscht ist.

Andere ländliche Regionen in Deutschland zeigten dennoch, wie man sein Profil schärfe, Lebensqualität erhalte und dennoch an der grünen Transformation arbeite: „Vor allem müssen wir erst einmal alle natürlichen Kohlenstoffsenken wie Wälder und Wiesen unter Schutz stellen.“ Auch die Installation von Solaranlagen an Gebäuden müsse forciert werden. Aber ohne einschneidenden Verzicht gehe nichts: „Schmerzhafte Abstriche an Konsum und vielen Annehmlichkeiten werden selbstverständlich werden.“

Kirschner plädierte für ein fundiertes Handeln, für Augenmaß und vor allem für ein stärkeres Selbstbewusstsein – ein Selbstbewusstsein, das darauf basiere, dass die eigene Region, ihr unverwechselbarer Charakter und die Tradition des heimatlichen Gebietes eine erfolgreiche Alleinstellung garantiere, „die wir schützen müssen. Verlieren wir diesen Alleinstellungscharakter, verlieren wir Identität und Lebensqualität. Wir verlieren unser Herz“.

An deutlichen Worten, Anstößen und Impulsen fehlte es unter der Überschrift „Energie und Windkraftinfo mit Weitblick“ bei dem von Dr. Beate Frank aus Simmertal moderierten Abend nicht. Die meisten Beiträge waren dennoch wohltuend sachlich. Das galt sogar für die Berichte von Betroffenen, die trotz ihrer zum Teil niederschmetternden Erfahrungen auf Polemik verzichteten. So merkte Bettina Klingels aus dem kleinen Hunsrückdorf Metzenhausen ganz nüchtern an, dass sie aus jedem Fenster ihres Wohnhauses auf Windräder blickt.

Neu war vermutlich für viele im Publikum ihre Erkenntnis, dass von der Technischen Anleitung (TA) zum Schutz vor Lärm die Geräusche der Rotoren nicht abgedeckt sind. Gerade die aber schränken neben der Schattenwurf ihre Lebensqualität massiv ein. Bettina Klingels warnte, dass entgegen aller Beteuerungen der Betreiber auch die neuen Anlagen umso lauter sind, je höher sie in den Himmel ragen.

Ich will nicht, dass meine schöne Heimat aus Profitinteresse weiter mit Windrädern zugebaut wird.

So begründete Sonja Ott aus Hundsbach ihr Engagement im neuen Graswurzelteam.

„Wir haben das anfangs total unterschätzt“, bekundete Ulrich Althauser aus Argenthal. „Das klingt wie eine ständig laufende Waschmaschine“, beschrieb er das Geräusch der einst am Hochsteinchen in der Kernzone des Naturparks Soonwald aufgestellten weißen Riesen. „Wir sind die Unbeugsamen und lassen uns nicht durch Subventionen kaufen“, warb er für die Naturschutzinitiative, deren zweiter Bundesvorsitzender er inzwischen ist und die mit Klagen bereits mehrere Windparks verhindert hat.

„Viele Anrainer nehmen die Bedrohung aber erst wahr, wenn es zu spät ist und Fakten geschaffen wurden“, unterstrich Roland Zick aus Hundsbach. Die Gemeinden, an die die Landesregierung die Entscheidung über die Windräder delegiert habe, seien damit überfordert. Ebenfalls in Hundsbach lebt Sonja Ott, die sich bewusst für ein Leben mitten in der Natur entschieden hatte. Doch dann wurden dort vier Windräder genehmigt, das nächstgelegene in einer Entfernung von 800 Metern. „Ich möchte nicht, dass meine schöne Heimat aus Profitinteresse weiter mit Windrädern zugebaut wird“, begründete sie ihr Engagement im Graswurzelteam.

„Ich möchte nicht in einer Industrielandschaft leben“, bekräftigte auch Norbert Pinne. „Es geht auch bei diesem Thema vor allem um Geld“, meinte der begeisterte Ornithologe, Imker und Gärtner aus Simmertal. Uwe Anhäuser wies darauf hin, dass man sich mit Windrädern in eine neue Abhängigkeit begebe: Denn 80 Prozent der Bauteile stammten aus China.

„Wir nehmen die Welt nur noch in Schlagzeilen wahr, aber nicht so, wie sie ist“, übte Wolfgang Piroth (Argenthal) massive Kritik an der Rolle der Medien, allen voran die öffentlich-rechtlichen Sender. Die Welt der Energiewende werde von ihnen fast durchweg rosarot dargestellt. Wer berechtigte Kritik übe, müsse generell mit Verleumdung und Ausgrenzung rechnen.

Bei aller Kritik war auch Platz für einen Fürsprecher der erneuerbaren Energien: Nach Meinung von Holger Broszinski sind sie, also auch die Windräder, bei dem Versuch, dem Klimawandel zu begrenzen, unverzichtbar. Es sei allerdings ein „wahnsinniger Aufwand“, das hinzubekommen, räumte der Physiker aus Staudernheim ein. Der jetzige Bestand an Windenergieanlagen und Solaranlagen müsse um den Faktor 3,5 gesteigert werden.

„So viel Lithium, wie man für die entsprechenden Speicher braucht, gibt es auf der ganzen Welt nicht“, machte Uwe Anhäuser auf eins der Probleme bei der Energiewende aufmerksam. Nach seinen Worten wird durch von den Windrädern erzeugte Verwirbelungen auch das Kleinklima beeinträchtigt, warnte er mit Blick auf den Weinbau an der Nahe. Mehrere Redner betonten, dass der Kreis Bad Kreuznach auf rund zwei Prozent seiner Fläche Windräder und damit die gesetzliche Vorgabe der Bundesregierung bereits erfüllt habe.

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