Bei Ortsbegehung stellte Verwaltungsgericht klar: Abstandsgebote wurden nicht eingehalten - Urteil folgt in etwa 14 Tagen
Gericht mit klarer Auffassung: Pall-Hallenbau in Bad Kreuznach war rechtswidrig
Bei einer Ortsbegehung mit Verwaltungsrichter Georg Theobald (links) wurde die Lage des Wohnhauses an der Planiger Straße unter die Lupe genommen. Bauamtsleiter Klaus Christ, Stadtrechtsdirektorin Heiderose Häußermann und Nicola Trierweiler vom Rechtsamt vertraten die Sicht der Stadt. Die OB-Kandidaten Silke Drees (rechts) und Emanuel Letz (nicht im Bild) waren auch vor Ort.
Cordula Kabasch

Sieg auf ganzer Linie: Die  Eheleute Haag, deren Haus und Garten durch den Pall-Hallenbau geradezu eingemauert worden sind, konnten am Mittwoch erst einmal aufatmen. Bei einem Ortstermin kam das Verwaltungsgericht Koblenz zu dem Schluss, dass der Bau so nicht realisiert werden durfte.

Bei einer Ortsbegehung mit Verwaltungsrichter Georg Theobald (links) wurde die Lage des Wohnhauses an der Planiger Straße unter die Lupe genommen. Bauamtsleiter Klaus Christ, Stadtrechtsdirektorin Heiderose Häußermann und Nicola Trierweiler vom Rechtsamt vertraten die Sicht der Stadt. Die OB-Kandidaten Silke Drees (rechts) und Emanuel Letz (nicht im Bild) waren auch vor Ort.
Cordula Kabasch

Obwohl es noch kein Urteil im Fall der rechtlich umstrittenen Pall-Halle an der Planiger Straße in Bad Kreuznach gab, stellte das Verwaltungsgericht Koblenz bei einer Ortsbegehung seine Rechtsauffassung sehr eindeutig dar. Demzufolge ist die Baugenehmigung rechtswidrig und muss aufgehoben werden. Die Anwohner des Wohnhauses Planiger Straße 117, Michaela und Ferdinand Haag, hatten im Dezember Klage gegen die elfeinhalb Meter hohe Halle eingereicht, in deren Schatten ihr Haus liegt. Nach der Ortsbegehung zeigten sich die Haags erleichtert und glücklich „nach dem ganzen Psychostress der vergangenen Monate“, wie Michaela Haag sagte.

Urteil gilt als Formsache

Das Urteil des Verwaltungsgerichtes Koblenz gilt nur noch als Formsache und wird von Jochen Kerkmann, dem Andernacher Rechtsanwalt der Eheleute Haag, in etwa zwei Wochen erwartet. Für die Stadt bedeutet das, dass die Pall-Halle entweder abgerissen oder die Baugenehmigung mit Änderungen nachträglich neu erteilt werden muss – was schwierig werden dürfte, wenn die Abstandsflächen berücksichtig werden müssen und keine Ausnahmeregelungen greifen sollten.

„Machen Sie uns ein Angebot, das wir nicht ablehnen können“, sagte Rechtsanwalt Kerkmann nach den Ausführungen von Richter Georg Theobald in Richtung Stadtrechtsdirektorin Heiderose Häußermann, die zusammen mit Bauamtsleiter Klaus Christ sowie Nicola Trierweiler vom Rechtsamt die Sicht der Stadt vertrat. Sie beantragte die Abweisung der Klage – erfolglos.

Bei der Ortsbegehung, zu der auch die beiden OB-Kandidaten Emanuel Letz (FDP) und Sabine Drees (CDU) kamen, stand für das Verwaltungsgericht die Frage im Mittelpunkt, ob das Haus der Haags und die Halle des Filterherstellers Pall in einem Industrie-, Gewerbe-, Bau- oder Mischgebiet liegt. Davon hängt ab, welche Abstände zwischen den Grundstücksgrenzen eingehalten werden müssen. Einen Bebauungsplan gibt es für das Gebiet nicht. Aktuell ragt die graue Pall-Halle in nur etwa drei Meter Abstand vom Haus der Haags in die Höhe. Das Gericht musste feststellen, ob das Haus der Eheleute als einzelne Einheit in einem Industriegebiet gelten kann, das durch eine Zufahrt vom Wohngebiet stadteinwärts abgegrenzt ist.

Frage der “erdrückenden Wirkung"

Eine weitere Frage drehte sich darum, ob der Neubau rechtlich gesehen eine „erdrückende Wirkung“ auf das Haus der Eheleute hat – was für die Haags ausgemachte Sache ist. Durch die Bebauung des L-förmigen Pall-Gebäudes fühlen sie sich wie eingemauert. Während im Haus tagsüber Licht brennen muss, da der Bau Wohnung und Garten verdunkelt, ist es dort nachts durch die Produktion in der Halle taghell. Der Anblick des riesigen Produktionsgebäudes neben den kleinen Wohnhäusern ist inzwischen bundesweit bekannt; zahlreiche Medien haben vom Kampf der Anwohner berichtet.

Nach etwa einstündiger Begutachtung kam das Verwaltungsgericht zu dem Schluss: Es handelt sich bei dem Gebiet um eine Gemengelage; eine eindeutige Zuordnung als Industrie-, Gewerbe- Bau- oder Mischgebiet sei nicht möglich. Deswegen muss der Abstand zum Haagschen Wohnhaus um bis zu 40 Zentimeter mehr betragen als jetzt. „Das ist keine Marginalie“, stellte der Richter fest.

Eine erdrückende Wirkung jedoch erkannte das Gericht nicht, da das Haus der Haags nur mit einer Seite an die Pall-Halle grenze. Die rechtlichen Anforderungen an dieses Kriterium seien sehr hoch. Anders sehen es aus, wenn die Nachbarn aus Haus 119 ebenfalls klagen würden, was sie laut Rechtsanwalt Kerkmann vorhaben. Da bei ihnen zwei Hausseiten umbaut sind, sei eine erdrückende Wirkung vermutlich gegeben, sagte Richter Theobald.

Für die Haags war der Tag jedenfalls ein voller Erfolg. „Wir haben gewonnen“, freute sich Michaela Haag, die vor der Ortsbegehung noch sagte, sie sei „total aufgeregt“, weil sie nicht einschätzen könne, wie das alles ausgeht. Einem Vergleichsangebot der Stadt sei das Paar nicht abgeneigt. Es würde auf jeden Fall von ihrem Anwalt geprüft.

Top-News aus der Region